| # taz.de -- Bürgerentscheid verhindert Solaranlage: Energiewende abgelehnt | |
| > In Pronstorf in Schleswig-Holstein hat ein Bürgerentscheid den Bau eines | |
| > Solarparks verhindert. Die Gegner*innen wollen lieber Getreide | |
| > anbauen. | |
| Bild: So ähnlich hätte das auch in Pronstorf aussehen können: Ein Solarpark … | |
| Göttingen taz | Mit gerade mal einer Stimme Vorsprung hat am Sonntag eine | |
| Mehrheit im schleswig-holsteinischen Pronstorf in einem Bürgerentscheid | |
| gegen den Bau einer Photovoltaikanlage gestimmt. Sie hätte 1,6 Gigawatt | |
| Strom für mehr als 20.000 Haushalte liefern können. Der Gemeinderat hatte | |
| das Projekt vor einem Jahr nahezu einstimmig gebilligt. | |
| Doch eine Bürgerinitiative machte gegen das Vorhaben mobil und sammelte | |
| innerhalb von drei Wochen 321 Unterschriften für einen Bürgerentscheid. | |
| 1.400 Einwohner:innen ab 16 Jahre konnten sich an dieser Abstimmung | |
| beteiligen. 298 votierten laut vorläufigem Endergebnis für den Solarpark, | |
| 299 dagegen. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 42 Prozent. 20 Prozent wären | |
| für ein gültiges Ergebnis erforderlich gewesen. | |
| Die Kritik der Initiative richtete – und richtet – sich vor allem gegen den | |
| Standort. Der knapp 90 Hektar große Solarpark sollte auf dem Grund und | |
| Boden des Landbesitzers Hans-Caspar Graf zu Rantzau entstehen. „Das ist | |
| allerbestes Ackerland“, sagte der Sprecher der Bürgerinitiative, Peter | |
| Krug, der taz. „Sollen wir etwa demnächst unser Getreide aus Argentinien | |
| und Brasilien beziehen?“ | |
| Ohnehin gehörten Photovoltaikanlagen nicht auf landwirtschaftlich genutztes | |
| Gebiet, sondern vor allem auf die Dächer von Gebäuden. Auch habe es keine | |
| Bürgerbeteiligung gegeben, moniert Krug. „Die Einwohner wurden nicht | |
| mitgenommen, es wurde überhaupt nicht informiert und schon gar nicht | |
| diskutiert. Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt.“ | |
| Die Gemeinde widerspricht vehement und verweist auf eine eigens einberufene | |
| Gemeindeversammlung am 8. September. Sowohl die [1][Betreiberfirma | |
| Enerparc] als auch Mitarbeitende des Ingenieurbüros für Erneuerbare | |
| Energien „Solar Wind“ hätten dort den Bürger:innen Rede und Antwort | |
| gestanden. | |
| Bürgermeisterin Bettina Albert zufolge hätte der Solarpark der Kommune viel | |
| Geld einbringen können. „Durch die Einnahme von 0,2 Cent pro Kilowattstunde | |
| bei entsprechender Sonneneinstrahlung wären das im Jahr 150.000 bis 200.000 | |
| Euro gewesen“, sagte sie der taz. Das Geld wäre Bürger:innen der | |
| Gemeinde in Form von ordentlichen Straßen und einem Ausbau von Radwegen | |
| zugutegekommen. „Alle Investitionen, die dringend notwendig sind, können | |
| nun nicht getätigt werden“, beklagt Albert. „Und unseren Beitrag zum | |
| Klimawandel können wir jetzt auch vergessen.“ | |
| Auch die Einwohner:innen selbst hatten die Chance, an der Anlage | |
| [2][mitzuverdienen]. Denn Enerparc bot ihnen eine Finanzierungsbeteiligung | |
| zwischen 500 und 115.000 Euro mit einem garantierten Zinssatz von jährlich | |
| sechs Prozent an. Nur bei einer Insolvenz des Unternehmens wäre das Geld | |
| weg gewesen – ein unwahrscheinliches Szenario, Enerparc agiert weltweit und | |
| betreibt allein in Deutschland rund 300 Solarparks. | |
| Enerparc-Sprecher und -Projektplaner Günther Störmer lässt vor allem das | |
| Argument der Bürgerinitiative nicht gelten, Photovoltaik-Anlagen auf | |
| Gebäuden würden ausreichen, um genügend Strom für die nötige Energiewende | |
| zu erzeugen. „Viele Dächer sind statisch ungeeignet, die zusätzliche Last | |
| einer Photovoltaik-Anlage zu tragen oder werden schlicht verschattet“, so | |
| Störmer auf taz-Anfrage. | |
| Zudem reichten die deutschlandweiten Installationskapazitäten nicht einmal | |
| ansatzweise aus, die benötigte Leistung in ausreichender Geschwindigkeit | |
| auf den Dächern zu installieren: „Während man für den Aufbau eines | |
| Megawattpeaks Photovoltaik in der Freifläche nur wenige Wochen benötigt, | |
| dauert es auf kleinteiligen Dächern bis zu einem Jahr.“ | |
| Sein Unternehmen werde mit der Gemeinde im engen Dialog zu bleiben, | |
| kündigte Störmer an, und stehe „grundsätzlich bereit, das Projekt ein | |
| weiteres Mal vorzuschlagen, wenn sich neue Mehrheiten hierfür abzeichnen | |
| sollten“. Wegen der „maximalen Knappheit“ des Ergebnisses beim | |
| Bürgerentscheid sei zudem eine abermalige Nachzählung zur Überprüfung der | |
| Stimmen „sicherlich der Lage angemessen“. | |
| Dazu kommt es wohl nicht. Das Ergebnis muss zunächst offiziell bestätigt | |
| werden, am 23. Dezember wird es im Amtsblatt veröffentlicht. Sofern in den | |
| nächsten vier Wochen danach kein formeller Einspruch erhoben wird, ist die | |
| Gemeinde verpflichtet, das Vorhaben für mindestens zwei Jahre ruhen zu | |
| lassen. Bürgermeisterin Albert stellte aber in Aussicht, die Planung nach | |
| Ablauf dieser Frist wieder aufzunehmen. | |
| 9 Dec 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Energiegewinnung-in-Tschernobyl/!5477848 | |
| [2] /Solar--und-Windkraft/!5801903 | |
| ## AUTOREN | |
| Reimar Paul | |
| ## TAGS | |
| Energiewende | |
| Solarenergie | |
| Schleswig-Holstein | |
| Bürgerentscheid | |
| Robert Habeck | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Erneuerbare Energien | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Wind | |
| Erneuerbare Energien | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Geplante Klima-Sofortmaßnahmen: Klimaschutz in Windeseile | |
| Der Ausbau von Wind und Solaranlagen, der Wegfall der EEG-Umlage: | |
| Wirtschaftsminister Habeck will schon bald wichtige Gesetze auf den Weg | |
| bringen. | |
| Russland stoppt Klimaresolution: Klima ist Moskau zu politisch | |
| Die erste Resolution des UN-Sicherheitsrats zum Klimawandel scheitert. Sie | |
| sollte den Zusammenhang von Konflikten und Klima benennen. | |
| Strom wird immer teurer: Fast Fantasiepreise an der Börse | |
| An den Börsen ist Elektroenergie derzeit viermal so teuer wie normal. | |
| Gründe gibt es viele, einige davon sind durchaus politisch gewollt. | |
| Boom der Erneuerbaren: Rekordzuwachs bei Wind und Solar | |
| Die Internationale Energieagentur erwartet ein globales Rekordplus bei den | |
| Erneuerbaren im Jahr 2021. Und trotzdem reicht das Wachstum nicht aus. | |
| Solar- und Windkraft: Die Energiewende läuft an | |
| Immer mehr Solar- und Windkraftwerke finanzieren sich am Markt. Das liegt | |
| unter anderm daran, dass der CO2-Preis zuletzt stark gestiegen ist. | |
| Studie zu Erneuerbaren Energien: 0,3 Prozent der Oberfläche reichen | |
| Erneuerbare Energien sind so umfassend verfügbar, dass sie schon heute | |
| hundertmal so viel Ertrag bringen können wie der weltweite Energiebedarf. |