# taz.de -- Kinotipps für Berlin: Fremd in Hollywood | |
> Das Festival Film Restored widmet sich Regisseur*innen im Exil. Das | |
> Filmmuseum Potsdam zeigt noch einmal Autumn de Wildes „Emma“ nach Jane | |
> Austen. | |
Bild: „The Killers“ (Robert Siodmak, USA 1946) | |
Die entscheidenden Wendepunkte [1][seines bewegten Lebens] fasste Robert | |
Siodmak einmal in einem Satz zusammen: Er habe, so schrieb der | |
Filmregisseur in seiner Autobiographie, einen Tag nach Hitlers | |
Machtergreifung Deutschland verlassen, sei einen Tag vor Kriegsausbruch | |
nach Amerika gefahren, und habe Hollywood ein Jahr vor der Erfindung von | |
CinemaScope aufgegeben, um nach Europa zurückzukehren. | |
Hitler und CinemaScope im gleichen Atemzug – das entsprach Siodmaks Humor: | |
trocken, sarkastisch, aber frei von Bitterkeit. Mit seiner von mehreren | |
Neuanfängen geprägten Karriere ist Siodmak auch ein idealer Protagonist für | |
[2][die sechste Ausgabe des Festivals] „Film Restored“, das sich diesmal | |
unter dem Titel „Cinematic Migrations“ den Verflechtungen von Flucht, | |
Auswanderung und Filmgeschichte widmet. | |
In seinem Vortrag „Foreigners in Hollywood – Two Moments in Time“ wird der | |
Filmhistoriker Jan-Christopher Horak darlegen, wie die europäischen | |
Emigranten das Hollywood-Kino der 30er- und 40er-Jahre prägten. | |
Als ein Beispiel stellt Horak Siodmaks „The Killers“ vor, entstanden in | |
einer Zeit, als der Regisseur beim Universal-Studio gemeinsam mit dem | |
Kameramann Elwood Bredell, einem Meister des Low-Key-Lichts, in die | |
artifizielle Welt des Film Noir eintauchte, und aus Licht und Schatten die | |
düsteren psychologischen Krimis komponierte, die für das amerikanische Kino | |
jener Zeit so charakteristisch waren. | |
Kaum jemals zuvor war auf der Leinwand ein derartiger Fatalismus zu spüren | |
gewesen wie in der Eingangssequenz von „The Killers“ (1946), in der Burt | |
Lancaster lethargisch im Dunkeln auf seinem Bett liegt und darauf wartet, | |
von zwei Auftragsmördern erschossen zu werden (Arsenal 1, 4. 11., Vortrag | |
Horak um 10 Uhr, „The Killers“ um 17 Uhr). | |
Die wenigen Romane der Schriftstellerin Jane Austen (1775-1817) sind | |
ausgesprochene Klassiker der britischen Literatur und werden | |
dementsprechend immer wieder gern verfilmt. Dabei kreisen Austens | |
literarische Texte um nur ein einziges Thema: die Heirat, mit der sich die | |
jungen Damen des niederen Landadels und des Bürgertums seinerzeit ihre | |
materielle Versorgung sicherten. | |
Das spiegelte die Realität recht gut wider: Anfang des 19. Jahrhunderts gab | |
es für Frauen nicht allzu viele Möglichkeiten, sich selbstständig und | |
selbstbestimmt ein eigenes Leben aufzubauen. „Emma“, 2020 [3][von der | |
Regisseurin Autumn de Wilde neu verfilmt], gehört zu Austens Spätwerken und | |
besitzt mit der gleichnamigen Hauptfigur erstmals eine Heldin, die es | |
selbst gar nicht nötig hat zu heiraten. | |
Die 21-jährige Emma Woodhouse (Anna Joy-Taylor) bewohnt mit ihrem Vater | |
(Bill Nighy) einen Landsitz in einem kleinen Dorf südwestlich von London | |
und verfügt über genügend finanzielle Mittel, um unabhängig zu sein. | |
Allerdings bildet sich die vollkommen unerfahrene junge Frau ein, eine gute | |
Ratgeberin in Heiratsfragen zu sein. | |
Dass sie dabei in allen Fällen ihres Umfelds katastrophal falsch liegt und | |
sich in ihren Ratschlägen von den Vorurteilen und der Überheblichkeit des | |
eigenen Standes hat leiten lassen, erkennt sie erst spät. Das alles ist | |
recht vergnüglich: Dem Film gelingt es, die Ironie der Romanvorlage in eine | |
vergnügliche und gar nicht gestrige Gesellschaftssatire mit ziemlich | |
bissigen Dialogen zu übersetzen (OmU, 5., 7. & 9. 11., 17 Uhr, 6. 11., | |
21.30 Uhr, [4][Filmmuseum Potsdam]). | |
Dass mir der Fußballtrainer Otto Rehagel am Herzen liegt, hängt eigentlich | |
mit seinen großen Erfolgen mit der Mannschaft von Werder Bremen zusammen, | |
als man zweimal die Meisterschaft, zweimal den DFB-Pokal und einmal den | |
Europokal der Pokalsieger gewann. | |
Im Dokumentarfilm „König Otto“ des amerikanischen Regisseurs Christopher | |
André Marks geht es allerdings um die Spätphase des Fußballlehrers aus | |
Essen: Der übernahm 2001 die bis dato komplett erfolglose griechische | |
Nationalmannschaft als Trainer und errang mit dem krassen Außenseiter bei | |
der EM 2004 in Portugal den Titel. | |
Der Film zeigt, dass hinter dem Erfolg auch eine schöne Annäherung | |
unvereinbar scheinender Systeme steckte: Rehhagels deutsche Disziplin und | |
die schließlich entfachte Leidenschaft der griechischen Spieler kamen | |
kongenial zusammen. Es entstanden Freundschaften und viel Respekt (10. 11., | |
20.15 Uhr, [5][Cubix am Alexanderplatz]). | |
4 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Passagier-zwischen-den-Welten/!369932/ | |
[2] https://www.deutsche-kinemathek.de/de/besuch/festivals-symposien/film-resto… | |
[3] https://www.filmmuseum-potsdam.de/index.php?id=8a3d834cdb8b15f74571001d907f… | |
[4] https://www.filmmuseum-potsdam.de/index.php?id=8a3d834cdb8b15f74571001d907f… | |
[5] https://www.cinestar.de/kino-berlin-cubix-am-alexanderplatz | |
## AUTOREN | |
Lars Penning | |
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