# taz.de -- Die Ergebnisse der COP 26: Ein Sieg wie eine Niederlage | |
> Der Weltklimagipfel hat Einigungen erzielt. Zum Schluss verwässerten | |
> jedoch Indien und China einen Beschluss zum Kohleausstieg. | |
Bild: Für manche Teilnehmerin war es zum Verzweifeln | |
GLASGOW taz | „No-Drama Sharma“ nennt sich Alok Sharma selbst. Der | |
Präsident der 26. Weltklimakonferenz in Glasgow hat in der Regel eine | |
ruhige Art und geschliffene Manieren. Am Samstagabend um 19.41 Uhr muss er | |
aber die Tränen zurückhalten, auf dem großen Podium, vor den versammelten | |
Staatsvertreter:innen und laufenden Kameras. „Ich bitte bei den | |
Delegierten um Entschuldigung für die Art, wie sich der Prozess entwickelt | |
hat“, sagt er mit erstickter Stimme. „Es tut mir furchtbar leid.“ | |
Dann lässt er wortwörtlich den Hammer fallen und beschließt damit den | |
„Glasgower Klimapakt“, die Abschlusserklärung der Konferenz, mit einem Tag | |
Verspätung. Sharma selbst bezeichnet ihn als „beispiellos und wirklich | |
bedeutungsvoll“. Aber fast wäre die Erklärung wirklich historisch geworden. | |
Denn bis zum Schluss stand in ihr die Erklärung, [1][die Staaten sollten | |
sich anstrengen, Kohlekraft ebenso auslaufen zu lassen wie ineffiziente | |
Subventionen für fossile Brennstoffe.] | |
Fast. Denn in der allerletzten Minute legten China, Indien und Iran ihr | |
Veto ein, obwohl die meisten Länder diesen Schritt massiv gefordert hatten. | |
Sie machten nach Angaben von Verhandler:innen klar, dass sie bei dieser | |
Formulierung alles blockieren würden. Und so verstieß Sharma gegen einen | |
ehernen Grundsatz der Klimadiplomatie – und änderte ein fertig | |
ausgehandeltes Papier nach Absprache in kleinem Kreis und ohne allgemeine | |
Aussprache: Statt „phase out“ für Kohle und Subventionen steht nun nur | |
„phase down“ im Glasgow Klima-Pakt: Reduzieren statt Aussteigen. | |
Die anderen Delegierten waren stinksauer. Die [2][Schweizer | |
Umweltministerin Simonetta Sommaruga] nannte es eine „profunde | |
Enttäuschung“, die Welt brauche den Kohleausstieg. Die EU, Inselstaaten wie | |
Antigua und die Marshall Inseln monierten Stil und Inhalt. „Als wir vor | |
vier Tagen Ideen zum Schadensersatz im Falle von Naturkatastrophen | |
einbrachten, hieß es, wir kämen in letzter Minute“, sagte der Delegierte | |
von Fidschi. „Das hier nenne ich mal wirklich letzte Minute.“ Einspruch | |
erhob aber letztlich doch keines der unzufriedenen Länder. | |
## In der Nachspielzeit | |
Für die Konferenz fühlte es sich an, als ob eine Fußballmannschaft in der | |
Nachspielzeit den Ausgleich zum 3:3 kassiert. Enttäuschung über die | |
Regelverletzung und Freude darüber, dass in Glasgow ein doch umfangreiches | |
Paket zur Klimapolitik auf den Weg gebracht wurde: Regeln für den Handel | |
mit Klimaschutz, die Aussicht auf die Verdopplung der Finanzhilfen der | |
reichen Länder für die Anpassung an den Klimawandel. | |
Am Rande des Gipfels wurden zudem eine Reihe von konkreten Vereinbarungen | |
etwa zum Waldschutz, zum Umgang mit Methan-Emissionen und [3][dem Ausstieg | |
aus Kohle] und Verbrennungsmotor getroffen (siehe unten). Und zum ersten | |
Mal erwähnt ein Konferenzbeschluss, wo bei der Klimakrise eigentlich das | |
Problem liegt: bei der Nutzung fossiler Energieträger, trotz der | |
kurzfristigen Verwässerung der Formulierung. Dass die Konferenz das Ende | |
der Kohle in Aussicht stellen würde, hatte selbst Sharmas Team noch kurz | |
vor Schluss als Träumerei bezeichnet. | |
„Einen historischen Moment“, nannte deshalb [4][Bundesumweltministerin | |
Svenja Schulze (SPD)] den Beschluss. Beim globalen Kohleausstieg „reden wir | |
nicht mehr vom Ziel, sondern endlich von Maßnahmen.“ Als Vorbild dafür | |
sieht Schulze eine Kooperation mit Frankreich und den USA, um Südafrika aus | |
seiner Abhängigkeit von der Kohle zu befreien. Und sie wiederholte, was | |
auch Sharma sagt: Der Beschluss sei ein „starkes Signal, dass das | |
1,5-Grad-Ziel lebt.“ | |
Die Umweltverbände zeigen sich hingegen gespalten. „Vieles ist gut, manches | |
schlecht, einiges mangelhaft und ohne Zweifel bleibt noch viel zu tun bei | |
diesem Deal, der sich trotzdem als Wendepunkt herausstellen könnte“, sagt | |
Mark Campanale von der Initiative Carbon Tracker. „Das dürfte vor allem | |
stimmen, wenn die Regierungen nächstes Jahr mit verbesserten Klimazielen | |
zurückkommen, und im Jahr darauf wieder.“ | |
## Nachjustierung 2022 | |
Es ist eines der Verhandlungsergebnisse: Schon nächstes Jahr sollen Staaten | |
ihre Klimaziele nachjustieren, sofern die bisherigen noch nicht für die | |
Ziele des Paris-Abkommens ausreichen. Auch letztes Jahr war das schon | |
fällig. Das Paris-Abkommen sieht eigentlich einen Fünf-Jahres-Rhythmus vor. | |
Jetzt müssen Länder, die nicht geliefert haben, also schneller wieder ran. | |
Auf wen das zutrifft, könnte allerdings noch für Streit sorgen. | |
Umweltministerin Schulze deutete beispielsweise am Abend an, dass sie nicht | |
davon ausgeht, dass der europäische und damit auch der deutsche Beitrag | |
erneuert werden muss. „Europa ist vorgegangen, andere folgen uns jetzt“, | |
sagt sie. | |
Auch die Regeln für die neuen Klimaschutz-Märkte stoßen nicht nur auf | |
Begeisterung. Hier wurden zwar Schlupflöcher wie Doppelzählung einer | |
gehandelten Emissionseinsparung auf Käufer- und Verkäuferseite verhindert, | |
dafür wurden aber auch alte, praktisch wertlose Zertifikate ins neue System | |
überführt, eine mögliche Verwässerung. Die Ergebnisse seien “gemischt zu | |
bewerten“, sagt Lambert Schneider vom Öko-Institut, der für die Europäische | |
Union mitverhandelt hat. | |
## Neues oder umgelagertes Geld? | |
Enttäuscht waren KlimaschützerInnen und Entwicklungsländer von den | |
Finanzergebnissen. Zwar wurde beschlossen, die Hilfen für | |
Anpassungsmaßnahmen zu verdoppeln. Unklar bleibt allerdings, ob es sich | |
wirklich um neues Geld handeln wird, das nicht einfach aus anderen schon | |
versprochenen Finanztöpfen umgelagert wird. Auch wurde nicht abschließend | |
geklärt, inwiefern die Industrieländer ihre Schulden bei der | |
internationalen Klimafinanzierung nachzahlen und wie es mit den Zahlungen | |
langfristig weitergeht. Und eine von den armen Ländern massiv geforderte | |
Verankerung des umkämpften Themas über „Schäden und Verluste“ im UN-Proz… | |
wird es nicht geben, nur ein kleines Debattenforum. „Der Beschluss der COP | |
26 ist ein Verrat an den Millionen von Menschen, die unter der Klimakrise | |
leiden“, meint deshalb Tasneem Essop, Chefin des Climate Action Networks, | |
dem internationalen Dachverband der Klima-NGOs. | |
Luisa Neubauer von Fridays for Future kritisiert das Ergebnis der | |
Weltklimakonferenz. „Diese COP hat es nicht geschafft, die strukturellen | |
Veränderungen einzuleiten, die wir so dringend brauchen“, meint sie. Vor | |
allem Deutschland sei jetzt gefordert. „Wir sind eine der reichsten | |
Nationen der Welt, und wir sind immer gut darin, große Versprechungen zu | |
machen. Wenn Deutschland nicht liefert, von wem können wir es denn sonst | |
erwarten?“ | |
Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch ist sicher, dass der | |
Glasgower Klimapakt nach Berlin ausstrahlt, wo SPD, Grüne und FDP gerade | |
über einem Koalitionsvertrag brüten. „Der Druck auf Industrieländer wie | |
Deutschland, bis 2030 aus der Kohle sowie Subventionen und internationaler | |
Finanzierung für fossile Energien auszusteigen, wird nach dieser | |
Weltklimakonferenz immer stärker werden.“ | |
14 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Halbzeit-bei-Glasgower-Klimakonferenz/!5808900 | |
[2] /Partner-des-Weltwirtschaftsforums/!5655818 | |
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[4] /Der-oekologische-Wandel-des-Olaf-Scholz/!5797394 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
Susanne Schwarz | |
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