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# taz.de -- Handelsbilanz in China: Demokratie auf Chinesisch
> Wie demokratisch China ist, definiert man in Peking entsprechend der
> Handelsbilanz. Aktuell wiegt der europäische Kunde schwer.
Bild: Chinas Präsident Xi Jinping im Kreise der militärischen Führung im Nov…
Der beste Trick, jede Kritik von sich zu weisen, ist: Du behauptest, so
unvergleichlich unique zu sein, dass kein Normalsterblicher dich auch nur
annähernd verstehen könnte. So etwas wie marsmenschenähnlich mit einem
biblischen Zungenschlag vielleicht. Dieser Trick schüchtert einige Deutsche
perfekt ein, vor allem solche, die vor dem unique „China“ ehrfurchtsvoll
erscheinen wollen: Wenn einer die Marsmenschlichkeit verstünde, dann nur
unterwürfig, und auch das nur annähernd.
Von diesem Trick machte bis vor Kurzem die KP-Führung reichlich Gebrauch:
Chinas System sei so unvergleichlich anders, deshalb besser als jede
westliche Demokratie, weil „wir Chinesen“ so anders seien. Der Trick
wirkte: Bei einem Diskussionsabend lehrte mich ein deutscher Sinologe:
„Demokratie ist etwas, was wir in Europa, im Westen ausgedacht haben. Die
Chinesen wollen es gar nicht. Also sollten wir uns in Bescheidenheit üben,
anderen nicht unser System aufzuzwingen.“
Was mich erstaunt: Wie harmonisch es hüben wie drüben konzertiert
erscheint. Dem deutschen Professor schien entgangen zu sein, dass die erste
Republik in China 1912 ausgerufen wurde, erst sieben Jahre später folgte
die Weimarer Republik. Und die KP-Führung scheint vergessen zu haben, was
ihre einstige Ikone, [1][Mao Zedong], 1947 beteuerte. Nicht irgendeine
Demokratie, sondern die amerikanische sei „die einzige Rettung für die
chinesische Nation“, schrieb Mao.
Nun, das hat man so an den Tricks: Man muss sie nicht glauben, sondern sie
ausnutzen, frei von jedem Skrupel, so gut es geht. So gut geht es dieser
Tage aber nicht mehr. Seit Joe Biden zu dem Gipfel der Demokratie über 100
Länder eingeladen hat, beschwören in Peking alle Parteimedien, [2][China
sei doch eine Demokratie]. Im Vergleich gar die beste. Die chinesische
durchdringe den ganzen Prozess, von Idee über Entscheidung bis zur
Ausführung. Nicht so die amerikanische, die den Verrückten Trump
hervorgebracht habe.
## China braucht den Export
Was veranlasst solchen plötzlichen Sinneswandel? Nur die Einsamkeit als
Nichtdemokratie, als jenes unvergleichliche Unikat allein zu erstrahlen?
Gewiss braucht niemand mit Propagandisten darüber zu streiten, was eine
Demokratie ist. Allzu durchschaubar sind Pekings Beweggründe im Sinne von
Tricks: Wegen der Krise in China, um ein Beispiel zu nennen, braucht das
Land mehr lukrativere Exportgeschäfte.
Westliche, etwa europäische Demokratien, sind nun mal zahlungskräftige
Kunden, mit denen man sich arrangieren muss. Das funktioniert besser ohne
jene Schelte, die Peking bislang den Amis vorbehalten hat: Wie schädlich
sei die Demokratievariante in Washington? [3][Xinhua, die staatliche
Nachrichtenagentur,] schreibt: So vernichtend wie „eine
Massenvernichtungswaffe“.
Funkstille herrscht indes, wenn es um die Frage geht, wie katastrophal
Demokratien in Europa, verglichen mit der chinesischen, abschneiden? Wieder
wusste es eine deutsche Sinologin besser: Wochen vor dem Sinneswandel in
China belehrte sie mich: Auch Chinas System habe effektive Mittel,
fehlerhafte Störfaktoren friedlich zu beseitigen. Schließlich konnte man im
alten China selbst Kaiser abwählen, sollte dieser das himmlische Mandat
nicht erfüllen.
Einem ignoranteren Deutschen bin ich bislang kaum begegnet. Unterdessen
meldete sich ein Blogger aus China, der „Demokratie und Freiheit“ (minzhu
ziyou) als Suchwort eingab. Prompt poppte die Online-Fehlermeldung heraus:
„Diese Suche verstößt gegen Sicherheitsregularien. Sorry.“
18 Dec 2021
## LINKS
[1] https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/297717/vor-70-jahren-gruendu…
[2] https://www.tagesschau.de/ausland/asien/china-975.html
[3] http://www.news.cn/english/2021-12/17/c_1310379018.htm
## AUTOREN
Shi Ming
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können.
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