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# taz.de -- Auftakt der Vierschanzentournee: Unter Hochdruck im Regen
> Der Weltcup-Führende Karl Geiger springt auf Platz fünf. Die
> Favoritenrolle auf den Gesamtsieg gibt er damit an Tagessieger Ryoyu
> Kobayashi weiter.
Bild: Talwärts unterwegs: Karl Geiger vor dem nächtlichen Himmel über Oberst…
Oberstdorf taz | Zwischen den Interviews der verschiedenen Fernsehstationen
hat Karl Geiger dann auch seine Familie entdeckt. Seine Frau Franziska und
seine jüngere Schwester Lucia. Also beugte er sich über die große
Werbebande und nahm beide lange in seine Arme. So viel Privates musste sein
für den Familienmenschen Geiger an diesem Abend in der Oberstdorfer
Schattenbergarena. In diesem Moment löst sich dann auch der ganze Druck,
der auf dem 28-Jährigen gelastet hatte.
[1][Als großer Favorit] war er in seinem heimischen Stadion in [2][die
Vierschanzentournee] gestartet. Schließlich durfte er das Gelbe Trikot des
Führenden im Gesamtweltcup tragen. Fünfter war er letztlich nach den beiden
Durchgängen. 6,1 Punkte, umgerechnet etwa 3,40 Meter, war Tagessieger Ryoyu
Kobayashi besser. Der Japaner, im Winter 2018/2019 [3][Gewinner der
Tournee] mit Siegen auf allen vier Schanzen, ist der große Gegenspieler des
Allgäuers.
„Im ersten Moment war ich ein wenig enttäuscht“, bekannte Geiger kurz nach
dem Springen. Doch mit der Zeit wich der Enttäuschung die Erkenntnis, dass
er einen guten Wettkampf abgeliefert hatte. Denn die Verhältnisse waren
alles andere als leicht. Dass es während des gesamten Wettkampfs mächtig
regnete, war noch das kleinste Handicap.
## Unsteter Wind
Aber der Wind drehte mehrmals. Keine leichte Aufgabe für die Jury. Die
reagierte auf den 141-Meter-Flug von Kobayashi, indem sie den Balken direkt
zunächst um eine Luke, direkt vor Geiger dann um zwei Luken nach unten
versetzen ließ – um nach zwei Springern wieder zwei Luken nach oben zu
gehen. „Dass immer wieder verkürzt wurde, hat mir gezeigt, dass der Wind
ganz gut ist“, sagte Geiger. Weil ihm jedoch nicht der perfekte Sprung
gelungen war, hatte er die guten Verhältnisse nicht optimal ausnutzen
können. „Der Sprung war gut, aber er war nicht so gut, wie ich es kann“,
sagte er zu seiner Leistung.
Bundestrainer Stefan Horngacher wollte in diesem Punkt seinem Vorspringer
nicht widersprechen. Deshalb ging er nicht weiter auf die sprungtechnischen
Komponenten ein, sondern wandte sich den menschlichen zu. „Er war schon
sehr unter Strom heute“, erzählte er hinterher in einer kleinen
Medienrunde. Auch Geiger hatte zuvor zugegeben: „Die Spannung war doch ein
wenig höher als gedacht.“
Wie hat sich das bei dem Springer, der als ruhiger und mental starker
Springer gilt, geäußert? „Hippelig ist der Karl nie“, beschrieb Horngacher
Geigers Charakter, „er ist dann eher ruhiger, wirkt eher konzentrierter.“
Ähnlich habe er den Allgäuer schon erlebt, aber so extrem noch nicht. „Man
hat gesehen, dass es für ihn eine schwierige Situation war“, sagte er, um
nach einer kurzen Pause anzufügen: „Aber die hat er gut gemeistert.“
Doch was hat Karl Geiger ausgerechnet bei diesem Wettkampf am 29. Dezember
2021 so gestresst? Schließlich lagen bei der Heim-Weltmeisterschaft im
Februar auch schon alle Hoffnungen auf den schmalen Schultern des 1,85
Meter langen Schlaks. „Mit dem gelben Trikot ist Karl noch nie auf seine
Heimschanze angereist“, nennt Horngacher als Grund.
## Gelber Ballast
Dieses Stück Stoff, von dem Geiger sagt, dass es ihm gut stehe, mache
definitiv mit seinem Träger etwas. „Wenn du als Letzter oben sitzt und
siehst, wie die anderen springen und du weißt, dass du einen guten Sprung
machen musst, weil du sonst weg bist.“ Dieser Druck löse etwas Besonderes
aus. Aber Horngacher lobt sogleich: „Karl hat das gut gelöst gekriegt.“
Der große Druck ist jetzt erst einmal weg von Karl Geiger. Der liegt nun
bei Ryoyu Kobayashi. Das gefällt Coach Horngacher. Der, um diesen zu
erhöhen, sagt: „Kobayashi ist der Top-Favorit.“ Doch auch der 25-jährige
Japaner ruht in sich. Wie Geiger vor einem Jahr musste auch der 1,73 Meter
große Flugästhet wegen eines positiven Coronatests in Quarantäne.
Doch diese brachte ihn weder physisch noch psychisch aus der Balance, wie
seine Siege danach in Klingenthal und Engelberg bewiesen haben. Und der zum
Tourneeauftakt in Oberstdorf. Doch Sorgen macht sich Bundestrainer
Horngacher deswegen keine. „Man sieht, dass er gut springt“, sagt er, „ab…
Karl kann ihn auch schlagen.“ In Engelberg und mit einem besseren ersten
Sprung auf seiner Heimschanze.
Für die folgenden drei Wettbewerbe hat Horngacher eine besondere Devise
ausgegeben. „Primär liegt der Fokus nicht darauf, auf Sieg zu springen“,
sagt er, „sondern der Fokus liegt darauf, keine großen Fehler zu machen und
Sprünge im 95-Prozent-Bereich abzuliefern.“ Doch ob das reicht?
30 Dec 2021
## LINKS
[1] /Deutsches-Team-vor-Vierschanzentournee/!5820227
[2] /Faszination-der-Vierschanzentournee/!5821906
[3] /Halbzeitbilanz-der-Vierschanzentournee/!5650113
## AUTOREN
Klaus-Eckhard Jost
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