| # taz.de -- Cannabis-Kooperation mit deutscher Firma: Joint Venture mit den Tal… | |
| > Die Taliban wollen den Cannabis-Anbau für ganz Afghanistan staatlich | |
| > organisieren. Dabei helfen soll eine Firma aus dem deutschen Rheinland. | |
| Bild: Afghanischer Schäfer auf einem Cannabis-Acker | |
| „Du schwoaza Afghane“, sang der Wiener Barde Wolfgang Ambros über eine gern | |
| gerauchte, aus dem Land am Hindukusch stammende Sorte Haschisch. „Kumm spüh | |
| ma wos vua/ I bin so allane/ A Gramm wa scho g’nua“. Das war 1976, zwei | |
| Jahre bevor der sowjetische Einmarsch in Afghanistan die relativ ungestörte | |
| Zufuhr von „Gras“ vom Hindukusch über den Hippietrail unterbrach. | |
| Bis dahin verkehrten regelmäßig Busse von München nach Indien sowie Nepal | |
| und zurück – mit Stopp in Kabul. Dort war, wie sich unter den Touristen | |
| bald herumsprach, das Haschisch besonders gut und billig. | |
| Heute ist Afghanistan wahrscheinlich zweitgrößter Produzent des | |
| schwarzbraunen Harzes, das aus der Cannabispflanze gewonnen wird, die auch | |
| als Indischer Hanf bekannt ist. Genau weiß man das nicht, denn aktuelle | |
| Zahlen hat nicht einmal die Fachorganisation, das „UNO-Büro zu Drogen und | |
| Kriminalität“ (UNODC). | |
| In ihrem jüngsten „Bericht zur Drogensituation in Afghanistan“ vom November | |
| heißt es nur, dass das Land zwischen 2015 und 2019 weltweit – nach Marokko | |
| – am zweithäufigsten als Herkunftsland beschlagnahmten Haschischs | |
| festgestellt wurde. | |
| ## Cannabis-Anbau scheint zuzulegen | |
| Letzte genauere Daten zur Produktion aus Haschisch stammen aus den Jahren | |
| von 2009 bis 2012. Damals wurden 1.300 bis 3.500 Tonnen produziert. In den | |
| letzten beiden dieser Jahre lag der Wert der Ernte einmal bei 65 und dann | |
| bei 95 Millionen US-Dollar. Dazu kommt Eigenbedarf, der in Afghanistan laut | |
| UNODC auch in „kleinen Küchengärten“ angebaut wird. 2012 rauchten 8 Proze… | |
| der afghanischen Bevölkerung regelmäßig Tschars, wie es lokal genannt wird. | |
| Der Cannabis-Anbau scheint in den vergangenen Jahren noch zugelegt zu | |
| haben. Fazl Rahman Muzhary von der gemeinnützigen Forschungsorganisation | |
| Afghanistan Analysts Network (AAN)* fand im Frühjahr 2020 im | |
| südostafghanischen Distrikt Dela intensivierten Anbau auf Flächen, die noch | |
| im Jahr zuvor unbewässertes Ödland gewesen waren. Immer wiederholte sich | |
| eine spezifische Optik: „Jeden halben Kilometer waren 25 bis 30 Solarpanels | |
| an relativ frisch gegrabenen Brunnen zu sehen“, weiß er zu berichten. | |
| Jeweils daneben hätte er improvisierte Lagerhütten aus Lehmmauern | |
| vorgefunden, denen Plastikplanen als Dach dienten. „Darin hing die | |
| komplette Ernte des Vorjahres zum Trocknen, bereit zum Dreschen und | |
| Sieben.“ Anwohnern zufolge sei dies alles keine über Jahre aufgebaute | |
| Infrastruktur, sondern erst seit 2019 entstanden, meint er. | |
| Trotz solcher Spuren wissen die Vereinten Nationen und westliche | |
| Regierungen mehr über die Produktion von Opium, Heroin sowie Afghanistans | |
| neuesten Exportschlager Methamphetamin. | |
| Das dürfte daran liegen, dass Schwarzer Afghane aktuell vor allem innerhalb | |
| der Region geschmuggelt und konsumiert wird, in Indien, Pakistan, Iran, auf | |
| der Arabischen Halbinsel, in Russland und den zentralasiatischen | |
| Republiken. Den Markt in Westeuropa [1][dominiert im Gegensatz dazu | |
| Haschisch aus Nordafrika], der sogenannte Grüne Marokkaner. | |
| ## Taliban berichten von Vertrag mit deutscher Firma | |
| Offenbar gibt es nun findige Unternehmer, die das wieder ändern wollen, und | |
| zwar zusammen mit den Taliban. Am 24. November schrieb der Sprecher des | |
| Taliban-Innenministeriums Qari Saeed Khosti auf Twitter, man habe mit | |
| Vertretern der deutschen Firma CPharm einen Vertrag abgeschlossen – an dem | |
| Tag, an dem die deutschen Ampelparteien ihren Koalitionsvertrag | |
| [2][inklusive Cannabislegalisierung] veröffentlichten. Erst mal sieht die | |
| Vereinbarung mit CPharm laut Khosti allerdings vor, dass das deutsche | |
| Unternehmen in Afghanistan eine Fabrik zur Verarbeitung von | |
| Cannabispflanzen „in Arzneimitteln und Cremes“ errichtet und dafür 450 | |
| Millionen Dollar investiert. | |
| Die Firma soll demnach sogar ein Monopol erhalten. Khosti schrieb, nach | |
| Vertragsabschluss solle „das Cannabis des Landes nur an diese Firma gegeben | |
| werden“. Sie wolle zudem die derzeitige Cannabis-Gesamtanbaufläche von | |
| 4.000 auf 6.000 Hektar erweitern. Das afghanische Innenministerium ist auch | |
| für die Bekämpfung des illegalen Drogenhandels zuständig. | |
| Die „Entwicklungsgesellschaft CPharm International mbH (ECI)“, wie die | |
| deutsche Firma offiziell heißt, ist in Vettelschoß bei Bonn ansässig. Laut | |
| Webseite bietet sie „Hilfe bei der Erarbeitung von Gesetzen, | |
| Zertifizierungen, Zulassungsvorschriften sowie bei Bau und Betrieb von | |
| Produktionsstätten und der Errichtung von zertifiziertem Feldanbau/Kontrakt | |
| Farming“ von Cannabisprodukten an und habe Projekterfahrung in neun | |
| Ländern, darunter in Marokko. Auch Afghanistan wird bereits genannt. | |
| Noch Anfang 2020 hatten die Taliban in jenen Gebieten, die sie damals schon | |
| beherrschten, ein Anbauverbot für Cannabis erlassen. Sie waren vor allem | |
| besorgt über den steigenden Konsum im eigenen Land. Nun, an der Regierung | |
| in Kabul, suchen sie offenbar nach Wegen, die Produktion durch ein | |
| staatlich gelenktes Aufkaufsystem, wie es auch bei legalen Agrarkulturen | |
| besteht, in den legalen Bereich zu verlagern. | |
| Vor allem wollen sie die Staatseinnahmen steigern, um die unter westlichen | |
| Sanktionen [3][leidende Gesamtwirtschaft] wieder in Gang zu bringen. Wie | |
| viel ihnen aus der CPharm-Fabrik zufließen wird, ist unklar. Unter der | |
| bisherigen, neoliberal beeinflussten Regierung gab es lediglich einen | |
| Flatrate-Umsatzsteuersatz für Unternehmen von 2 Prozent. | |
| Erst einmal dürften es die Sanktionen CPharm schwer machen, Gewinn aus | |
| Afghanistan zu transferieren. Dafür braucht es Ausnahmegenehmigungen vom | |
| US-Finanzministerium, und die US-Regierung hat wenig Interesse, die | |
| Taliban-Regierung zu stärken. Die kann allerdings argumentieren, die Fabrik | |
| schaffe Arbeitsplätze und verringere die Armut, unter der mehr als 80 | |
| Prozent der Bevölkerung leiden, Tendenz steigend. CPharm-Geschäftsführer | |
| Werner Zimmermann äußerte sich dazu auf schriftliche und telefonische | |
| Anfrage der taz nicht. | |
| *Transparenzhinweis: Der Autor ist Mitbegründer von AAN, war an dieser | |
| Untersuchung aber nicht beteiligt | |
| 1 Dec 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Thomas Ruttig | |
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