# taz.de -- Streit um Desiderius-Erasmus-Stiftung: Keiner mag mit Erika spielen | |
> Die Desiderius-Erasmus-Stiftung steht der AfD nahe. Stiftungen anderer | |
> Parteien lehnen eine Zusammenarbeit mit der DES grundsätzlich ab. | |
Bild: Kann sich bisher weiter auf Förderung freuen: AfD-Stiftungsvorsitzende E… | |
Berlin taz | Die Zivilgesellschaft macht weiter mobil gegen eine mögliche | |
Finanzierung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES): Über eine | |
Viertelmillion Menschen haben den [1][Appell der Kampagnenplattform | |
Campact] an die Ampelkoalition mittlerweile unterschrieben, damit die | |
parteinahe Stiftung der extrem rechten AfD keine staatliche Förderung | |
bekommt. | |
Auch haben insbesondere junge Studierende gegen die mögliche Förderung von | |
AfD-Stipendiaten an den Unis mobilisiert: [2][DefunDES nennt sich der | |
Zusammenschluss] junger Stipendiat*innen aus 13 | |
Begabtenförderungswerken, die mit dem Stiftungsgesetz eine gesetzliche | |
Grundlage für Fördermittel fordern – auch um die AfD-Stiftung | |
auszuschließen. | |
Nach bisheriger Praxis stehen der von der früheren CDU-Parlamentarierin | |
Erika Steinbach geführten Erasmus-Stiftung nach dem Wiedereinzug der AfD in | |
den Bundestag Gelder in Millionenhöhe zu. Im ersten Jahr [3][rechnet die | |
Stiftung mit circa 8 Millionen Euro], der Betrag könnte sich in den | |
Folgejahren noch steigern. | |
Dabei gibt es für die Finanzierung der parteinahen Stiftungen keine klare | |
gesetzliche Grundlage – bisher entscheidet der Haushaltsausschuss des | |
Bundestages über die Förderungen. Am eher intransparenten Verfahren gibt es | |
schon länger Kritik – mit der AfD-Parteistiftung fällt die bisherige Praxis | |
den demokratischen Parteien allerdings auf die Füße. Der von der [4][Ampel | |
vereinbarte Koalitionsvertrag] bleibt dazu eher vage: „Die Arbeit und | |
Finanzierung der politischen Stiftungen wollen wir rechtlich besser | |
absichern“, heißt es eher schmallippig. | |
Meron Mendel von der Bildungsstätte Anne Frank kritisiert fehlende | |
„konkrete Ansätze“: „Wir bestehen darauf, dass die schwammigen | |
Absichtserklärungen nun sehr schnell in verbindliche gesetzliche Regelungen | |
– einem Stiftungsfinanzierungsgesetz – münden.“ Die Aktivitäten der | |
Erasmus-Stiftung bedeuteten eine konkrete Gefahr für das Leben derjenigen | |
Menschen, die nicht in das Gesellschaftsbild der Neuen Rechten passen, so | |
Mendel – „die Zeit drängt enorm“. | |
## Keine Kooperationen mit der Rechtsaußenstiftung | |
Unklar ist bislang auch, wie eigentlich diejenigen das Problem sehen, die | |
bisher vom System profitierten: Wie also stehen die mit jährlich zuletzt | |
[5][über einer halben Milliarde Euro geförderten Parteistiftungen] zu der | |
Debatte? | |
Eine Umfrage der taz zeigt nun: Die parteinahen Stiftungen von CSU bis | |
Linkspartei schließen eine Zusammenarbeit mit der AfD-nahen | |
[6][Desiderius-Erasmus-Stiftung] grundsätzlich aus. Während normalerweise | |
Kooperationen und auch gemeinsame Gespräche oder Bildungsangebote bestehen, | |
lehnen alle Stiftungen eine Zusammenarbeit mit der Steinbach-Stiftung mit | |
Verweis auf die Ausrichtung der AfD ab. | |
Die Abfrage der taz ergibt dabei allerdings nur Einigkeit in dieser Frage. | |
Uneinheitlich sind etwa Positionen zum geforderten Stiftungsgesetz. Einige | |
der Stiftungen sind gegenüber einer gesetzlichen Regelung durchaus | |
aufgeschlossen, andere lehnen dies eher ab. Offen bleibt auch, wie eine | |
gesetzliche Regelung ausgestaltet sein könnte. | |
In der öffentlichen Debatte um das Thema gab es den Vorschlag von Volker | |
Beck (Grüne), ein mögliches Gesetz an der freiheitlich-demokratischen | |
Grundordnung und damit an den Sicherheitsbehörden auszurichten. Andere | |
warnten davor, [7][den Verfassungsschutz zum Gate Keeper] zu machen. | |
Weitere fordern, eine Regelung eher auf allgemeine Menschenrechte oder | |
klare Qualitätskriterien für politische Bildung auszurichten. | |
Bestärkt wurde die seit einiger Zeit beharrlich von der Bildungsstätte Anne | |
Frank vorgetragene Forderung zuletzt auch von der gewerkschaftsnahen | |
Otto-Brenner-Stiftung, die ausführlich darlegt, inwiefern das in der DES | |
vorhandene Personenpotenzial überaus problematisch ist. Ebenso lenkte | |
kürzlich eine [8][Fragdenstaat-Recherche] zusammen mit dem „[9][ZDF Magazin | |
Royale“ von Jan Böhmermann] Aufmerksamkeit auf das Thema. Tenor: Mit der | |
Erasmus-Stiftung würden antidemokratische Vorfeldorganisationen der | |
extremen Rechten jährlich Steuergelder in Millionenhöhe erhalten. | |
## Diskussion über neues Stiftungsgesetz | |
Offen für ein Gesetz sind die Stiftungen von FDP und Grünen. Die | |
Friedrich-Naumann-Stiftung ist „seit Langem grundsätzlich offen für eine | |
einfachgesetzliche Regelung“, sagt Sprecher Anders Mertzlufft. Die | |
Heinrich-Böll-Stiftung sei ebenso „grundsätzlich aufgeschlossen“, wie | |
Michael Alvarez Kalverkampf von der Grünen-nahen Stiftung sagt. Für neue | |
Stiftungen müssten die Prinzipien der freiheitlich-demokratischen | |
Grundordnung gelten. Allerdings müssten zunächst die Exekutivorgane | |
feststellen, ob eine Stiftung diese auch erfüllt. Sprich: Konkret soll aus | |
grüner Sicht bitte der Verfassungsschutz einschätzen, ob die AfD-Stiftung | |
förderungsreif ist. | |
Die Linke-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung hingegen hält das für problematisch: | |
Wenn, dann sollte ein sogenanntes Stiftungsgesetz Förderungen eher an | |
„allgemeine Menschenrechte“ knüpfen und so festlegen, dass Inhalte, die | |
Diskriminierung fördern oder die eine offene Gesellschaft, parlamentarische | |
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gefährden, keine öffentlichen Mittel | |
erhalten. | |
Die „bloße Bezugnahme auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung | |
reicht diesbezüglich nicht aus“, sagt Jannine Hamilton von der | |
Rosa-Luxemburg-Stiftung. Wohl auch, weil die Linke-nahe Stiftung | |
befürchtet, im Sinne der [10][unterkomplexen Extremismus-Theorie], wonach | |
sich die politischen Extreme wie in einer Hufeisenform einander annäherten, | |
von einem ideologisch am Verfassungsschutz ausgerichteten Stiftungsgesetz | |
in Mitleidenschaft gezogen zu werden. | |
Ein Stiftungsgesetz für eher nicht notwendig halten die Stiftungen von SPD | |
und CDU: Die Friedrich-Ebert-Stiftung geht davon aus, dass die Förderung, | |
wie bisher bereits, im Einzelnen präzise festlegt, für welche Zwecke | |
öffentliche Mittel ausgegeben werden. „Organisationen, deren Aktivitäten | |
nicht auf dem verfassungsrechtlichen Boden der freiheitlich-demokratischen | |
Grundordnung stehen, verlieren zwangsläufig jedes Anrecht staatlicher | |
Förderung“, schreibt Peter Donaiski von der Ebert-Stiftung. | |
Eine Förderung der politischen Bildung ginge zudem „nur auf Basis von | |
Menschenrechten, Toleranz, Würde und Pluralismus sowie deren strikte | |
Kopplung an rechtsstaatliche Prinzipien und an die anerkannten | |
Qualitätskriterien der Erwachsenenbildung“. Der Bundestag müsse | |
entsprechend Förderhöhe, -anteil sowie „Empfängerkreis“ festlegen. | |
Ähnlich sieht das auch die Konrad-Adenauer-Stiftung. Ob die | |
Erasmus-Stiftung Anspruch auf Förderung hat, müsse der Haushaltsgesetzgeber | |
entscheiden, so Jochen Blind von der CDU-nahen Stiftung. Ähnlich | |
positioniert sich auch die Hans-Seidel-Stiftung der CSU. Man begrüße die | |
Debatte, aber wolle mit einer Positionierung warten, bis man vom | |
Gesetzgeber dazu aufgerufen werde, wie es von Hubertus Klingsbögl aus der | |
CSU-nahen Stiftung heißt. | |
Überein stimmen die politischen Bildungsstiftungen der demokratischen | |
Parteien im Übrigen, wenn auch mit Abstrichen, in ihrer inhaltlichen | |
Bewertung der Ausrichtung der AfD-Strömung: „Die DES steht einer in Teilen | |
faschistischen Partei nahe“, heißt es von der Rosa-Luxemburg-Stiftung. | |
Steinbachs Stiftung sei intellektuelle Wegbereiterin für | |
völkisch-nationalistische und geschichtsrevisionistische Inhalte sowie | |
Deckmantel zur Schulung rechter Kader und Akteur*innen. | |
Die Hans-Seidel-Stiftung sieht die christlichen Werte bedroht, welche durch | |
die politische Strömung der AfD „teils aktiv bekämpft werden“. Die | |
Friedrich-Naumann-Stiftung sieht durch die AfD-Nähe der Erasmus-Stiftung | |
völkische und rechtsextreme Positionen befördert. Und die | |
Friedrich-Ebert-Stiftung „hat erhebliche Zweifel an der Selbstverpflichtung | |
und Bindung der Erasmus-Stiftung an die freiheitlich-demokratische | |
Grundordnung“. | |
Deren Vorsitzende Erika Steinbach behauptet öffentlich stets, dass ihre | |
Stiftung trotz klarer Verbindungen zur sogenannten Neuen Rechten wie dem | |
Institut für Staatspolitik von Götz Kubitschek „mit beiden Beinen fest auf | |
dem Grundgesetz“ stünde. | |
Bei der Heinrich-Böll-Stiftung hält man sich mit einer Einschätzung zwar | |
etwas zurück, weil dies Aufgabe der Exekutivorgane sei. Aber Teile der | |
nahestehenden AfD stünden ja „aus offenbar guten Gründen unter | |
Beobachtung“. Gar nicht groß dazu äußern will sich die | |
Konrad-Adenauer-Stiftung. | |
## Viele rechtsradikale und extrem rechte Stiftungsaktivist:innen | |
Die der [11][IG Metall nahe Otto-Brenner-Stiftung forderte kürzlich] | |
aufgrund rechter Verstrickungen, Maßnahmen zu ergreifen, damit die | |
Erasmus-Stiftung keine finanziellen Mittel vom Staat erhält. Dafür müsse | |
eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, wie ein [12][76-seitiges | |
Papier] der Stiftung mit Blick auf die politischen Ziele der | |
Erasmus-Stiftung und ihrer exponierten Persönlichkeiten fordert. | |
Angesichts einer Vielzahl von Akteur*innen in rechtsradikalen bis extrem | |
rechten Milieus regt die Brenner-Stiftung zudem an, die Gemeinnützigkeit | |
der Erasmus-Stiftung zu überprüfen. Auch plädiert sie für einen | |
grundsätzlichen Ausschluss des Steinbach-Thinktanks von Förderung. Es stehe | |
Politiker*innen in Haushaltsausschüssen von Landtagen und Bundestag | |
grundsätzlich frei, der Erasmus-Stiftung staatliche Zuschüsse zu versagen – | |
auch, wenn in Folge mit Klagen zu rechnen sei. | |
Nicht zuletzt deshalb bräuchte es aber umso dringender eine gesetzliche | |
Grundlage für die Finanzierung. Dabei reiche nicht aus, sich auf die | |
freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beziehen, sondern müsse dafür | |
die allgemeinen Menschenrechte in den Mittelpunkt stellen. Der Begriff der | |
freiheitlich-demokratischen Grundordnung sei theoretisch vage und im | |
Grundgesetz nicht definiert, sondern werde nur durch in Bildungsfragen | |
inkompetenten Sicherheitsbehörden auf Handlungsebene ausgefüllt. | |
Laut Brenner-Stiftung haben die vergangenen Jahrzehnte gezeigt, dass sich | |
die Geheimdienste „insbesondere bei der Bewertung neurechter Netzwerke und | |
Strukturen offensichtlich sehr schwer getan haben.“ Die Bewertung sollte | |
vielmehr einem unabhängigen Gremium aus Wissenschaftler*innen | |
überlassen werden. | |
29 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://aktion.campact.de/rechtsextremismus/afd-stiftung/teilnehmen | |
[2] https://defundes.wordpress.com/ | |
[3] /AfD-nahe-Erasmus-Stiftung/!5799973 | |
[4] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_… | |
[5] https://www.tagesschau.de/investigativ/report-mainz/stiftungen-gehaelter-10… | |
[6] /Desiderius-Erasmus-Stiftung/!t5507200 | |
[7] /Geldsegen-fuer-AfD-nahe-Erasmus-Stiftung/!5801836 | |
[8] https://fragdenstaat.de/dossier/desiderius-erasmus-stiftung/ | |
[9] https://www.youtube.com/watch?v=McScfmH15Oo | |
[10] https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/200099/kritische-… | |
[11] https://www.otto-brenner-stiftung.de/wissenschaftsportal/informationsseite… | |
[12] https://www.otto-brenner-stiftung.de/fileadmin/user_data/stiftung/02_Wisse… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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