| # taz.de -- Tatwaffe im Fall Walter Lübcke: Politischen Mord in Kauf genommen? | |
| > Elmar J. soll dem späteren Mörder Walter Lübckes die Tatwaffe beschafft | |
| > haben. Seit Mittwoch steht er vor Gericht – und streitet fast alle | |
| > Vorwürfe ab. | |
| Bild: Oliver Neuwinger, Pressesprecher des Landgerichts Paderborn, zum Prozess … | |
| Paderborn dpa | Gut zweieinhalb Jahre nach dem Mord am Kasseler | |
| Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat ein angeklagter 66-Jähriger | |
| bestritten, die Tatwaffe an den späteren Mörder verkauft zu haben. Sein | |
| Mandant Elmar J. weise den Vorwurf der fahrlässigen Tötung des | |
| CDU-Politikers Lübcke entschieden zurück, sagte dessen Verteidiger Ashraf | |
| Abouzeid am Mittwoch zu Prozessbeginn am Landgericht Paderborn. | |
| Lübcke war im Juni 2019 [1][auf der Terrasse seines Hauses erschossen | |
| worden.] Die Generalstaatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten aus | |
| Ostwestfalen vor, [2][er habe Lübckes späterem Mörder Stephan Ernst die | |
| Tatwaffe samt Munition 2016 für rund 1.100 Euro verkauft.] Er habe durch | |
| vorsätzliches und illegales Handeln fahrlässig zum Tod eines Menschen | |
| beigetragen, betonte die Vertreterin der Anklage, Julia Florczak. Dem | |
| Angeklagten sei die rassistische Gesinnung des späteren Mörders von Lübcke | |
| bewusst gewesen. Käufer und Verkäufer hätten zudem keine Waffenerlaubnis | |
| besessen. Elmar J. sei das auch klar gewesen. | |
| Verteidiger Abouzeid sagte im Verfahren, sein Mandant habe keine scharfen | |
| Schusswaffen an Ernst verkauft. Polizeibeamtin Christina Wasch gab als | |
| Zeugin an, Elmar J. habe auch in der Vernehmung nur vom Verkauf von | |
| Dekowaffen oder Dolchen gesprochen. Der Angeklagte selbst äußerte sich dazu | |
| am Mittwoch nicht, machte nur einige Angaben zu seiner Person. | |
| Rechtsextremist Ernst hatte Elmar J. beschuldigt, er habe ihm die Waffe | |
| mitsamt Munition für 1.100 Euro verkauft. Das schilderte auch Zeuge Dieter | |
| Killmer von der Generalbundesanwaltschaft – er hatte im Mordfall gegen | |
| Ernst ermittelt – aus Vernehmungen von Ernst im Jahr 2020. Ein befreundeter | |
| Mieter des Angeklagten gab im Gerichtssaal zu Protokoll, Elmar J. habe ihm | |
| gegenüber berichtet, eine Vier-Millimeter-Waffe an Ernst verkauft zu haben. | |
| Das entspricht nicht der Tatwaffe im Mordfall Lübcke. | |
| ## Eine „gewisse Affinität zum Dritten Reich“ | |
| Abouzeid unterstrich dagegen, sein Mandant habe nach Bekanntwerden des | |
| Mordes an Lübcke zwar zuerst befürchtet, die Tat sei mit einem der | |
| „Objekte“ verübt worden, die er an Ernst verkauft habe. Das sei aber | |
| definitiv nicht der Fall gewesen. | |
| Elmar J. räume lediglich einen Verstoß gegen das Waffengesetz ein. Sein | |
| Mandant bedauere, unerlaubt Schusswaffenmunition besessen zu haben, | |
| erklärte sein Verteidiger. Sein Mandant habe eine „gewisse Affinität zum | |
| Dritten Reich“ und auch NS-Devotionalien gesammelt. Er habe sich in | |
| finanziell prekärer Lage befunden und nach erfolgloser Tätigkeit als | |
| Tankstellenpächter und Videothek-Betreiber mit Trödel-Handel auf | |
| Flohmärkten über Wasser gehalten. Darüber habe er Ernst kennengelernt. Das | |
| „Kennverhältnis“ habe sich intensiviert, nachdem Ernst Interesse am Kauf | |
| der Hauses von Elmar J. gezeigt habe. | |
| Der Angeklagte war nach rund einem halben Jahr im Januar 2020 aus der | |
| Untersuchungshaft entlassen worden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte | |
| seinen Haftbefehl aufgehoben. Die Richter hatten Zweifel, ob er 2016 schon | |
| ahnen konnte, was für eine Tat Ernst mehr als zweieinhalb Jahre später | |
| begehen würde. | |
| Der Generalbundesanwalt hatte damals hingegen argumentiert, dem | |
| mutmaßlichen Waffenhändler müsse bewusst gewesen sein, dass Ernst ein | |
| gewaltbereiter Rechtsextremist war. Elmar J. habe also zumindest in Kauf | |
| genommen, dass dieser aus politischen Motiven töten könnte. Das Verfahren | |
| war an die Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf abgegeben worden, danach | |
| erfolgte Anklage am Paderborner Landgericht. | |
| ## Der Mörder selbst muss nicht aussagen | |
| Der Rechtsextremist Ernst war Ende Januar 2021 vom Oberlandesgericht | |
| Frankfurt wegen Mordes an Lübcke zu lebenslanger Haft verurteilt worden. | |
| Gegen das Urteil ist noch eine Revision anhängig. Lübcke war am 1. Juni | |
| 2019 auf der Terrasse seines Hauses mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe | |
| getötet worden. Die Tat gilt als erster rechtsextremistischer Mord an einem | |
| Politiker in der Bundesrepublik. Lübcke hatte sich für die Aufnahme von | |
| Flüchtlingen ausgesprochen. | |
| Verteidiger Abouzeid betonte unmittelbar nach der Verhandlung, er gehe von | |
| einem Freispruch beim Vorwurf der fahrlässigen Tötung aus. Die Anklage | |
| stütze sich auf die Aussagen eines – noch nicht rechtskräftig verurteilten | |
| – Mörders. Und auf ein „mutmaßliches Geständnis gegenüber einem Freund�… | |
| bei dem es aber gar nicht um die Tatwaffe gegangen sei. | |
| Im Falle des eingeräumten Verstoßes gegen das Waffengesetz sind laut | |
| Gericht bis zu sechs Monate Freiheitsstrafe möglich, bei fahrlässiger | |
| Tötung bis zu fünf Jahre. | |
| Für den Prozess in Paderborn sind als weitere Termine zunächst der 7. und | |
| 19. Januar festgesetzt. An diesem Freitag sollte eigentlich Ernst als Zeuge | |
| befragt werden. Man habe ihn aber wieder ausgeladen, sagte der Vorsitzende | |
| Richter Eric Schülke. Dem Gericht sei angezeigt worden, dass Ernst wegen | |
| der laufenden Revision von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen | |
| wolle. | |
| 5 Jan 2022 | |
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