| # taz.de -- Zukunft der Bahn: Die Entkupplung von Zug und Schiene | |
| > Grüne und FDP wollen bei der Bahn mehr Wettbewerb ermöglichen. Was hieße | |
| > das für die Kund:innen? Die wichtigsten Fragen und Antworten. | |
| Bild: Führt mehr Wettbewerb tatsächlich zu billigeren Tickets und mehr Pünkt… | |
| ## Die Meldung, dass Grüne und FDP die [1][Deutsche Bahn] zerschlagen | |
| wollen, hat für Aufregung gesorgt. Worum geht es genau? | |
| Grüne und FDP wollen die Deutsche Bahn in zwei Teile aufsplitten. Ein Teil | |
| soll sich um die Infrastruktur wie das Schienennetz kümmern, der andere um | |
| den Bahnbetrieb. So soll mehr Wettbewerb möglich werden und auch andere | |
| Unternehmen mehr zum Zug kommen. Im Fernverkehr ist die Deutsche Bahn quasi | |
| Monopolist, es gibt nur wenige Konkurrent:innen wie Flixtrain. Im Nah- | |
| und Güterverkehr dagegen besteht mehr Wettbewerb. | |
| Was habe ich als Kund:in von mehr Wettbewerb? | |
| Die Befürworter:innen der Trennung sagen: bessere Verbindungen, | |
| billigere Tickets und besseren Service. Die Gegner:innen stellen genau | |
| das infrage und warnen vor noch größeren Verspätungen, noch mehr | |
| Zugausfällen und noch weniger Verbindungen. Sie verweisen auf Zielkonflikte | |
| gewinnorientierter Wettbewerber:innen: Was ist ihnen wichtiger – Profit | |
| oder Pünktlichkeit? | |
| Und wie ist es mit dem Umsteigen? Gerade wenn man von der Großstadt tief in | |
| die Provinz will oder umgekehrt, wird Bahnfahren nervig. Hilft da die | |
| Aufspaltung? | |
| Nein. Bis 2030 soll der sogenannte Deutschlandtakt verwirklicht werden, ein | |
| bundesweit abgestimmter Fahrplan, bei dem zwischen den großen Städten | |
| halbstündlich Züge fahren und Anschlusszüge in die Regionen erreicht | |
| werden. Sollte der Deutschlandtakt realisiert werden, werden die | |
| Verbindungen insgesamt besser, so manches Umsteigen wird entfallen. Das ist | |
| für die Deutsche Bahn allein schon eine riesige Herausforderung. Je mehr | |
| Akteur:innen eingebunden werden, desto schwieriger ist der Takt | |
| einzuhalten. | |
| Wenn andere Anbieter:innen leichter Zugang haben und echte Konkurrenz | |
| ermöglicht wird, fahren dann auch mehr Züge? Das Netz hat doch natürliche | |
| Grenzen. | |
| Ja, jedes Gleis kann nur von einem Zug befahren werden. Durch Einsatz | |
| moderner Technik könnten aber mehr Züge schneller nacheinander fahren. Ob | |
| diese Modernisierung durch eine Aufsplittung der Deutschen Bahn schnell | |
| vorangetrieben wird, ist ungewiss. | |
| Werden mehr Schienen gebaut, wenn es ein eigenes Unternehmen dafür gibt? | |
| Der Schienenbau hat wenig mit einer Aufsplittung zu tun. Heute dauert es | |
| laut Bundesverkehrsministerium im Schnitt 20 Jahre, bis ein neuer | |
| Gleisabschnitt fertig ist. Zwei Drittel davon entfallen auf die Planung, | |
| denn daran sind sehr viele Instanzen beteiligt. Mehr Leute in | |
| Genehmigungsbehörden, straffere Bewilligungsverfahren und zügigere | |
| Finanzierungszusagen bringen schneller mehr neue oder reaktivierte | |
| Schienenwege als das Herauslösen der DB Netz aus dem Gesamtkonzern. | |
| Im Regionalverkehr sind bereits Wettbewerber der Deutschen Bahn aktiv. Wie | |
| läuft das? | |
| Es gibt einen bizarren Wettbewerb: Vor allem die Tochterunternehmen von | |
| europäischen Staatsbahnen konkurrieren bei Ausschreibungen um den Betrieb | |
| von Strecken in der Bundesrepublik, darunter niederländische, italienische | |
| oder französische. Gleichzeitig ist die Deutsche Bahn in der europäischen | |
| Nachbarschaft unterwegs. | |
| Der Wettbewerb ist mitunter ruinös. Der Marktanteil der mehr als 15 | |
| Konkurrent:innen im Regionalverkehr liegt nach Angaben des | |
| Wettbewerbsreports der Branchenverbände Mofair und Netzwerk Europäischer | |
| Eisenbahnen bei jetzt knapp 41 Prozent. Mit einem Marktanteil von 7,3 | |
| Prozent ist das Unternehmen Abellio, eine Tochtergesellschaft der | |
| niederländischen Staatsbahn, am größten. Abellio betreibt in Deutschland 52 | |
| Linien, unter andere die RE 1 von Aachen nach Hamm in NRW oder die | |
| Frankenbahn in Baden-Württemberg. Jetzt ist Abellio pleite, das | |
| Insolvenzverfahren läuft. Hohe Verluste sind auch wegen Vertragsstrafen | |
| aufgelaufen, die wegen Verspätungen fällig waren. | |
| Landespolitiker:innen suchen jetzt händeringend nach Lösungen, damit | |
| die Züge nicht einfach ausfallen, etwa die Übernahme der Strecken durch | |
| andere Betreiber:innen. | |
| Wer außer Grünen und FDP will eine Aufspaltung? | |
| Auch die Verbände der Bahnkonkurrent:innen im Nah- und Güterverkehr | |
| sind dafür. Ihre Mitglieder versprechen sich davon bessere Bedingungen für | |
| ihr Geschäft. Ebenfalls dafür sind der Fahrgastverband Pro Bahn und die | |
| Lokführergewerkschaft GDL, die bei der Bahnkonkurrenz gut vertreten ist. | |
| Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) plädiert für eine | |
| Teilung. | |
| Der Staat müsse die Schieneninfrastruktur langfristig erhalten und | |
| ausbauen, sagt vzbv-Vorstand Klaus Müller, der früher grüner Umweltminister | |
| in Schleswig-Holstein war. „Das ist die Basis für einen stärkeren und | |
| faireren Wettbewerb auf der Schiene, der Innovationen fördert und die | |
| Zufriedenheit der Verbraucher erhöht.“ Genau das Gegenteil sei mit der | |
| aktuellen Monopolstellung der Deutschen Bahn der Fall. Aus Sicht des | |
| ökologischen Verkehrsclubs VCD kann es durchaus sinnvoll sein, das | |
| Gleisnetz aus dem Konzern herauszulösen – wenn es in die richtige Richtung | |
| geht. Ziel einer Bahnreform müsse mehr Umweltschutz und ein höherer Nutzen | |
| für Kund:innen sein, nicht mehr Konkurrenz, heißt es beim VCD. | |
| Wer ist gegen die Aufspaltung? | |
| Die SPD, aber auch die Union. Die große Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft | |
| (EVG) ebenfalls. Sie ist bei der Deutschen Bahn stärker verankert als die | |
| Lokführer:innengewerkschaft GDL. Zu den weiteren Gegner:innen | |
| gehören unter anderen das Bündnis „Bahn für Alle“, die NGO Attac und die | |
| Initiative „Gemeingut in BürgerInnenhand“. Schon heute bereitet die | |
| Zersplitterung der Deutschen Bahn in 300 Tochterunternehmen im Alltag | |
| erhebliche Abstimmungsprobleme. „Eine Zerschlagung der Bahn in noch mehr | |
| konkurrierende Gesellschaften würde dieses Problem erheblich verschärfen“, | |
| sagt Bernhard Knierim von „Bahn für alle“. Kommt es zu Problemen, ist die | |
| Gefahr groß, dass sich die verschiedenen Akteur:innen die Verantwortung | |
| dafür gegenseitig zuschieben, anstatt gemeinsam an einer Lösung zu | |
| arbeiten. | |
| Wollen die Gegner:innen einer Aufspaltung, dass alles bleibt, wie es | |
| ist? | |
| Nein. „Bahn für alle“ und viele andere sind für ein Modell nach Schweizer | |
| Vorbild. Dort gibt es ein Bahnunternehmen unter gemeinnütziger Verwaltung, | |
| unter dessen Dach Netz und Betrieb vereint sind. Der Staat legt in einem | |
| Vertrag mit der Schweizer Bahn fest, welche Leistungen er will. Die | |
| Verbindungen sind gut und aufeinander abgestimmt, Verspätungen und | |
| Zugausfälle selten. | |
| Welche Erfahrungen haben andere europäische Länder gemacht? | |
| Frankreich und Großbritannien haben die Trennung von Netz und Betrieb | |
| vollzogen, machen sie aber rückgängig – weil sie zu Störungen im | |
| Betriebsablauf führte und zu teuer ist. Aus Sicht der | |
| Aufsplittungsbefürworter:innen taugen diese Beispiele aber nicht | |
| für einen Vergleich mit Deutschland. Sie verweisen auf Schweden. Dort sind | |
| Netz und Betrieb getrennt, neben der staatlichen Bahn gibt es weitere | |
| Unternehmen. „Die Qualität des Angebotes ist sehr unterschiedlich“, sagt | |
| Bernhard Knierim. Ein Problem für Reisende: Mitunter gibt es bis zum Ziel | |
| keine durchgehenden Tickets. | |
| 13 Nov 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anja Krüger | |
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