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# taz.de -- Normalitätsbegriff von Olaf Scholz: Des Kanzlers einfache Leute
> Scholz spricht gern von normalen, einfachen Leuten. Anders als Sahra
> Wagenknecht meint er das nicht populistisch-ausgrenzend.
Bild: Schutzpatron der Lkw-Fahrer: Bist du's, Olaf Scholz?
Olaf Scholz neigt zu verdrechselten Formulierungen. Auf die
Merkel-Philologie, die zu ergründen suchte, was die Kanzlerin eigentlich
meinte, wird wohl die Scholz-Deutungsexpertise folgen. Die wird noch harte
Nüsse zu knacken und in Parenthesen versteckte Botschaften zu enträtseln
haben.
Beim SPD-Parteitag hat Scholz allerdings im Klartext die Schlüsselbegriffe
seiner Kanzlerschaft erläutert: Respekt und Fortschritt. Letzteres ist bei
[1][Scholz] industrielle Standortpolitik und globale Konkurrenz. Ökologie
spielt nur eine Rolle, wenn sie Geld und Jobs bringt. Ja, der klimaneutrale
Umbau ist ehrgeizig. Aber es ist kein Zufall, dass der Kanzler sich fürs
Klima erst interessiert, seit die Manager der Republik auf die gleiche Idee
kamen.
Schillernder ist der Begriff Respekt. Die Ampel werde Politik für „ganz
normale Leute machen“. Und die SPD sei der „richtige Freund der einfachen
Leute“. Also Normalität und [2][einfache Leute].
Wenn Politiker zu diesem Vokabular greifen – muss man da nicht vorsorglich
in Deckung gehen? Sind „Normalität“ und die „einfachen Leute“ nicht
Kampfbegriffe, in denen die Ausgrenzung der Minderheit schlummert? Bei
Scholz besteht kein Anlass zur Sorge. Er ist spektakulär untalentiert für
volkstümliche Auftritte und bei jedem politischen Aschermittwoch eine
Fehlbesetzung. Scholz, ganz Hamburger Bürgersohn, ist habituell unfähig zum
Populismus.
## Das Verbindende wird betont
In der sozialdemokratischen Wortgeschichte sind die „einfachen Leute“ zudem
ein Rückgriff auf die Zeit, bevor Schröder die Identität der SPD als
„Schutzmacht der kleinen Leute“ auf dem Altar des Neoliberalismus opferte.
Scholz benutzt „normal“ zudem nicht im Sinne eiserner Normalität, die das
Dissidente aussondern muss. Die Normalen sind eher die Erschöpften, die bei
dem Rennen um die perfekte Selbstverwirklichung den Kürzeren ziehen und in
einer Gesellschaft, in der alle besonders sein müssen, die Nachhut bilden.
Das unterscheidet dieses Respektkonzept von dem Feldzug, den [3][Sahra
Wagenknecht] im Namen der Normalität gegen die linksliberalen Eliten
anzuzetteln versuchte. Bei Wagenknecht verschwimmen Eliten, Neoliberalismus
und Emanzipation zu einem Komplex, den es zu bekämpfen gilt. Diese
aggressive Antiidentitätspolitik arbeitet mit Spaltungen gegen Spaltung.
In der Rhetorik von Scholz findet sich nichts Trennendes. Das Verbindende
wird betont, zwischen Metropolen und Provinz, zwischen Nichtakademikern und
Studierten. Respekt für die einfachen, normalen Leute ist keine
Ausgrenzungsvokabel – sondern das Gegenteil.
12 Dec 2021
## LINKS
[1] /Scholz-eroeffnet-naechsten-Wahlkampf/!5818663
[2] /Buergergeld-in-Koalitionsverhandlungen/!5806593
[3] /Wagenknechts-Impfskepsis/!5809058
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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