| # taz.de -- Feuilletondebatte zu Literatur und Klima: Klima-Romane werden kommen | |
| > Die ZEIT fragte, wo die Literatur zur Erderwärmung bleibt. Die Antworten | |
| > zeigen, dass das Klima immer noch nicht im Gefühlsalltag angekommen ist. | |
| Bild: Klimawandel und Literatur: Beim Hochwasser an der Ahr zerstörte Bücher … | |
| Der New Yorker Literat [1][Jonathan Safran Foer] hat zwei grandiose | |
| Sachbücher zur Klimakrise geschrieben, und ich wollte von ihm wissen, warum | |
| es eigentlich dazu keine guten Romane gibt. „Es ist da eine Ironie in der | |
| Sache“, sagte Foer. „Es ist sehr schwierig, sich vorzustellen, wie ein | |
| Klimawandelroman jetzt aussehen müsste. Aber es ist auch sehr schwer, sich | |
| eine Zukunft vorzustellen, in der nicht alle Romane Klimaromane sind – auf | |
| die eine oder andere Weise.“ | |
| Das ist im Wesentlichen schon die Antwort auf die jüngste Feuilletondebatte | |
| zur Frage fehlender Literatur zu den aufziehenden Katastrophen wegen | |
| menschlicher Ignoranz gegenüber der Erderhitzung. Genau genommen waren es | |
| nur eine Handvoll Texte, eine vehemente Forderung des führenden | |
| Politikjournalisten Bernd Ulrich (Die Zeit), ein paar Absagen aus | |
| Großfeuilletons, eine davon aus seinem eigenen. Die Absagen waren | |
| saftig-routiniert, aber klangen auch ein bisschen, als handele es sich hier | |
| um das Ansinnen einer nun wirklich skurrilen Minderheit. | |
| Die Überlegenheitsgeste der Ablehnung wie auch die Begrenztheit der Debatte | |
| sind bezeichnend dafür, dass der Klimawandel zwar [2][das zentrale | |
| Menschheitsproblem] sein mag, aber eben nicht Teil der eingeübten Kultur | |
| und der Alltagsproduktion menschlich-kultureller Gefühle und damit auch | |
| Texte. | |
| Die entscheidende Frage ist daher nicht, warum Literaten und Feuilletons | |
| keine Klimaromane und Klimakulturdebatten produzieren – sondern erst | |
| einmal, warum sie es nicht können. Sie können es vor allem nicht, weil sie | |
| die Geschichte nicht sehen und nicht spüren, zumindest nicht in der | |
| Verknüpfung mit dem eigenen Leben. | |
| Es gibt junge Frauen, die die Klimakrise seelisch und körperlich brutal | |
| leiden lässt. Für die Mehrheit ist ein Obdachloser in der U-Bahn ohne Maske | |
| oder ein N-Wort in einem Facebook-Post oder eine bedrohte Currywurst etwas, | |
| das sie emotional aufwühlt und kulturell, medial oder politisch produktiv | |
| macht. Bitte: Ich kritisiere das nicht, ich analysiere. | |
| ## Korrekt und klimaneutral | |
| Es ist evident, dass die Idee der Kulturproduktion zur Förderung des real | |
| existierenden Sozialismus scheiße war. Das Missverständnis besteht darin, | |
| auch die Klimakrise in ein ideologisches oder aktivistisches Lager-Framing | |
| einzusortieren. Die Literatur soll eben nicht zur Predigt werden, korrekt | |
| und „klimaneutral“, wie der SZ-Feuilletonist Hilmar Klute höhnte. | |
| Andersherum: Literatur müsste ihre Klimaneutralität aufgeben können, um auf | |
| das Klima, hier: die Kultur unserer Gesellschaft, einzuwirken, sodass wir | |
| in der Irritation durch diese Kunst und Literatur vorankommen. | |
| Im Moment sieht es nicht danach aus. Aber große Kunst, große Literatur, | |
| entsteht zwar aus dem Geist einer Zeit heraus, aber sie ist eben auch die | |
| Sache besonderer Menschen, die sich an ihrer Zeit reiben, sich mit dem | |
| Status quo des kulturellen Leckt-mich-am-Arsch nicht abfinden können und | |
| vor der ästhetisch-handwerklichen Schwere der Aufgabe nicht von vorneherein | |
| kapitulieren. | |
| Und deshalb werden Klimaromane kommen. | |
| 8 Nov 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Peter Unfried | |
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