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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Unter Dauerspannung
> Das Fantasy Filmfest zeigt ausgewählte Filme mit dynamischer Handlung,
> darunter „Hard Hit“ von Kim Changju und „Pig“ mit Nicolas Cage.
Bild: Bedrohung an Bord: „Hard Hit“ von Kim Changju (Südkorea 2021)
Genrefilme sind schon lange nicht mehr die Schmuddelkinder des Kinos. Der
bizarre Body-Horror von “Titane“ konnte jüngst bei den Filmfestspielen in
Cannes die Goldene Palme gewinnen. Und der Netflix-Hit “Squid Game“ zeigt
eine brutale Fantasy-Dystopie mit allen Mitteln, die Genre von Action,
Gewalt bis zur Erzeugung von Hochspannung zu bieten hat, und wird dennoch
zu Recht auch als kluge Kapitalismus-Allegorie gefeiert.
Das Fantasy Filmfest hat freilich schon immer gewusst, dass Genre mehr
kann, als ein paar Superhelden die Welt retten oder Arnold Schwarzenegger
etwas kaputt machen zu lassen. Und sich seit jeher darum bemüht, Action-,
Horror- und Fantasyfilme abseits des Mainstreams zu präsentieren. Und
nebenbei auch schon asiatisches Kino, als wohl noch niemand daran glaubte,
die wahrscheinlich bald erfolgreichste Netflix-Serie aller Zeiten könnte
einmal aus Südkorea kommen.
Das Versprechen von Genrefilmen ist: hier gibt es keine Langeweile und das
Fortschreiten der Handlung ist extrem dynamisch. Dementsprechend ist der
beim Fantasy Filmfest gezeigte „Hard Hit“ von Kim Changju prototypisch für
diese Definition. Schon nach fünf Minuten ist dieser südkoreanische Film
auf einem Spannungshöhepunkt und lässt danach keine Sekunde mehr auch nur
den kleinsten Durchhänger zu. Der Trick, der angewendet wird, ist simpel
und wurde von dem Action-Reißer “Speed“ geklaut. Achtung, Bombe an Bord,
erfährt der Geschäftsmann Sung-Kyu gleich zu Beginn über einen anonymen
Anrufer.
Und ab sofort ist der Autofahrer den Anweisungen des Unbekannten
ausgeliefert. Besorgt er nicht umgehend jede Menge Kohle oder widersetzt
sich den Forderungen aus der Handyleitung, geht die Bombe hoch. Sung-Kyu
scheint es mit einem skrupellosen Irren zu tun zu haben, er merkt, dass
dieser keinen Spaß macht und seine Kinder, die mit ihm im Auto sitzen,
ernsthaft gefährdet sind. Doch er lernt bei seiner atemlosen Hetzjagd
zunehmend sich selbst neu kennen. Als gescheiterten Familienvater und
Bankmanager ohne Moral. Aus einem Action-Spektakel wird irgendwann ein
moralisches Rührstück und diese Metarmophose wirkt absolut gelungen.
## Anti-Bond und Schweine-Freund
Das [1][Fantasy Filmfest] steigt in diesem Jahr in Berlin vom 17. bis zum
24. Oktober im Kino in der Kulturbrauerei. Und wie jedes Jahr gibt es
wieder so viele interessant klingende Filme, dass man sich für die Woche
eigentlich frei nehmen und mit einer Dauerkarte auf das Festival pilgern
müsste.
Manche der Filme sind dabei vielleicht nicht unverzichtbar. Doch selbst die
als James-Bond-Parodie lesbare Komödie „OSS 117: Alerte rouge en Afrique
noire“ hat trotz des teilweise schon sehr bemüht wirkenden Klamauks ihre
Momente. Der Film ist der dritte Teil einer Filmreihe rund um den von sich
selbst sehr eingenommenen Geheimagenten OSS 117. Dieses Mal muss er Anfang
der Achtziger „irgendwo in Afrika“ einen Fall lösen, besser gesagt: einem
Diktator im Kampf gegen Rebellen beistehen, um so die Interessen der
ehemaligen Kolonialmacht Frankreich zu schützen.
Einen 007 würde der MI6 vielleicht auch mit einem solch zynischen Auftrag
behelligen, James Bond würde sich dann aber sicherlich für den Kampf der
Guten entscheiden. OSS 117 aber hat keinen moralischen Kompass, er
personifiziert ein altes, etwas aus der Mode gekommenes Frankreich, das
einer verlorengegangen Bedeutung hinterhertrauert. Nicht einmal bei den
Frauen zündet sein Charme noch. Und wenn doch, leidet er im Bett unter
Männerproblemen, die James Bond sicherlich niemals haben wird. Kein Wunder,
dass sein junger dynamischer Kollege OSS 1001 besser ankommt beim
weiblichen Geschlecht und kein Wunder auch, dass OSS 117 keinen Finger
rührt, als OSS 1001 in eine wirklich ernste Lage gerät.
Auch so ein Film, der nicht vollends überzeugt, den man aber gerne sieht,
ist “Pig“ von Michael Sarnoski. Was vor allem daran liegt, dass Nicolas
Cage hier in der Hauptrolle zu sehen ist. Und der ist inzwischein einer,
bei dem Fantasy-Filmfest-Fans das Herz aufgeht. Hat sich doch kein anderer
Hollywood-Star aus der ersten Riege in den letzten Jahren so hemmungslos zu
Trash, Fantasy und Horror bekannt wie Cage, der jüngst in
Sci-Fi-Horror-Meisterwerken wie “Mandy“ oder “Die Farbe aus dem All“
glänzte.
In “Pig“ darf er wieder seine neue Lieblingsrolle als manischer
Durchgeknallter spielen. Dieses Mal wird ihm als Rob, der zurückgezogen in
den Wäldern lebt, sein Schwein geklaut, besser gesagt: sein Trüffelschwein.
Und ab da bricht die Hölle los und Rob setzt alles daran, seine Sau
wiederzubekommen. Wer auch immer sich ihm in den Weg stellt, bekommt zu
hören: “Ich will mein Schwein.“ Das ergibt einen soliden Rache-Film. Dieses
Mal nicht, wie in diesem Subgenre üblich, weil die Tochter entführt oder
die Familie ausgelöscht wurde. Sondern weil die Sau weg ist.
16 Oct 2021
## LINKS
[1] https://fantasyfilmfest.com/
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
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Kino Berlin
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