Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Italienischer Regisseur in Sammlung Keel: Fellineske Figuren
> Die große Schau im Museum Folkwang Essen „Von der Zeichnung zum Film“
> würdigt das zeichnerische Werk des Filmregisseurs Federico Fellini.
Bild: Armando Brancia und Federico Fellini am Set von „Amarcord“, 1972–19…
„Der eine wirft hastig ein paar Worte, eine Empfindung aufs Papier, und ich
zeichne eben. […] Das ist meine Art, mich an den Film, den ich gerade
mache, heranzupirschen, dahinterzukommen, was es mit ihm auf sich hat, und
ihm verstohlen ins Gesicht zu blicken.“ (Federico Fellini, 1983)
Das Motiv hat der Zeichner mehrmals variiert: Auf einem Blatt sind zwei
nervös tänzelnde Figuren zu sehen, die ihre Körper nach oben strecken,
dabei Blitzgeräte in die Luft halten. Auf einem weiteren ist nur eine Figur
zu betrachten, die sich reckt und einen Fotoapparat hochhält. Gelbe Striche
nach allen Seiten deuten Blitzlichter an. Daneben steht die Widmung „Für
Walter Santesso/Paparazzo“.
Die Karikaturen stammen von [1][Federico Fellini]. Es sind Studien für
seinen Film „La dolce vita“, in dem der Schauspieler Walter Santesso einen
Fotografen namens Paparazzo spielte. Der Begriff ging nach dem großen
Erfolg des Films in die Umgangssprache ein, als Bezeichnung für
rücksichtslose Fotoreporter.
Fellini! Der 1993 verstorbene Künstler galt lange als Italiens
bedeutendster Filmemacher. Fast alle seiner 21 Filme sind Meisterwerke,
einige davon genießen bis heute Kultstatus. „La strada“ (1954) etwa, mit
der anrührenden Giulietta Masina (Fellinis Ehefrau) in der Hauptrolle als
Gelsomina, trauriger Clown und ausgenützte Gehilfin des Artisten Zampanò
(Anthony Quinn) im Jahrmarkt.
## Satirischer Blick auf Rimini
Oder „La dolce vita“ (1960) mit Marcello Mastroianni als Personifizierung
des abgebrühten Societyreporters. Auch Autobiografisches prägt Fellinis
Werke. „8 1/2“ (1963) setzt sich auf surreal verspielte Weise mit dem
eigenen Ruhm auseinander.
„Amarcord“ (1973) ist ein nostalgisch-satirischer Blick auf das
provinzielle, vom Faschismus geprägte Italien um 1933. Dessen Schauplatz
war der Badeort Rimini, wo Fellini 1920 geboren wurde und seine Kindheit
verbrachte. 2020 – aus Anlass seines 100. Geburtstages – [2][wurde dort ein
neues, großes Fellini-Museum eröffnet.]
Nun richtet das Museum Folkwang Essen eine Schau zu Ehren Fellinis aus, die
eine weniger bekannte Facette des Italieners zeigt: „Von der Zeichnung zum
Film“ würdigt Fellinis zeichnerisches Werk mit rund 220 Exponaten,
großzügig verteilt auf sieben Räume, ergänzt durch zahlreiche
Filmausschnitte, Filmplakate aus der eigenen Sammlung sowie Fotos. Zwölf
zentrale Filme Fellinis stehen dabei im Mittelpunkt.
Fellini hat seit seiner Kindheit gezeichnet. Schon mit 17 Jahren verdiente
er sein erstes Geld mit Karikaturen. 1938 ging der Autodidakt nach Rom, um
als Karikaturist für Zeitungen und Satiremagazine zu arbeiten. Als 1944
alliierte Soldaten in Rom stationiert waren, eröffnete der
geschäftstüchtige Filou zusammen mit Freunden den „Funny Face Shop“, in d…
sich Soldaten in lustiger Weise zeichnen lassen konnten.
## Fellini behielt das Zeichen bei
Obwohl er ab 1945 als Drehbuchautor und Regisseur arbeitete (unter anderem
schrieb er an Roberto Rossellinis neorealistischem Film „Rom, offene Stadt“
mit) und ab Mitte der 50er Jahre viele Filmpreise gewann, behielt Fellini
das Zeichnen stets bei.
Es diente ihm als „Selbstgespräch“ und als wichtiges Werkzeug, um
Filmfiguren zu entwerfen oder an ihnen zu feilen, sowie um Schauplätze,
Dekor und Kostüme zu skizzieren. Hatte er einen Charakter im drehbuch vage
umrissen, so konnte er diesen beim Zeichnen weiterentwickeln, zu einer auch
äußerlich aussagkräftigen Figur.
Die füllige Statur des Schauspielers Alberto Sordi inspirierte ihn etwa zu
Karikaturen, die dessen selbstherrlicher Rolle als von Frauen angehimmelter
Fotoroman-Darsteller in „Der weiße Scheich“ (1952) entsprachen.
Kostümentwürfe und Angaben zur Maske wurden ebenfalls notiert, um seinen
Leuten am Filmset eine Vorstellung von der fertigen Figur zu geben.
Fellini zeichnete spontan, schnell und wo auch immer er sich gerade befand,
mit Bleistift, Kugelschreiber oder Fineliner, setzte Farbtupfer mit
Filzstiften. Trotz des flüchtigem Stils seiner Skizzen traf Fellini den
jeweiligen Schauspieler beziehungsweise den Typus seiner Figur stets
perfekt. Er arbeitete wesentliche Details so heraus, dass die am Film
Mitwirkenden (vor allem der Bereiche Kostüm, Maske und Dekor) damit
arbeiten konnten. Seltener zeichnet Fellini komplette Szenerien wie jene
von Gelsomina in Rückenansicht, die am Strand aufs blaue Meer blickt.
Mittels solch poetischer Zeichnungen, die auch unabhängig vom Film bestehen
können, wollte sich Fellini vorab über die in der Szene beabsichtigte
Stimmung klar werden. Aus [3][Marcello Mastroianni,] der oft als Alter Ego
Fellinis fungierte, hat er in einer Vorstudie für „La dolce vita“ einen
graumelierten Schnösel mit spitzer, nach oben gerichteter Nase gemacht.
Dazu kommentiert Fellini: „Wie kann man Marcellino etwas schäbiger machen?
… Er muss abnehmen!“
## Marcello Mastroiani musste abnehmen
Tatsächlich musste der Star vor jedem Dreh mit Fellini abspecken. Dessen
Partnerin Anita Ekberg wird in den Zeichnungen dämonisch und mit monströsem
Busen im Priestertalar inszeniert.
Donald Sutherland als „Il Casanova“ wird durch Fellinis detaillierte
Vorgaben zur Maske gar zu einer gänzlich grotesken Figur deformiert. Oft
sind es auch die „kleinen Leute“, die Fellinis Fantasie anregten und deren
Verkörperung er in weniger bekannten, kauzigen Charakterdarstellern fand,
die etwa in „Amarcord“ ihr Können in komischen Miniaturen beweisen konnten.
Ob der cholerische Vater der Hauptfigur Titta mit der dicken Warze auf der
Glatze oder die Marktfrauen, die mit ihren dicken Hintern auf Fahrrädern
den pubertierenden Jungs ein Schauspiel boten – Fellini antizipierte die
Wirkung seiner Figuren auf der Leinwand in den Zeichnungen und schuf
nachhaltige Kinobilder, gerade auch durch seine derben Übertreibungen.
Für den Besuch der Ausstellung ist es nicht notwendig, die Filme zu kennen:
Neben gezeigten Filmtrailern und -ausschnitten wird deren Handlung jeweils
bündig auf Texttafeln dargestellt. Kurze Drehbuchauszüge und Szenenfotos
sind unter den Zeichnungen platziert, sodass man sie mit den Filmbildern
vergleichen kann.
## Die privaten Telefonzeichnungen
Manche Zeichnungen entstanden auch privat, wie jene, die er während langer
Telefonate zu entwerfen pflegte. Ein erst kürzlich in Italien
veröffentlichtes umfangreiches „Buch der Träume“ dokumentiert, wie Fellini
jahrzehntelang am Morgen seine nächtlichen Träume akribisch nachzeichnete.
Liebevolle Zeichnungen seiner Entourage sind zu entdecken, wie mehrerer
Karikaturen seines Komponisten Nino Rota beim Dirigieren, oder die cloweske
Darstellung seiner Assistentin Liliana Betti.
In wenigen Zeichnungen porträtierte er sich auch selbst, einmal auf einem
riesigen Frauenhintern sitzend. Seine Obsession für füllige, übergroße
Frauen ist in vielen seiner Filme ein bevorzugtes Motiv. In einer
pointierten Karikatur zu „Stadt der Frauen“ (1980) zeichnet er winzige
bekleidete Männer, die einer riesenhaften nackten Frau auf der Straße
begegnen.
Fellini selbst maß den Zeichnungen keinerlei Bedeutung bei, bezeichnete sie
als „Kritzeleien“, denn sie waren für ihn bloß Zwischenschritte auf dem W…
zum fertigen Film. Er wollte sie nach Gebrauch nicht aufbewahren und
schenkte sie dann seiner Entourage, die die Zeichnungen meist zur
Erinnerung aufbewahrte. [4][Als der Verleger Daniel Keel seine Zeichnungen]
in den 1970ern in Buchform herausbringen und ausstellen wollte, schickte
Fellini seine neuesten nach Zürich zum Diogenes Verlag.
Aus der Sammlung der Erben Jakob und Philipp Keel stammt auch der Großteil
der Exponate.Bislang wurden Fellinis Zeichnungen meist als Beiwerk
behandelt. Kurator Tobias Burg stellt sie in der ausgezeichneten,
anregenden Schau klug in den Mittelpunkt und zeigt, welche Bedeutung sie
für seine Filme hatten. So wird klar, dass die „Kritzeleien“ einen
wichtigen Arbeitsschritt für Fellini darstellten, um seine zeitlosen,
poetischen und oft bildgewaltigen Meisterwerke zu realisieren.
Sie stellen einen Schlüssel zur „fellinesken“ Bildsprache dar, die das
Mittel der gezeichneten Karikatur und der Groteske in den Film
transformieren und so eine neue Qualität erzielen.
19 Nov 2021
## LINKS
[1] https://www.google.com/search?client=firefox-b-e&q=Federico+Fellini+taz
[2] /Archiv-Suche/!5656185&s=Michael+Braun+Fellini&SuchRahmen=Print/
[3] https://www.google.com/search?client=firefox-b-e&q=Marcello+Mastroianni…
[4] /Diogenes-Verleger-Daniel-Keel-gestorben/!5112070
## AUTOREN
Ralph Trommer
## TAGS
Federico Fellini
Zeichnung
italienisches Kino
Ausstellung
Kolumne La Strada
Museum
Autobiographischer Comic
zeitgenössische Fotografie
Kunst
## ARTIKEL ZUM THEMA
Stadtteile in Rom: Botox, Auto, Antifaschismus
In Rom können Gespräche über Stadtviertel ziemlich aufschlussreich sein.
Hinter den ruhigen Plätzen und bürgerlichen Fassaden kribbelt es politisch.
100 Jahre Museum Folkwang in Essen: Vordenker der kulturellen Teilhabe
Das Museum Folkwang in Essen feiert sein 100-jähriges Bestehen mit
impressionistischer Kunst. Es zeigt zwei verblüffend aktuelle
Sammlungskonzepte.
Gezeichnete Autobiografie: Mangaboheme und Dämonen
Shigeru Mizuki macht im dritten Band seiner gezeichneten Autobiografie
seinen großen Appetit zum selbstironischen Leitmotiv.
Fotograf Timm Rautert im Museum Folkwang: Künstler mit vielen Handschriften
Das Museum Folkwang in Essen widmet Timm Rautert eine große Retrospektive.
Der vielseitige Fotograf feiert dieses Jahr seinen 80. Geburtstag.
Ausstellung „Picasso und der Comic“: Picasso als Leser von Comicstrips
In Picassos Werk gibt es viele Bezüge zur Ästhetik des Comics, wie eine
Pariser Ausstellung zeigt. Zeitgenössische Graphic Novels zitieren den
Meister.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.