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# taz.de -- Neues Album der Parquet Courts: Ohnmächtig am Leben hängen
> „Sympathy for Life“ heißt das neue Album der New Yorker Band Parquet
> Courts. Sie liefern fetzige Popsongs und laden zum Mit-den-Füßen-Scharren
> ein.
Bild: Haben Talking Heads gehört: Parquet Courts
„Sympathy for Life“, das neue Album der New Yorker Band Parquet Courts,
überschreitet spielerisch die Grenzen von [1][Punkrock] und kritisiert
verhüllt in experimentellen Tönen die laxe Coronapolitik. Schon gleich zum
Auftakt des Albums schmiedet die Band in „Walking at a Downtown Pace“ Pläne
für den Tag, an dem dereinst die Pandemie überstanden ist – und freut sich
auf die Rückkehr ihrer lächelnden Freunde – ohne Maske.
Die Songtexte der Mittzwanziger verraten bei genauerer Betrachtung, dass
die besonderen Umstände der vergangenen 20 Monate auch am künstlerischen
Prozess der Parquet Courts nicht spurlos vorbeigeschlichen sind. Die dicht
besiedelte Stadt New York wurde früh und besonders hart vom Coronavirus
getroffen.
Aber nicht nur die heftigen Auswirkungen der Pandemie haben die USA
beschäftigt, auch die Präsidentschaftswahl vor einem Jahr thematisiert die
Band in ihren Songs. Die anfängliche Euphorie über den Sieg des
demokratischen Kandidaten Joe Biden scheint verpufft und hinterlässt,
zumindest in der Musik der Parquet Courts, ein Gefühl von Ohnmacht.
Der Sound bleibt, obwohl straight, zugleich offen für Experimente: Vor
allem „Marathon of Anger“ und „Plant Life“ eröffnen mit kontrastierend…
Ambient-Klängen und rhythmischen Beats neue Perspektiven. Diese beiden
Songs müssen gesellschaftskritisch verstanden werden. Vor allem unsere
kapitalismusgetragene Konsumgesellschaft wird hier aufgespießt. Eine
Gesellschaft, die den Stillstand der Pandemie zwar überwunden hat, aber nun
wieder ungebremst an die Zeit davor anknüpft, das widerstrebt den
Künstlern.
## Politischer Protest und Ohrwurmpotenzial
„Marathon of Anger“ bezieht sich wiederum auf die
[2][Black-Lives-Matter-Bewegung] und die endemische Polizeigewalt im
vergangenen Sommer. Eine Art Wählton, wie am Telefon, dominiert den
Rhythmus des Lieds und lässt die Hörer:innen den rastlosen,
protestierenden Wachzustand der Welt spüren.
„Plant Life“ hat Ohrwurmpotenzial und wirkt durch sein
Dancefloor-Arrangement eingängig. Der Text lässt dagegen die mutlose
Stimmung, die viele aus den Lockdowns kennen, wieder aufleben und
hinterlässt eine seltsame Nostalgie – obwohl die Musik unter Ausblendung
des Textes enorm groovy klingt.
Anders als beim Vorgängeralbum „Wide Awake!“ liegt der stilistische Fokus
der Parquet Courts diesmal auf rhythmischer Variation. Das Tempo ist zwar
konstant hoch, aber differenziert. Während das 2018 erschienene Album als
Partymusik konzipiert war, sehnen sich die neuen Songs nun nach ihr, sagt
Sänger und Gitarrist Austin Brown.
Einige der Songs erinnern deutlich an die Talking Heads, neben „Marathon of
Anger“ und „Plant Life“ fällt besonders die Musik von „Zoom Out“ in …
Raster: Mit seinem basslastigen Sound und dem prägnanten Hook klingt es
etwas zu epigonal. Seine nervöse, funkige Anmutung lässt Hörer:innen
dennoch mit den Füßen scharren.
Die lebhafte Coverillustration verbildlicht die Vergänglichkeit und den
Wert des Lebens: Totenköpfe und das menschliche Herz. Das und der
Albumtitel „Sympathy for Life“ lassen erahnen, dass die Parquet Courts am
Leben hängen.
Auch einige Songtitel fließen in die Coverkunst, so spielt ein Spinnennetz
auf das Lied „Black Widow Spider“ an, und Blumen wiederum auf „Plant Life…
Das soll wohl bedeuten, dass es der Band nicht nur darum geht, an sich zu
wachsen, sondern auch Wurzeln außerhalb der eigenen Komfortzone zu bilden.
Insgesamt macht sich der kreative Prozess der Parquet Courts und auch
dessen Veränderung auf unterschwellige, teils durchaus schrille Weise
bemerkbar.
Der Wunsch, die Coronapandemie zumindest beim Musikhören vergessen zu
machen, wird nicht erfüllt, was „Sympathy for Life“ aber gerne verziehen
wird. Denn dass die Band unter anderem die BLM-Proteste und die
US-Präsidentschaftswahl in ihren Songs verarbeitet, stärkt Gemeinschafts-
und Zugehörigkeitsgefühle. Das Echo der vergangenen Jahre können wir alle
noch hören und mit „Sympathy for Life“ verliert es den Klang von Isolation.
Zur Musik der Parquet Courts lässt sich der Unbill zumindest für eine Weile
wegtanzen.
3 Nov 2021
## LINKS
[1] /Veganismus-und-Punk/!5752368
[2] /Juneteenth-gedenkt-Ende-der-Sklaverei/!5777062
## AUTOREN
Alessa Mendolia
## TAGS
Musik
Punkrock
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Musik
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