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# taz.de -- Forschende nach dem Weltklimagipfel: Das 1,5-Grad-Ziel scheint verl…
> Nach der Klimakonferenz in Glasgow bezweifeln Forscher:innen, dass das
> 1,5-Grad-Ziel eingehalten werden kann. Nur wenige von ihnen haben noch
> Hoffnung.
Bild: Ein letzter Protest beim Abschluss der Klimakonferenz in Glasgow am Samst…
Glasgow ap | Politische Führungspersonen und Unterhändler feiern die
[1][Klimavereinbarung von Glasgow (.pdf)] als einen guten Kompromiss, der
die 1,5-Grad-Erwärmungsgrenze am Leben erhalten habe. Aber viele
Wissenschaftler fragen sich, von welchem Planeten diese Leute reden: Sie
sehen bei ihren eigenen Berechnungen eine andere und wärmere Erde.
„Im Großen und Ganzen glaube ich, ja, wir haben einen guten Plan, das
1,5-Grad-Ziel im Rahmen unserer Möglichkeiten zu behalten“, sagte die
UN-Klimachefin Patricia Espinosa mit Bezug auf das globale Bestreben, die
Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu
begrenzen. Der britische Premierminister Boris Johnson, Gastgeber der am
Samstag zu Ende gegangenen UN-Klimakonferenz, pflichtete bei: Er nannte den
Deal eine „klare Straßenkarte zur Begrenzung des globalen
Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad“.
Aber viele Wissenschaftler sagen: Vergesst die 1,5 Grad, die Erde ist
weiter auf einem Weg, bei ihrer Erwärmung die 2 Grad zu übersteigen.
Klimawissenschaftler Michael Oppenheim von der Princeton University etwa
verglich das 1,5-Grad-Ziel mit einem Patienten, der bereits künstlich am
Leben gehalten worden sei und urteilte: „Jetzt ist es an der Zeit, ihn für
tot zu erklären“.
## Nur wenig Hoffnung
Einige wenige der 13 von AP interviewten Wissenschaftler sagen, dass sie
gerade genug Fortschritte sähen, um das zum derzeitigen Zeitpunkt zu
vermeiden – und damit Grund für Hoffnung. Aber nur für ein Bisschen. Die
Optimisten weisen auf die vielen Vereinbarungen hin, die [2][aus der
Klimakonferenz erwachsen] seien, so eine Abmachung zwischen den USA und
China, stärker zusammen daran zu arbeiten, den Schadstoffausstoß in diesem
Jahrzehnt zu verringern. Es gab auch getrennte multinationale
Vereinbarungen, Methanemissionen und Kohleverstromung ins Visier nehmen.
Die 1,5-Grad-Grenze ist das rigorosere von zwei Zielen, die im historischen
Pariser Klimaabkommen von 2015 festgelegt wurden. UN-Vertreter und
Wissenschaftler betrachten sie als einen Schlüssel, weil sich die
Auswirkungen der Erderwärmung laut einem Forschungsbericht von 2018 nach
Überschreiten dieser Marke dramatisch verschlimmern würden.
Die Erde hat sich seit der vorindustriellen Zeit bereits um 1,1 Grad
erwärmt, so dreht es sich hier wirklich um ein paar Zehntel eines Grades
mehr. Die Vereinten Nationen kalkulieren, dass Länder ihre Emissionen bis
2030 um die Hälfte verringern müssen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.
Aber der Schadstoffausstoß nimmt derzeit nicht ab, sondern zu, um etwa 14
Prozent seit 2010, wie UN-Klimachefin Espinosa sagte.
## Höchstens 2,3 Grad seien machbar
Der deutsche Forscher Hans-Otto Pörtner meint, dass die Klimakonferenz
„Arbeit erledigt, aber nicht genügend Fortschritte gemacht hat“. Die
Erwärmung werde bei Weitem 2 Grad Celsius übersteigen, warnt der
Co-Vorsitzende einer Arbeitsgruppe des Weltklimarates zu den Folgen der
globalen Erwärmung. „Diese Entwicklung bedroht Natur, menschliches Leben,
Existenzgrundlagen, Lebensräume und auch Wohlstand.“
Anstatt der von den UN erhofften großen Veränderungen beim Abbiegen der
Temperaturkurve liefen die Ergebnisse des Glasgower Gipfels nur auf kleine
Feineinstellungen hinaus, sagen Wissenschaftler, die mit
Computersimulationen arbeiten. Herausgekommen sei, „dass wir vielleicht 0,1
Grad Celsius von der Erwärmung wegrasiert haben […] nach bestmöglicher
Schätzung mit einem Resultat von 2,3 Gad Erwärmung“, sagte beispielsweise
Zeke Hausfather vom US-Forschungszentrum Breakthrough Institute.
Auch Professor Jon Sherman vom Massachusetts Institute of Technology sah
nach vorläufigen Berechnungen keinen Grund zu jenem Optimismus, wie ihn
politische Führungspersonen geäußert haben. „Es gibt keinen plausiblen Weg,
die Erwärmung auf 1,5 oder sogar 2 (Grad) zu begrenzen, wenn man nicht aus
der Kohle aussteigt […] und so rasch wie möglich zusammen mit Öl und Gas“,
so der Experte.
Indien hatte am Samstag in letzter Minute eine Änderung der Vereinbarung
erreicht: In der Abschlusserklärung ist von einem „Herunterfahren“ („pha…
down“) der Kohlenutzung die Rede statt eines „schrittweisen Ausstiegs“
(„phase out“). „Verringern“ werde weniger helfen, die schädlichen Folg…
des Klimawandels zu verlangsamen als „Eliminieren“, sagte der frühere
Nasa-Chefwissenschaftler Waleed Abdalati.
Ein Paragraf in der Vereinbarung ruft Länder, deren Ziel einer Reduzierung
von Emissionen nicht mit 1,5- oder 2-Grad-Grenzen in Einklang steht, dazu
auf, bis Ende nächsten Jahres mit neuen ehrgeizigeren Zielen aufzuwarten.
Das mache Hoffnung, meint der Australier Bill Hare von der Forschergruppe
Climate Action Tracker, die Klimaschutzmaßnahmen und Versprechen
analysiert. Aber der US-Klimabeauftragte John Kerry sagte am Wochenende,
dass der Paragraf wahrscheinlich nicht für sein Land – den zweitgrößten
Verursacher von Kohleschadstoffemissionen – gelte, weil das US-Ziel so
stark sei.
## Länder müssen Versprechen einhalten
Jonathan Overpeck, ein leitender Klimawissenschaftler an der University of
Michigan, sprach von verwässerten Hoffnungen: „Wir haben einen
unvollständigen Plan für langsameres Handeln erhalten“.
Aber manche Wissenschaftler sahen es weniger pessimistisch. „Ich kann zum
ersten Mal einen potenziellen Weg hin zur Begrenzung der Erwärmung auf 1,5
Grad Celsius sehen“, sagte etwa Klimawissenschaftler Michael Mann von der
Pennsylvania State University. „Aber es wird es erfordern, dass Länder ihre
gegenwärtigen Versprechen einhalten und das, wozu sie sich verpflichtet
haben, weiter nach oben schrauben.“
Johan Rockström vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung legte ein
„optimistisches“ Szenario dar, das er und einige wenige andere sehen, wenn
alle Länder, die Netto-Null-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts
versprochen haben, das Ziel auch wirklich erreichen würden – wozu die
meisten bislang keine konkreten Schritte eingeleitet haben. In diesem Fall
könnte die Erwärmung auf 1,8 oder 1,9 Grad begrenzt werden. „Das ist ein
bedeutender Fortschritt, aber weit entfernt von genug“, sagte Rockström.
16 Nov 2021
## LINKS
[1] https://unfccc.int/sites/default/files/resource/cma2021_L16_adv.pdf
[2] https://unfccc.int/sites/default/files/resource/cma2021_L16_adv.pdf
## TAGS
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