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# taz.de -- horrorkino zu halloween: Wer killt bis zuletzt?
> Das Final Girls Berlin Film Festival im City Kino Wedding lässt die
> Killer:innen los. Auch auf das eigene Selbst.
Bild: Aquarium ihrer Selbst: Szene aus „Dark Water“ (R.: Erin Coates und An…
Die Regeln im klassischen Teenie-Horror sind bekannt: die Frau, die im
Slasher-Film als erstes Sex hat, muss auch als erstes dran glauben. Der Typ
mit der komischen Maske wird sie sich holen. Und es ist eigentlich immer
ein Typ in dieser Art von Filmen, der alle terrorisiert, vor dem sich jeder
und vor allem jede fürchtet, der die totale Macht ausübt. Der Horrorfilm
ist voll mit solchen Formeln und schablonenhaften Klischees. Zig
postmoderne Streifen des Genres haben diese sogar bereits auf einer
Metaebene dekonstruiert, man denke nur an die berühmte “Scream“-Reihe von
Wes Craven.
Panische Mädchen, die rumschreien, sobald sich ihnen jemand mit dem
Metzgermesser, der Kettensäge oder auch nur mit einer Blume in der Hand
nähert, muss man beim Final Girls Berlin Film Festival nicht befürchten.
Hier gibt es keine genretypischen Gender-Stereotype und vor allem dürfen
Frauen auch mal das Gegenteil sein vom ewigen Opfer. Sie können vielmehr
gerne hemmungslos böse agieren und in die Täterrolle schlüpfen. Und wenn
sie doch mal Sex haben, wie eine der beiden WG-Mitbewohnerinnen im Kurzfilm
“The Lovers“, der in der neuen Ausgabe des Festivals gezeigt wird, dann ist
damit nicht ihr eigenes Ende besiegelt, sondern das des Nachbarn.
Vom 29. bis zum 31. Oktober, also passend rund um Halloween, findet nun
schon die zweite Ausgabe des Festivals in diesem Jahr statt. Die erste gab
es im Februar, da aber aufgrund der Pandemielage nur als
Streaming-Veranstaltung. Nun, mit neuem Filmprogramm, kehrt der Horror
zurück ins echte Kino und zwar in das City Kino Wedding, sowie zusätzlich
in den Stream.
Zum Selbstverständnis des Festivals gehört, dass sämtliche gezeigten Filme
von weiblichen Regisseur:innen, Autor:innen oder Produzent:innen
gefertigt wurden. Was bestimmt ein entscheidender Grund dafür ist, dass
auch in deren Filmen meist Frauen in den Hauptrollen zu sehen sind. Das
Festival zeigt Langfilme, seine Spezialität ist aber das kurze Format. Die
Kurzfilme werden zu Themenpaketen geschnürt mit solch verheißenden
Aufhängern wie “Familienhorror“, “queerer Horror“ oder “soziale
Krankheiten“.
## Der wahre Horror kommt von Innen
Horror kann in vielen unterschiedlichen Formen auftreten und in allen
möglichen Varianten inszeniert werden. Beim Final-Girls-Festival fällt auf,
dass meist eher auf den subtilen, den psychologischen Grusel gesetzt wird
und weit und breit kein Axtmörder und nicht einmal eine Axtmörderin zu
sehen ist. Der Horror steckt vielmehr beispielsweise in einem selbst drin,
wie in “Dark Water“, in dem eine Frau erst Haare aus ihrem Mund zieht, dann
irgendwas aus einer sich öffnenden Wunde an ihrer Seite, bevor sich ihre
Wohnung in ein riesiges Aquarium verwandelt. Was man inhaltlich alles nicht
unbedingt verstehen muss, aber das ist bei Kunst eben manchmal so.
Oder es sind die Körpersäfte, die den Horror auslösen, wie in “They
Salivate“, wo erst ein einsames Paar sich küsst. Dann wird die Kussspucke
auf einer Party weiterverteilt und am Ende steht, wie schon in “Dark
Water“, die ganze Wohnung unter Wasser, ohne dass man das hat kommen sehen.
In “Haute Cuisine“ ist es nicht die Spucke, sondern horrorfilmgemäß echtes
Blut, das äußerst kuriose Reaktionen bei anderen auslöst. In dem
französischen Kurzfilm will Marie in einem Sterne-Restaurant Karriere
machen. Ihr direkter Vorgesetzter macht ihr das Leben schwer und der
Restaurantbesitzer lässt nur Kockünste am Rande zur Perfektion gelten.
Marie glaubt schon, dem Druck bei der Arbeit nicht standhalten zu können,
bis sie zufällig entdeckt, dass ihr Blut ein Geschmacksverstärker der
besonderen Sorte ist. Nach Maries Blutgerichten verlangt dann bald jeder
Gast und selbst der Chef ist zufrieden. Jetzt muss Marie es nur noch
schaffen, genug eigenes Blut zu liefern, um die steigende Nachfrage zu
befriedigen. Und leider ist dann bald auch noch dem Chef das ewige Blut von
Marie im Essen zu langweilig. Doch zum Glück erkennt sie, dass ihr Körper
ja noch andere leckere Flüssigkeiten produziert.
Der Horror beim Final Girls-Festival ist, das zeigen die beschriebenen
Filme, oft sehr seltsam und surreal. Dass er auch mal süß und niedlich sein
kann, auch wenn man denkt, das sei ein Widerspruch in sich, zeigt der
zweiminütige Stop-Motion-Kurzfilm “Coming Out“. In diesem macht
Baby-Godzilla ihrem Papa klar, dass er gar kein Junge sein will, sondern
ein Mädchen. Der Alte brüllt darauf schrecklich rum, aber nur, weil er halt
nicht anders kann als überproportionierte Echse.
Denn wider Erwarten geht es völlig in Ordnung für ihn, dass sein Spross
transgender ist. Und als dann mal wieder ein Kampf gegen irgendeines dieser
anderen schrecklichen Ungetüme aus der japanischen Monsterszene ansteht,
hat Baby-Godzilla eine pinke Schleife in den Schuppen stecken. Und der Herr
Papa findet das einfach nur gut.
30 Oct 2021
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
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Kino Berlin
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