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# taz.de -- Wissenschaftler über den Klimawandel: „Mein Land wurde wieder ve…
> Bei der UN-Klimakonferenz fehlte die Stimme Afghanistans, kritisiert
> Nasratullah Mateen. Dabei gehört das Land zu den verletzlichsten
> Regionen.
Bild: Gerade in der Landwirtschaft, hier im Nordwesten Afghanistans, spüren di…
taz: Herr Mateen, wie macht sich die Klimakrise in Afghanistan am
deutlichsten bemerkbar?
Nasratullah Mateen: [1][Ein Großteil der Menschen in Afghanistan ist von
der Landwirtschaft abhängig]. Diese wird durch den Klimawandel zunehmend
bedroht, denn der Klimawandel wird in Afghanistan vermehrt zu Dürren
führen. Gleichzeitig nehmen Überschwemmungen und Erdrutsche zu. 2020 haben
Sturzfluten im Osten des Landes 179 Menschen getötet und Hunderte von
Häusern zerstört, viele Menschen wurden aus ihrer Provinz vertrieben. Es
gibt in Afghanistan also bereits Klimaflüchtlinge. 2018 kam es in der
Provinz Pandschir ebenfalls zu desaströsen Überschwemmungen, diesmal durch
schmelzendes Gletschereis. Wenn man sich die Auswirkungen solcher
Ereignisse anschaut, dann lässt sich sagen, dass die Klimakrise die
Menschen in meinem Land noch mehr bedroht, als es terroristische Anschläge
tun.
Sie sollten bei der COP26 Afghanistan vertreten. Woran ist die Teilnahme
gescheitert?
Als einziger Aktivist aus Afghanistan hatte ich eine Akkreditierung für die
COP26. Ich konnte allerdings nicht anreisen, weil die zuständige Behörde in
Großbritannien mein Visum bis zum Ende der Konferenz verzögert hat. Ich
hatte meinen Antrag zeitig eingereicht und mich aufgrund der Verzögerung
mehrmals an die Behörde und das Organisationsteam der COP26 gewandt. Als
die Konferenz dann fast zu Ende war, kam aber nur eine enttäuschende
Antwort: Der Visumsbehörde fehle es an Richtlinien seitens der COP26, wie
mit Teilnehmern aus Afghanistan umzugehen sei. Auch andere
Aktivist:innen aus besonders betroffenen Ländern konnten nicht
anreisen.
Was bedeutet es, dass Sie von der Konferenz ausgeschlossen wurden?
Es bedeutet vor allem, dass die Stimme Afghanistans, die Stimme von 34
Millionen Menschen, zum Schweigen gebracht wurde. Afghanistan gehört zu den
Ländern, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind, ist aber selbst
kaum Verursacher davon. Ich wollte die Auswirkungen der Klimakrise für mein
ohnehin zerrüttetes Land in das Bewusstsein globaler Entscheidungsträger,
anderer Aktivisten und internationaler Organisationen bringen. Leider
wurden meine Hoffnungen enttäuscht. Nur eine Woche vor der Konferenz hatte
sich die COP26 außerdem gegen die Teilnahme von Vertretern der ehemaligen
afghanischen Regierung entschieden. Es gab also niemanden, der Afghanistan
repräsentieren konnte. Die internationale Gemeinschaft hat mein Land ein
weiteres Mal verraten.
Manche Menschen sagen, in Afghanistan gebe es größere Probleme als den
Klimawandel. Was meinen Sie dazu?
Die Klimakrise ist eine zusätzliche [2][Bedrohung für die Sicherheit und
Stabilität meines Landes]. Humanitäre Krisen wie Dürren, Hunger und
Vertreibung bieten terroristischen Gruppen einen Nährboden. Denn Armut und
Verzweiflung bringen Leute dazu, sich im Zweifel auch solchen Gruppierungen
anzuschließen, um zu überleben. Auch werden mit dem Klimawandel
Ressourcenkonflikte in Afghanistan zunehmen.
Wann haben Sie angefangen, sich für den Klimaschutz starkzumachen?
Ich habe 2016 begonnen, an der Universität Umweltwissenschaften zu
studieren, und mich dadurch vermehrt mit den Folgen des Klimawandels
auseinandergesetzt. 2018 habe ich ein Buch veröffentlicht, mit dem ich die
Leute in meinem Land dazu bewegen wollte, mehr für den Umweltschutz zu tun.
Glücklicherweise hat es einige Aufmerksamkeit erfahren. Dann habe ich ein
Netzwerk von Klimaschutzaktivist:innen in Afghanistan gegründet. Wir
haben in der Vergangenheit die Menschen in unserem Land auf das Thema
Klimawandel aufmerksam gemacht, etwa mit Seminaren, Dialogen oder
Baumpflanzaktionen.
Gab es in Afganistan Demonstrationen für das Klima in den vergangenen
Jahren?
2019 fand die erste Fridays-for-Future-Demonstration in Afghanistan mit
etwa hundert Teilnehmer:innen statt. 2020 habe ich mit anderen
afghanischen Klimaaktivist:innen Climate Strike gegründet, im selben
Jahr haben wir mit 40 Leuten einen Onlinestreik durchgeführt, um auf den
World Earth Day am 22. April aufmerksam zu machen. Die Ankunft der Taliban
hat unsere Aktivitäten jedoch unterbrochen.
Wie ist die Situation von afghanischen Klimaaktivist:innen seit der
Ankunft der Taliban?
Leider sind einige Klimaaktivist:innen derzeit noch in Afghanistan
und müssen sich verstecken. Die meisten sind jedoch in Nachbarländer
geflohen. Fridays for Future hat 23 Aktivist:innen mit ihren Familien
nach Pakistan evakuiert.
Welche Zukunft hat der Klimaschutz in Afghanistan?
In Afghanistan gibt es viel Potenzial für Projekte zum Klimaschutz und zur
Klimaanpassung. Allein die Wiederaufforstung könnte einen großen
Unterschied für das Land machen. Leider ist die Behörde für den Klimaschutz
seit der Machtübernahme der Taliban geschlossen. Trotzdem wollen wir
afghanischen Klimaaktivist:innen die Stimme unseres Landes
hochhalten, wenn nötig, aus dem Exil. Denn die dunklen Tage Afghanistans
werden hoffentlich wieder vergehen, doch die Bedrohung durch den
Klimawandel bleibt.
22 Nov 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Nabila Lalee
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