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# taz.de -- Migration aus dem Irak: Über Minsk ins Ungewisse
> Offensiv warben irakische Reisebüros für das Flugziel Belarus. Seit es
> keine Direktflüge mehr gibt, geht die Route über Dubai, Istanbul oder
> Damaskus.
Bild: Das Bild der belarussischen Nachrichtenagentur soll Flüchtende an der Gr…
Kairo taz | Aus dem Irak über Damaskus nach Minsk: Wer in den sozialen
Medien den arabischen Hashtag [1][#Belarus] sucht, findet ein [2][Video]
eines oppositionellen syrischen TV-Senders vom Flughafen in Damaskus. Zu
sehen ist eine Menschenschlange, die sich bis vor das Flughafengebäude
zieht. Die jungen Männer sprechen Kurdisch. Die meisten stammen aus dem
Irak. Das Video wurde am Dienstag hochgeladen.
Lange sei nichts leichter gewesen, als ein Touristenvisum für Belarus zu
bekommen, erzählt Khadir Domly, ein Journalist aus dem irakisch-kurdischen
Dohuk, der sich auf Migration spezialisiert hat. Aus dem kurdischen
Nordirak kommt ein Großteil der Menschen, die jetzt an der belarussischen
Grenze zum EU-Land Polen festsitzen.
Dort haben am Donnerstag Tausende Menschen eine weitere Nacht in
provisorischen Lagern in eisiger Kälte verbracht. Die EU wirft dem
belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko vor, absichtlich Migranten
an die EU-Grenzen zu bringen, um Vergeltung für EU-Sanktionen zu üben.
„Seit Anfang des Jahres hat sich hier die Nachricht verbreitet, dass es
einfach ist, ein Visum für Belarus zu bekommen, und dass man von dort
weiter in die EU kommt, speziell nach Litauen und Polen“, erzählt Domly am
Telefon gegenüber der taz. „Aber die meisten haben Deutschland als Ziel.
Das Ganze wird mit regulären Reiseagenturen und Schmugglern organisiert.“
## Reisebüros lockten mit einfachem Visaprozess
Nach Angaben der Organisation Kurdistan Refugee Association haben in den
vergangenen drei Monaten rund 3.000 Kurden den Nordirak verlassen. Mehr als
die Hälfte von ihnen sei mit Touristenvisa nach Belarus eingereist.
Irakische Reisebüros hatten seit Monaten Reisen nach Minsk beworben, mit
dem Argument, dass der Visaprozess einfach sei. Den weiteren Schmuggel nach
Polen erwähnten sie nicht.
„Wenn ihr gebucht habt, bekommt ihr innerhalb von nur drei Tagen euer Visum
am Counter am Flughafen in Bagdad. Bei der Ankunft in Minsk geht ihr direkt
zur Passkontrolle, die stempelt den Pass ab und dann nehmen wir euch in
Empfang“, warb ein Mitarbeiter der irakischen Reiseagentur Dar al-Rahim
noch im Juni [3][via Video] auf der Facebookseite der Agentur.
Seit August ist die Reise etwas komplizierter geworden. Direkte Flüge von
Bagdad oder Erbil nach Minsk wurden aufgrund Drucks aus der EU eingestellt.
Nun geht die Reise über Dubai, Istanbul oder Damaskus. „Es gibt viele
Routen nach Belarus. Die Schmuggler bleiben da immer am Ball und passen
sich an. Sie folgen keiner festgelegten Route“, beschreibt Dolmy deren
Strategie.
Unter jenen, die sich aus dem Irak auf den Weg nach Minsk machen, seien
Araber aus Bagdad oder Mosul, schildert Dolmy, aber vor allem viele Kurden.
„Unter ihnen stammen viele von religiösen Minderheiten. Ganz häufig sind es
Jesiden. Nachdem die Balkanroute geschlossen wurde, hat sich dieser Weg als
alternative Route etabliert.“
Einer der Ausgangspunkte ist der kleine Ort Schiladze in den kurdischen
Gebieten im Nordirak, unweit der türkischen Grenze. Der Ort mit seinen
40.000 Einwohnern ist eines der Schmuggelzentren in Richtung Belarus. Ein
lokaler Schmuggler [4][berichtete] der Nachrichtenagentur Reuters im
Oktober, dass er bereits 200 Menschen nach Minsk gebracht habe.
Viele seiner Verwandten und Freunde seien bereits weg, andere würden noch
folgen, wird der lokale Friseur Abdullah Omar bei Reuters zitiert. „Die
Menschen haben ihre Häuser oder Autos verkauft, um sich das leisten zu
können“, erzählt er. Die gesamte Reise koste zwischen 6.000 und 10.000
Dollar, sagt Dolmy.
## „Besonders betroffen“
Gründe, dem Irak den Rücken zu kehren, gebe es so viele wie Routen nach
Minsk, meint Dolmy. „Da gibt es Instabilität, Arbeitslosigkeit, [5][einen
nicht funktionierenden Staat, keine Sicherheit und konfessionelle
Konflikte]. Ganz besonders sind religiöse Minderheiten betroffen. Sie
werden jede Chance ergreifen, das Land zu verlassen.“
Letzte Woche allerdings informierte ein weiteres irakisches Reisebüro,
Zahrat Al-Hayat, seine Kunden über neue Entscheidungen der Behörden in
Belarus. „Unter 18-jährige bekommen kein Visum mehr für Belarus. Familien
können also nicht reisen. Sie würden sich auch in Gefahr begeben. Diese
Reise ist ermüdend und sie würden Gefahr laufen, Geld zu verlieren“,
erklärt ein Mitarbeiter per [6][Facebookvideo] mit dem indirekten, aber
eindeutigen Hinweis, dass die illegale Weiterreise schwer geworden ist.
Auch die irakische Regierung hat auf Druck der EU weiter reagiert. Die
belarussischen Konsulate in Bagdad und Erbil sind am Samstag vorübergehend
geschlossen worden. Am Montag dann kündigte Iraks Regierungschef Mustafa
al-Kadhimi einen Notfallfond von 200.000 US-Dollar an. Damit, erklärte er,
solle die Rückkehr von irakischen Staatbürgern organisiert werden, die bei
eisigen Temperaturen an der polnischen Grenze feststecken.
11 Nov 2021
## LINKS
[1] https://twitter.com/hashtag/%D8%A8%D9%8A%D9%84%D8%A7%D8%B1%D9%88%D8%B3%D9%8…
[2] https://www.facebook.com/syrtelevision/videos/605851057229330/?extid=NS-UNK…
[3] https://www.facebook.com/watch/live/?extid=CL-UNK-UNK-UNK-IOS_GK0T-GK1C&amp…
[4] https://www.reuters.com/world/middle-east/iraq-kurdish-town-many-undertake-…
[5] /Parlamentswahl-im-Irak/!5803956
[6] https://www.facebook.com/zahrat.alhayatkirkuk/videos/411523893891998/?extid…
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Irak
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