# taz.de -- Folgen der Klimakonferenz von Glasgow: Was Deutschland besser mache… | |
> Die Beschlüsse der Klimakonferenz von Glasgow werden auch die künftige | |
> Politik in Berlin beeinflussen. Ein Überlick. | |
Bild: Das 1,5-Grad-Ziel im Auge behalten will die Teilnehmerin einer Fridays-fo… | |
Kaum war die 26. UN-Klimakonferenz in Glasgow (COP26) zu Ende gegangen, da | |
wurden auch schon die Forderungen für die Koalitionsverhandlungen von SPD, | |
Grünen und FDP in Berlin laut: Die Beschlüsse müssten „Maßstab für die n… | |
Bundesregierung sein“, hieß es von vielen Umweltorganisationen. | |
Diese Botschaft scheint bei den Koalitionär*innen in spe anzukommen. | |
„Aus Glasgow kommt ein Aufbruchssignal“, sagt der FPD-Klimaexperte Lukas | |
Köhler der taz. „Die Welt ist sich einig, wir sind nicht allein bei | |
ehrgeizigem Klimaschutz.“ Wie ehrgeizig dieser in Deutschland ausfällt, ist | |
offen. Allerdings erhöht Glasgow in vielen Fällen den Handlungsdruck – oft | |
indirekt, teilweise aber auch direkt. Ein Überblick: | |
## 1. Muss früher kommen: Der Kohleausstieg | |
Zum ersten Mal hat die Klimakonferenz ausdrücklich gefordert, die | |
CO2-intensive Kohlenutzung global herunterzufahren. Die Anti-Kohle-Allianz | |
PPCA wurde größer. 45 Länder und viele Banken erklärten, die Kohlenutzung | |
müsse in den 2030er Jahren für Industriestaaten und in den 2040er Jahren | |
für alle anderen beendet werden. | |
Damit gerät die Ampel nicht direkt unter Druck. Selbst das alte | |
Ausstiegsdatum 2038 ist von dieser Erklärung noch gedeckt; das | |
Sondierungsergebnis, es „idealerweise“ schon bis 2030 zu schaffen, erst | |
recht. Aber Druck macht die Abschlusserklärung der Konferenz, in der sich | |
alle Staaten verpflichten, ihre bisherigen Pläne so zu verschärfen, dass | |
diese möglichst mit dem 1,5-Grad-Ziel in Einklang stehen. Für Deutschland | |
heißt das nach allen Expertisen: Ende der Kohlenutzung bis spätestens 2030. | |
Dafür müssen aber die Erneuerbaren viel schneller ausgebaut werden. Doch | |
dazu wurde von der Konferenz kaum etwas festgelegt. „Ein großes Problem“ | |
ist das aus Sicht von SPD-Klimapolitiker Matthias Miersch. „Der Ausbau der | |
Erneuerbaren muss jetzt allergrößte Priorität haben.“ Die rechtlichen | |
Grundlagen müssten so geändert werden, dass Erneuerbare bei Planung und | |
Umsetzung „absoluten Vorrang“ haben, sagte Miersch der taz. | |
## 2. Müssen wohl beendet werden: Exportkredite für fossile Projekte | |
Konkrete Auswirkungen dürfte die Selbstverpflichtung haben, künftig keine | |
fossilen Projekte im Ausland mehr mit öffentlichem Geld zu unterstützen. | |
Diese haben 27 Länder unterschrieben, darunter mit etwas Verspätung auch | |
Deutschland. | |
Die Selbstverpflichtung gilt erst ab Ende 2022. Sie lässt „begrenzte und | |
klar definierte Ausnahmen zu“. Was das für laufende Anträge wie eine | |
Exportkreditgarantie für [1][das in Russland geplante Flüssiggasterminal | |
Arctic LNG] heißt, lässt das Wirtschaftsministerium offen: „Um | |
sicherzustellen, dass Projekte und die Projektfinanzierung im Einklang mit | |
dem Ziel der Klimaneutralität sind, gilt es im weiteren Nachgang zu | |
COP26 klar definierte Kriterien für bilaterale und multilaterale | |
öffentliche Unterstützung zu definieren, die auch der Rolle von Erdgas als | |
Brückentechnologie gerecht werden.“ | |
Die Organisation Urgewald fordert aber, dass die neue Regierung den | |
Beschluss ernst nimmt und auch keine neuen Gasprojekte mehr fördert. „Die | |
Schlupflöcher, die der Text bietet, sollten keineswegs ausgenutzt werden“, | |
sagt Sprecherin Regine Richter. Das könnte zumindest beim umstrittenen | |
Arctic-LNG-Projekt gelingen: In Verhandlungskreisen wird damit gerechnet, | |
dass es nicht mehr bewilligt wird, weil das Projekt mit dem 1,5-Grad-Ziel | |
nicht vereinbar ist. „Anderenfalls hätte die neue Koalition gleich zu | |
Beginn ihre Glaubwürdigkeit verspielt“, heißt es. | |
## 3. Hat immer weniger Freunde: Der Verbrennungsmotor | |
Keine direkten Auswirkungen hat Glasgow auf die deutsche Verkehrspolitik. | |
Zwar haben dort 30 Staaten und 11 Autokonzerne erklärt, dass ab 2035 in | |
Industriestaaten und ab 2040 im Rest der Welt nur noch „emissionsfreie“ | |
Fahrzeuge zum Einsatz kommen sollen; diese Erklärung hat Deutschland aber | |
nicht unterzeichnet. | |
Denn die britische Regierung hatte den Text so formuliert, dass alle | |
Verbrennungsmotoren ausgeschlossen sind, auch wenn sie mit synthetischen | |
Kraftstoffen betrieben werden, die mittels Ökostrom hergestellt werden. | |
Daran hängen aber die Hoffnungen des noch amtierenden CSU-Verkehrsministers | |
Andreas Scheuer und der demnächst regierenden FDP. Aber in Glasgow wurde | |
deutlich, dass außer Union und FDP nicht viele an synthetische Kraftstoffe | |
im Pkw-Verkehr glauben, weil diese extrem teuer und ineffizient sind. Setzt | |
die EU ihr geplantes „Fit for 55“-Paket durch, ist 2035 ohnehin Schluss mit | |
neu zugelassenen Verbrennungsmotoren. Da kann sich die Ampel also | |
raushalten, auf Brüssel verweisen und sich darum kümmern, für genug | |
Lademöglichkeiten zu sorgen. Das, so heißt es, sei in den | |
Koalitionsgesprächen kein Problem. | |
## 4. Werden wichtiger: globaler Emissionshandel und freiwillige | |
Kooperationen | |
Eine der wichtigsten Regeln, die in Glasgow beschlossen wurden, bezieht | |
sich auf „Artikel 6“ des Paris-Abkommens: Eine Einigung über einen globalen | |
Emissionshandel, bei dem etwa eine deutsche Firma einen Windpark in Afrika | |
baut und sich die CO2-Reduktionen anrechnen lässt. Die FDP ist davon | |
begeistert, aber die EU hat festgelegt, dass zur Erreichung von minus 55 | |
Prozent bis 2030 keine solchen internationalen Deals angerechnet werden | |
dürfen. Wenn die EU und in Folge auch Deutschland allerdings mehr als 55 | |
Prozent versprechen, könnte die Regel Anwendung finden. | |
Einen großen Einfluss könnte Glasgow auf die künftige Klimapolitik haben, | |
wo es um freiwillige Kooperationen von Staaten mit Unternehmen, Stiftungen, | |
Verbänden oder Regionen und Städten geht. „Es war ein großer Erfolg, dass | |
sich da endlich Initiativen zu konkreten Fortschritten auf den Weg machen, | |
ohne darauf zu warten, dass noch der letzte Bremser mitzieht“, sagt | |
Grünen-Chefin Annalena Baerbock der taz. Denn auch der Export von | |
deutschem Wissen und deutscher Technik bei Erneuerbaren gehöre zu den | |
Maßnahmen, bei denen Deutschland dringend besser werden müsste. | |
## 5. Mehr Druck, nachzuziehen: Regeln für Finanzmärkte | |
Für einiges Aufsehen sorgte am Rand des Glasgower Gipfels die Ankündigung | |
der britischen Regierung, London zum klimaneutralen Finanzplatz zu machen: | |
Alle an der dortigen Börse gehandelten Unternehmen brauchen demnächst einen | |
Plan, wie sie ihre Emissionen bis 2030 deutlich reduzieren und bis 2050 | |
Klimaneutralität erreichen wollen, hatte der britische Finanzminister Rishi | |
Sunak gesagt. | |
Zwar ist diese Ankündigung weniger konkret, als sie klingt. Trotzdem dürfte | |
dadurch der Druck steigen, in Deutschland und der EU schärfere Regeln | |
einzuführen. Das Finanzministerium sagt zwar, Deutschland tue derzeit schon | |
„eine Menge, um Vorreiter beim Thema Nachhaltigkeit im Finanzmarkt zu | |
werden“. Aus Regierungskreisen heißt es auch, die europäischen | |
Transparenzpflichten seien teils ambitionierter als die auf der COP26 | |
vorgestellten britischen Pläne. Allerdings ist die EU-Richtlinie, in der | |
diese geregelt werden sollen, bisher noch nicht beschlossen. | |
## 6. Erhöhen den Druck im Kessel: Zeitpläne und Subventionsabbau | |
In Glasgow wurde beschlossen, dass die UN-Staaten ihre Klimaziele künftig | |
jährlich überprüfen und verschärfen sollen. Das hieße: Auch die EU muss ihr | |
„Fit for 55“-Paket neu ausrichten – und deshalb auch Deutschland. Das wird | |
vermutlich nicht im Koalitionsvertrag stehen. Aber im nächsten Jahr ein | |
heißes Thema werden. | |
In der Abschlusserklärung von Glasgow verpflichten sich die Staaten, | |
„ineffiziente“ Subventionen für fossile Brennstoffe zu kürzen – wie es … | |
G7-Staaten schon seit 2009 erfolglos versprochen haben. Das ist eine | |
Aufforderung an die neue Bundesregierung, beim umweltschädlichen Einsatz | |
von Steuergeld umzusteuern. Gerade bei knappen Kassen wäre einiges zu | |
holen: Das Umweltbundesamt taxierte diese Summe für Deutschland gerade auf | |
mindestens 65,4 Milliarden Euro jährlich. | |
20 Nov 2021 | |
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[1] /Finanzierung-fossiler-Auslandsprojekte/!5814504 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
Bernhard Pötter | |
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