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# taz.de -- Kanzler Olaf Scholz in Polen: Differenzen bekräftigt
> Bundeskanzler Scholz hat in Warschau seinen polnischen Kollegen
> Morawiecki getroffen. Nicht nur in puncto EU und Russland sind sie
> unterschiedlicher Meinung.
Bild: Entspannt sieht anders aus: Olaf Scholz (re.) und Mateusz Morawiecki am S…
Warschau rtr/afp/dpa | Beim Antrittsbesuch des neuen deutschen
Bundeskanzlers Olaf Scholz in Polen sind Meinungsunterschiede über die
Weiterentwicklung der EU deutlich geworden. Polens Ministerpräsident
Mateusz Morawiecki kritisierte die Aussage im Koalitionsvertrag der
Ampel-Parteien in Deutschland, dass die EU sich zu einem europäischen
Bundesstaat entwickeln solle. Dies sei ein „bürokratischer Zentralismus“,
habe er Scholz gesagt.
„Europa wird dann stark sein, wenn es ein Europa der souveränen Staaten
ist, der Vaterländer,“ so der polnische Ministerpräsident weiter.
„Gleichschaltung“ sei keine gute Methode für das Funktionieren Europas,
fügte er hinzu. „Wir wissen unsere Unabhängigkeit zu schätzen.“
Scholz sagte daraufhin, dass Deutschland sehr proeuropäisch sei. „Wir
fühlen uns verantwortlich, dass Europa insgesamt gelingt.“ Man müsse
Spaltungen in Norden und Süden, Osten und Westen vermeiden. Man habe auch
über die von der Bundesregierung geforderte Abschaffung des
Einstimmigkeitsprinzips in der EU über außenpolitische Entscheidungen
gesprochen.
„Deutschland und Polen sind Nachbarn und Freunde“, sagte Scholz. Beide
Politiker sprachen auch über EU-Kritik mangelnder Rechtsstaatlichkeit in
Polen, vermieden aber eine offene Konfrontation. Er hoffe sehr darauf, dass
die EU-Kommission und die polnische Regierung „bald zu einer guten und
pragmatischen Lösung führen könnten“.
## Polen fordert Aus für Nord Stream 2
Bekannte Differenzen zeigten sich auch in den Positionen zur
deutsch-russischen Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2, dessen Aus Morawiecki
erneut forderte. „Am besten wäre, die Öffnung von Nord Stream 2 gar nicht
zuzulassen“, sagte er.
Scholz ging auf diese Forderung nicht ein. Er sagte, dass Deutschland sich
auch in Zukunft verantwortlich um das Gas-Transitgeschäft der Ukraine
kümmern werde. Man werde die Ukraine auch beim Ausbau erneuerbarer Energien
unterstützen.
Einig waren sich beide Regierungschefs in ihrer Kritik am belarussischen
Präsidenten Alexander Lukaschenko, dem sie vorwarfen, Flüchtlinge als
politische Waffen gegen die EU zu verwenden. Scholz sprach von einer
„hybriden Kriegsführung“ und einer menschenverachtenden Praxis, Menschen
ins Land zu holen, um sie dann über die Grenze nach Polen abzuschieben.
Morawiecki kündigte an, dass der EU-Gipfel kommende Woche über weitere
Wirtschaftssanktionen gegen Belarus sprechen werde.
Scholz sagte, man werde beim EU-Treffen auch über die Lage an der Grenze
zwischen der Ukraine und Russland reden. „Wir machen sehr klar, dass es
nicht sein kann, dass die Grenzen in Europa verletzt werden. Es sollte
niemand denken, dass man sie verletzen könnte, ohne dass dies harte
Konsequenzen hätte“, fügte er Richtung Moskau hinzu.
Polens Ministerpräsident hatte den Gast aus Berlin mit militärischen Ehren
empfangen. Daran schloss sich ein Gespräch unter vier Augen an, zu dem
später die Delegationen hinzustießen. Vor dem Rückflug nach Berlin legte
Scholz einen Kranz am Grabmal des unbekannten Soldaten nieder. Scholz hatte
am Freitag bei seinen ersten Auslandsreisen als Kanzler erst Paris und
Brüssel besucht. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) war am Freitag
nach Antrittsbesuchen in Paris und Brüssel ebenfalls nach Warschau gereist.
Baerbock bekräftigte nach ihrer Reise ihre Bedenken bezüglich einer
Inbetriebnahme von Nord Stream 2. Sie sehe derzeit keine Grundlage für eine
abschließende Genehmigung der Gaspipeline, sagte Baerbock am Sonntag im
ZDF-heute journal. Die Pipeline erfülle die Vorgaben des europäischen
Energierechts nicht. Zudem sei klar, „dass bei weiteren Eskalationen diese
Pipeline so nicht weiter ans Netz gehen könnte“, fügte sie mit Blick auf
den Ukraine-Konflikt hinzu.
## Scholz lehnt deutsche Reparationen für Polen ab
Der polnische Ministerpräsident erwähnte bei dem Treffen mit Scholz auch
die Debatte über deutsche Reparationen. Seine Regierung will, dass
Deutschland in Gespräche mit Polen über eine Wiedergutmachung für Schäden
aus dem Zweiten Weltkrieg eintritt.
Die Bundesregierung sieht keine rechtliche Grundlage für Nachforderungen
aus Polen. Sie argumentiert unter anderem damit, dass die kommunistische
polnische Führung 1953 ihren Verzicht auf deutsche Reparationen erklärt
hatte. Dieses Argument verwendete Scholz auch in Warschau. Die Frage der
Entschädigungen für die von Deutschland im Zweiten Weltkrieg verursachten
Schäden sei rechtlich abgeschlossen, sagte er.
Scholz fügte hinzu, die deutsche Geschichte sei „ein Grund mehr, dass
Deutschland bereit und gewillt ist, sehr hohe Beiträge zur Finanzierung des
europäischen Haushalts zu leisten“. Scholz ist der erste Kanzler, der die
beiden Themen in dieser Weise verknüpft.
13 Dec 2021
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