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# taz.de -- Filmtipps für Berlin: Lobby mit Weltblick
> Eine kurdische Polizistin, eine Frau in Werbeprospekten,
> Architektenhäuser und Monologe in der Lobby. Diese Woche gibt's Filme mit
> präzisem Weltblick.
Bild: Ein echter Emigholz: mit schiefer Kamera durch die Altstadt von Tbilissi.…
Um eine eher vage Form der Frauensolidarität ging es der deutschen
Regisseurin Antonia Kilian, als sie vor ein paar Jahren nach Nordsyrien
fuhr, weil sie gehört hatte, dass dort eine weibliche kurdische
Kampfeinheit ihr Dorf von den IS-Terroristen befreit hatte. Wie Kilian in
ihrem Dokumentarfilm „The Other Side of the River“ im (sparsamen)
Off-Kommentar berichtet, hatte sie jedoch keine wirkliche Ahnung, von der
Realität, auf die sie dort treffen würde.
Dabei geht es nicht nur um die Kriegszerstörungen, die überall zu sehen
sind, sondern auch um die haarsträubenden Geschichten, die die
zwanzigjährige Hala von der vormaligen Einnahme ihres Dorfes durch
IS-Kämpfer zu berichten weiß. Nun lässt sich Hala in einem militärischen
Training als Polizistin ausbilden – in Strukturen, die ganz offenbar zur
PKK gehören, auch wenn der Film das nicht explizit anspricht. Gemeinsam mit
einer ihrer Schwestern war Hala von ihrem Elternhaus geflüchtet, als die
jungen Frauen vom Vater zwangsverlobt werden sollten.
Ein selbstbestimmtes Leben ist ihr Ziel, von Männern hat sie angesichts
ihrer Erfahrungen keine hohe Meinung. Emotional komplex ist jedoch vor
allem die familiäre Gemengelage, Halas dringender Wunsch, die übrigen
Schwestern vom Vater wegzuholen, den sie in ihrer Position als Polizistin
schließlich vergessen lässt. „The Other Side of the River“ eröffnet die
Dokumentarsektion des [1][11. Kurdischen Filmfestivals], das sich vom
14.-20.10. in über 40 Dokumentar-, Kurz- und Spielfilmen mit Thematiken
rund um kurdische Kultur, Politik und Lebensrealitäten beschäftigt
(„[2][The Other Side of the River]“ 15.10., 19.30 Uhr, [3][Babylon Mitte]).
Die Architektur gehört zu den wichtigsten Themen des Filmemachers Heinz
Emigholz, seine „Hardcore-Dokumentationen“ (O-Ton Emigholz) über moderne
Architekten und Bauingenieure, die deren Gebäude in starren Einstellungen
in ihrem Ist-Zustand erfassen, nehmen im Rahmen seines Werks einen
umfassenden Zyklus ein. In den vergangenen Jahren hat Emigholz vermehrt
eine Reihe von avantgardistischen Essay-Spielfilmen und – Dokumentationen
gedreht, darunter findet sich Autobiografisches ebenso wie ein Porträt der
Band Kreidler („2+2=22 [The Alphabet]“) bei den Aufnahmen zu einem neuen
Album in Georgien.
## Holzgetäfelte Lobbys, Gelackte Gegenwarten
Das HKW zeigt ab 15.10. unter dem Titel [4][„Counter Gravity – Die Filme
von Heinz Emigholz“] eine Werkschau mit seinen gesammelten Architektur- und
neueren Erzählfilmen, bei den Auftaktveranstaltungen (15.-17.10.) jeweils
mit Podiums- und Publikumsgesprächen mit Emigholz und Kennern seines Werks.
Mit Filmen wie „Schindlers Häuser“ und „Bickels [Socialism]“ ist der e…
Tag dabei den Architekturfilmen gewidmet.
Eine deutsche Premiere gibt es am 16.10. hingegen mit dem Film „The Lobby“:
Emigholz' bevorzugter Darsteller, der Performancekünstler John Erdman,
sitzt darin in verschiedenen holzgetäfelten und marmornen Lobbys in Buenos
Aires und hält einen 70-minütigen sarkastischen und angriffslustigen
Monolog über den Tod, das Kino, Sex, Krieg, Religion, das Universum und
andere Themen, die der Regisseur ansatzweise auch in Spielfilmen wie
„Streetscapes [Dialogue]“ und „Die letzte Stadt“ erkundete.
Die filmischen Mittel entsprechen dabei den Architektur-Essayfilmen:
schnelle Folgen von starren, oftmals leicht verkanteten Einstellungen, mit
denen sich der Film der Hauptfigur und den Räumen annähert ([5][„Schindlers
Häuser“] + „Bickels [Socialism]“ 15.10., 11 Uhr, [6][„Streetscapes
[Dialogue]“] + „Die letzte Stadt“ 16.10., 16 Uhr, „The Lobby“ 16.10.,…
Uhr, [7][„2+2=22 [The Alphabet]“], 17.10., 17 Uhr, [8][HKW]).
Einen typischen Essayfilm von Jean-Luc Godard zeigt das Zeughauskino in
seiner Beethoven-Reihe: Als Collage aus Bild, Musik und Schrifttafeln
erzählt „Une femme marriée“ (1964) am Beispiel einer jungen Frau zwischen
zwei Männern von einer Gegenwart kompletter Oberflächlichkeit. Denn
Charlotte (Macha Méril), die sich nur für die – mit
Beethoven-Streichquartetten unterlegte – Gegenwart interessiert, lebt in
einer Welt, die Godard wie einen großen Reklamespot inszeniert: gelackte
Oberflächen, riesige Plakatwände, Zeitschriften voller Anzeigen für Dessous
und Dialoge wie aus einem Werbeprospekt ([9][„Une femme marriée“], 16.10.,
19.30 Uhr, [10][Zeughauskino]).
14 Oct 2021
## LINKS
[1] https://kurdisches-filmfestival.de/
[2] https://www.youtube.com/watch?v=hjOEaMJ-a74
[3] https://babylonberlin.eu/
[4] https://www.hkw.de/de/programm/projekte/2021/counter_gravity/counter_gravit…
[5] https://www.filmgalerie451.de/de/filme/schindlers-haeuser
[6] https://www.filmgalerie451.de/de/filme/streetscapes-dialogue
[7] https://www.filmgalerie451.de/de/filme/2222-the-alphabet
[8] https://www.hkw.de/de/index.php
[9] https://www.youtube.com/watch?v=Ny9QyWwvyTw
[10] https://www.dhm.de/zeughauskino/
## AUTOREN
Lars Penning
## TAGS
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