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# taz.de -- Ausschuss zum Mordfall Walter Lübcke: Schwarz-Grün verlässt sich…
> Im Untersuchungsausschuss stimmten CDU und Grüne mit der AfD gegen die
> Opposition. Eine Zeugin soll in einer geheimen Sitzung aussagen.
Bild: Christian Heinz von der CDU ist der Vorsitzende des Lübcke-Untersuchungs…
Frankfurt am Main taz | Von einem „Tabubruch“ spricht der Kasseler
Publizist Michael Lacher; den hessischen Grünen wirft er vor, erstmals mit
der AfD kooperiert zu haben. Der promovierte Politologe, der für die
Initiative „Nachgefragt Kassel“ die Arbeit des Wiesbadener
Landtagsuntersuchungsausschusses zur Aufklärung des rassistisch
[1][motivierten Mordes am ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten Walter
Lübcke] begleitet, reagiert mit scharfer Kritik auf einen bislang streng
geheimen Vorgang im Untersuchungsausschuss. Die
[2][Hessisch-Niedersächsische Allgemeine Zeitung] (HNA) hatte ihn am
Freitag öffentlich gemacht.
Nach dem HNA-Bericht haben in der vergangenen Woche CDU und Grüne zusammen
mit der AfD, gegen die Stimmen von SPD, FDP und Linken, beschlossen, dass
eine Mitarbeiterin des Hessischen Verfassungsschutzes als Zeugin nicht in
öffentlicher, sondern in geheimer Sitzung vernommen wird. Ein brisanter
Beschluss, denn aus einer geheimen Vernehmung darf weder berichtet noch
zitiert werden. Die Zeugin soll zu der zentralen Frage aussagen, was der
Verfassungsschutz über rechte und gewaltbereite Netzwerke in Nordhessen vor
dem Mord an Walter Lübcke wusste.
## Auf die AfD war in dieser Frage Verlass
Das Gesetz, das die Ausschussarbeit regelt, sieht nicht ohne Grund hohe
Hürden für den Ausschluss der Öffentlichkeit vor. Dafür ist eine
Zweidrittelmehrheit erforderlich. CDU und Grüne verfügen nur über eine
knappe Mehrheit und waren deshalb bei der Abstimmung im Ausschuss auf die
Stimmen der AfD angewiesen. Sie wussten, auf die AfD war in dieser Frage
Verlass, denn den Rechtspopulisten passt die [3][ganze Richtung der
Untersuchung nicht]. Stephan Ernst, der inzwischen zu lebenslanger Haft
verurteilte Lübcke-Mörder, war zeitweise für die AfD aktiv und hatte in
Kassel für die Partei Plakate geklebt.
„Für die Grünen ist das ein einzigartiger Vorgang“, erklärte ihr Kritiker
Lacher von „Nachgefragt Kassel“, der Lübcke persönlich kannte: „Es
widerspricht allen ihren Grundsätzen im Allgemeinen und ihrem Wahlprogramm
für Hessen im Besonderen“, so Lacher, der bislang jede öffentliche Sitzung
des Ausschusses verfolgt hat.
## Bestätigung der Grünen und der CDU
Da der umstrittene Beschluss in einer nicht öffentlichen, geheimen Sitzung
gefallen ist, darf niemand von den Beteiligten den Vorgang bestätigen oder
gar kommentieren. Der Ausschussvorsitzende, der CDU-Abgeordnete Christian
Heinz, bestätigt der taz aber: „Der Untersuchungsausschuss hat auf Antrag
eines Zeugen/einer Zeugin nach intensiver Beratung mit der erforderlichen
qualifizierten Mehrheit beschlossen, diese Person am 15. Dezember
nicht-öffentlich zu befragen. Dem Ausschuss stand kein politisches Ermessen
zu, sondern er war aus (verfassungs-)rechtlichen Gründen verpflichtet, dem
Gesuch zu entsprechen.“ Gleichzeitig versichert er: „In politischen Fragen
arbeitet die CDU nicht mit AfD und nicht mit der Linkspartei zusammen.“
Ähnlich klang auch die Stellungnahme der innenpolitischen Sprecherin der
Grünen, Eva Goldbach: „Es bleibt für uns Grüne dabei, dass wir keine
Mehrheiten bilden, wenn diese von den Stimmen der AfD abhängig sind.“
Zu dem umstrittenen Vorgang selbst sagte sie der taz: „Bisher herrschte
zwischen allen Fraktionen Einigkeit, dass bei Vorliegen einer Gefährdung
die Person nicht öffentlich befragt wird. Wenn die Opposition diesen
Grundkonsens verlässt und einem solchen Antrag nicht zustimmt, kann es dazu
kommen, dass der Beschluss nicht wie sonst üblich einstimmig erfolgt. Dann
kann die Situation eintreten, dass aufgrund des Verhaltens der Opposition
die erforderliche 2/3-Mehrheit mit den Stimmen der AfD zusammen kommt. Eine
solche Situation ist nicht akzeptabel und sollte verhindert werden“, so Eva
Goldbach. Sie setze jetzt auf „Gespräche mit allen Fraktionen außer der
AfD“. Indirekt bestätigen CDU und Grüne mit ihren Stellungnahmen indes die
Beschlussfassung des Ausschusses, bei der die Regierungskoalition auf die
Stimmen der AfD angewiesen waren.
Michael Lacher von „Nachgefragt Kassel“ überzeugt weder die Argumentation
der CDU noch die der Grünen. „Der Vertreter der FDP, Stefan Müller, ist
Jurist und hat hier offenbar eine abweichende Bewertung vorgenommen“, so
Lacher: „Politisch ist die Zeuginnenbefragung durch die Koalitionäre
offenbar höher bewertet worden als das Zusammengehen mit der AfD. Man hätte
sie auch fallen lassen können, um einer Kooperation mit der AfD aus dem Weg
zu gehen,“ so Lacher gegenüber der taz.
2 Dec 2021
## LINKS
[1] /Milde-Strafe-fuer-rechtsextreme-Angriffe/!5810702
[2] https://www.hna.de/kassel/eklat-im-luebcke-ausschuss-91149831.html
[3] /Untersuchungsausschuss-zu-Luebcke-Mord/!5758693
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
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