# taz.de -- 50 Jahre McDonald's in Deutschland: Das etwas andere Restaurant | |
> 1971 eröffnete die erste Filiale. Erinnerungen an das Aufwachsen mit | |
> Happy Meals, Shakes und Frittiertem. | |
Bild: Erst mal zu Mecces – wo sonst nicht viel passierte, war McDonald's eine… | |
## So etwas wie Weite | |
In der kleinen ostfriesischen Stadt, in der ich aufgewachsen bin, gab es | |
neben Deichen und Schafen: nicht viel. Und noch weniger gab es Orte für | |
Teenager wie mich. McDonald’s war eine Oase der Sehnsucht nach | |
Weltlichkeit. Ein Funken USA. Und das Wissen, dass Filialen auf dem ganzen | |
Planten existierten, verband unsere Kleinstadt mit der großen weiten Welt. | |
Burger für wenig Geld und ein Lokal, das sogar rund um die Uhr geöffnet | |
hatte – welche Möglichkeiten das versprach! Pommes nachts um drei – das | |
glich einem Akt der Rebellion in einer Umgebung, in der sonst wenig | |
rebellierte. Mit dem Gratis-WLAN luden wir die neueste Version Doodle Jump | |
auf unseren iPod-Touch und spielten um die nächste Portion Chicken | |
McNuggets. Wir verbrachten ganze Tage und Nächte dort. Mal mit Anlass: Am | |
Geburtstag einer Freundin ehrten wir sie mit einem Happy Meal. Und mal ohne | |
jeden Grund: „Lass zu Mecces.“ Wir trafen uns und badeten im | |
Fritteusendampf, um dem elterlichen Blick zu entfliehen. Rund 45 Minuten | |
fuhr ich mit dem Fahrrad ins trostlose Gewerbegebiet, wo das goldene M | |
verheißungsvoll leuchtete. Mit Gegenwind brauchte ich eine Stunde. Und es | |
war immer Wind. | |
Als die Ersten unter uns den Führerschein machten, war das begehrteste Ziel | |
noch immer McDonald’s. Ein klassisches Date verlief damals so: mit dem Auto | |
der Eltern durch den McDrive fahren und auf dem riesigen verlassenen | |
Parkplatz vor Media Markt versuchen, so etwas wie Weite zu spüren. Oder | |
Freiheit. Das Auto stank nach Frittierfett und im Radio lief vermutlich | |
nichts Gutes. Aber wir fühlten uns so erwachsen. Aus dem Date wurde nichts | |
weiter. Er hatte sich für den McSundae Caramel entschieden. Ich mochte | |
lieber Schoko. Nele Sophie Karsten | |
## Immer nach dem Schwimmtraining | |
Wenn ich meine Mutter treffe, sagt sie irgendwann immer so was wie: „Als du | |
noch unter meinem Ernährungsregime warst, hast du anders ausgeschaut.“ Das | |
stimmt. Und trotzdem denke ich, wenn ich mich an das Essen in den 1970er | |
Jahren erinnere, mit Freuden nicht an ihren Fruchtmagerquark oder die zähen | |
Steaks, sondern an den McDonald’s am Münchner Nordbad, Hohenzollernstraße | |
Ecke Schleißheimer Straße. | |
In München hatte 1971 die erste Filiale in Deutschland eröffnet, bis heute | |
ist in der bayerischen Landeshauptstadt die Zentrale des Burgerbraters | |
daheim. Zu McDonald’s durfte ich mit meinen Brüdern nach dem Training im | |
Schwimmverein. Unser Favorit waren aber nicht Burger, sondern die längst | |
von der Karte genommenen Hähnchenflügel oder Hähnchenschenkel, das weiß ich | |
leider nicht mehr genau. Dazu gab es eiskalten, in der Kehle schmerzenden | |
Vanilleshake. Das Essen war nach dem Training eine Riesenbefriedigung und | |
eine totale Sauerei. Der ganze Tisch lag am Ende voller abgenagter | |
Hähnchenteile und Papierservietten. In eine davon muss mein ältester Bruder | |
einmal seine Zahnspange eingewickelt haben. Als wir gehen wollten, war sie | |
jedenfalls weg und der Tisch leer. Also mussten wir drei Brüder nun die | |
Abfalltonnen im Hinterhof der Filiale durchwühlen. | |
Wahrscheinlich war das eine Idee meines Vaters, der uns auch schon mal dazu | |
verdonnert hatte, die Mülltonnen vor unserem Wohnblock nach einem | |
vermissten Schlüssel zu durchsuchen. Die Nachbarn hingen währenddessen alle | |
in den Fenstern, bequem auf Kissen gestützt, damals gab es noch kein | |
Netflix. Gefunden haben wir beide Male nichts. Ohne den McDonald’s am | |
Nordbad wäre ich jedenfalls auf gar keinen Fall bis zu meinem 18. | |
Lebensjahr jeden Mittwoch zum Schwimmtraining gegangen und könnte nicht | |
meine Tochter mit einer knappen 50-Meter-Bahn Delphinschwimmen | |
beeindrucken; und das, Mama, obwohl ich 100 Kilo wiege. Insofern möchte ich | |
sagen: McDonald’s ist einfach gut. Ambros Waibel | |
## Fast ein drittes Elternteil | |
McDonald’s übernahm in meiner Kindheit die Rolle des Ernährers. Beim | |
Anblick des großen gelben Ms knurrte nicht nur mein Magen, mir wurde auch | |
wohlig warm. Bei McDonald’s fühlte ich mich zu Hause. Die Fast-Food-Kette | |
war wie ein drittes Elternteil, das sich nicht nur darum bemühte, mich satt | |
zu machen, sondern mir zu jeder Mahlzeit auch noch ein Spielzeug schenkte | |
und mich nach den fettigen Pommes auf einen aus buntem Plastik gebauten | |
Spielplatz mit Bällebad schickte. | |
Eines Tages allerdings kam McDonald’s seiner Aufsichtspflicht nicht nach. | |
Ich muss vielleicht sechs gewesen sein, hatte mir den Bauch mal wieder mit | |
einem Happy Meal vollgestopft (Fanta, Pommes und Chicken McNuggets) und | |
kletterte alleine auf dem Spielplatz herum. Irgendwie muss mein Arm in eine | |
Lücke zwischen Plastikrutsche und die darunter liegende Holzkonstruktion | |
geraten sein, ganz genau kann ich mich nicht erinnern – ich war im | |
McDonald’s-Koma –, jedenfalls steckte ich fest, das gesamte Gewicht einer | |
Rutsche auf meinem Kinderarm. Ich schrie, ich heulte so laut, man konnte | |
mich nicht überhören. Zwei herangeeilte Männer hoben die Rutsche an und | |
konnte meinen zerquetschten Arm befreien. Ergebnis: Arm gebrochen, Gips für | |
mehrere Wochen. | |
Um mich auch weiter als Kundin zu halten, beschenkte McDonald’s mich mit | |
Gutscheinen, die Monate reichten. Schmerzensgeld gab es auch. Für mich als | |
Kundin zählte natürlich ersteres eindeutig mehr. | |
Viel Schlechtes ist in all den Jahren nach diesem Unfall über McDonald’s | |
erzählt worden. Das Essen sei ungesund, das Plastikspielzeug schädlich und | |
in manchen Burgern gar nicht das drin, was drauf stünde. Meine Beziehung | |
mit McDonald’s hat all das überlebt. Erica Zingher | |
3 Dec 2021 | |
## AUTOREN | |
Nele Sophie Karsten | |
Ambros Waibel | |
Erica Zingher | |
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