| # taz.de -- Kunstform Musikalbum: Das Album lebt | |
| > Das Album ist viel mehr als Musik. Es verbindet Songs und Inszenierung. | |
| > Und es ist auch vom Streaming der Songs nicht totzukriegen. | |
| Bild: In Zeiten der Pandemie ist Musikhören noch öfter ein allein erlebtes Ve… | |
| Dieses Jahr flogen erstmals prominente [1][Zivilpersonen ins All]. Was das | |
| mit dem Album als wichtigstem Format von Popmusik zu tun hat? Das Album ist | |
| ein Produkt des Space Age, des Raumfahrtzeitalters, das begann, als die | |
| Rüstungsindustrie nach Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 teilweise in | |
| Zivilwirtschaft überführt wurde. Plötzlich war Vinyl kein kriegswichtiges | |
| Material mehr, und die Geräte zur Feindaufklärung konnten auch zur | |
| Produktion von rührseligen Songs verwendet werden. | |
| Nachdem die Flegeljahre des Pop in den 1950ern von 7-Zoll-Singles geprägt | |
| waren, die die Halbstarken-Gefühlswelt in zweieinhalb Minuten | |
| zusammenfassten, begann die Musikindustrie seit den 1960ern, ihre Stars mit | |
| 12-Zoll-Langspielplatten, Alben, zu bewerben. In der Musik wurde oftmals | |
| die Zukunft besungen und auf den Covers in klebrigen | |
| Science-Fiction-Träumen anschaulich illustriert. Zunächst bestanden Alben | |
| aus lieblos gekoppelten Songs, einigen Hits und vielen Nieten. | |
| Mit dem Aufkommen der Hippiekultur entwickelte sich gegen Ende der 1960er | |
| das Album als gängige Form der Promotion. Fotos, Linernotes, Songtexte | |
| wurden mit abgedruckt. Popmusik bekam eine synästhetische Note. Auf einem | |
| Album ließen sich zusammenhängende Geschichten erzählen. Ein | |
| Weltkulturerbe, das viel zu wenig gewürdigt wird. Beweis ist die | |
| Überwältigungstaktik des Konzeptalbums [2][„Sgt. Pepper’s Lonely Hearts | |
| Club Band]“ der Beatles. | |
| Die Songs sind längst im kollektiven Popgedächtnis eingebrannt. Wir | |
| assoziieren damit automatisch das Wachsfigurenkabinett und die Fotocollage | |
| auf dem Cover. Trotz Ölkrise, sinkender Absatzzahlen und trotz des | |
| Formatwechsels von LP auf CD blieb das Album bis Ende der 1990er die | |
| lukrativste Vermarktungsquelle. Erst die Digitalisierung änderte dies und | |
| beschleunigte eine Fragmentarisierung und Zerstückelung von Popmusik. | |
| Tourneen und Konzerte wurden in der Folge wichtige Absatzquellen. | |
| [3][Corona] hat diese Entwicklung unterbrochen. Selbst heute, wo das | |
| Streaming von Songs kommerzielle Gewinne abwirft, wird dies auch durch das | |
| Abspielen vollständiger Alben erzielt. Die freie Verfügbarkeit von | |
| Millionen Songs im Netz, ja selbst die Mikropromotion von Snippets, | |
| markanten Ausschnitten, die auf Plattformen wie Tiktok stattfindet, hat dem | |
| Album als Kunstform kaum etwas anhaben können. | |
| Im Gegenteil, ein Retrovinylboom treibt die seltsamsten Blüten und wird | |
| seit Längerem inszeniert wie Bausparverträge. Musik ist mehr als nur | |
| Vermarktung, sie ist ein Massenmedium, das weiterhin zur Verständigung | |
| beiträgt. Und das Album – nach wie vor die engste Verbindung von Songs, | |
| Inszenierung und Crosskulturalisierung – es lebt. | |
| 30 Dec 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Laien-fliegen-ins-All/!5797545 | |
| [2] https://www.youtube.com/watch?v=2Q_ZzBGPdqE | |
| [3] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746 | |
| ## AUTOREN | |
| Julian Weber | |
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