# taz.de -- G20-Sondergipfel zu Afghanistan: Afghanen helfen, nicht den Taliban | |
> Die G20-Staaten beraten erstmals über die schwierige Lage in Afghanistan | |
> nach der Machtübernahme der Islamisten. Die EU will mit einer Milliarde | |
> Euro helfen. | |
Bild: Virtuelle Gespräche: Die G20-Staaten sprechen über die Zukunft Afghanis… | |
Berlin taz Die EU hat eine Milliarde Euro an Hilfe für die Menschen in | |
Afghanistan angekündigt. Das solle „einen größeren humanitären und | |
sozioökonomischen Zusammenbruch“ abwenden“, erklärte Kommissionschefin | |
Ursula von der Leyen am Dienstag laut AFP beim virtuellen G20-Sondergipfel | |
zur humanitären Lage und der Bekämpfung extremistischer Gewalt in | |
Afghanistan. | |
Die Gelder ergänzen 300 Millionen Euro, welche die EU schon zuvor zugesagt | |
hatte. Davon sollten 250 Millionen direkt ins Land fließen, der Rest an | |
Nachbarländer, die vor den Taliban Flüchtende aufnehmen. „Das afghanische | |
Volk darf nicht den Preis für die Taten der Taliban zahlen. Deshalb richtet | |
sich das Unterstützungspaket an die afghanische Bevölkerung und die | |
Nachbarn des Landes, die ihnen als erste geholfen haben“, erklärte sie beim | |
Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer. | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte Hilfen für Afghanistan in Berlin | |
mit den Worten: „Wir alle haben nichts davon, wenn in Afghanistan das | |
gesamte Finanzsystem zusammenbricht.“ Deutschland werde dem Land und seinen | |
Nachbarn mit 600 Millionen Euro noch in diesem Jahr helfen. Die Hilfe | |
„vereinfacht die Frage der Migration,“ sagte sie. Mit anderen Worten: Die | |
Hilfe soll verhindern, dass sich Afghanen auf den Weg nach Europa machen. | |
Merkel sagte, das Thema einer Anerkennung der Taliban-Regierung stehe nicht | |
auf der Tagesordnung. Dennoch müsse es Gespräche mit den Taliban geben. | |
## Afghanistan droht humanitäre Katastrophe | |
Seit Wochen warnen die UN vor einem Zusammenbruch der afghanischen | |
Wirtschaft und des dortigen Gesundheitssystems und damit vor einer | |
humanitären Katastrophe am Hindukusch. Eine schwere Dürre in Verbindung mit | |
den Folgen des Machtwechsels inklusive des Stopps westlicher Hilfen für das | |
stark von Hilfe abhängige Land und der Blockade seiner Auslandskonten haben | |
zum Zusammenbruch des Finanzsystems geführt. Ohne schnelle Hilfen droht | |
große Hungersnot. | |
Direkt vor dem Sondergipfel hatte UN-Generalsekretär António Guterres | |
erneut für massive Hilfen geworben, den Taliban aber auch vorgeworfen, ihre | |
Versprechen im Hinblick auf die Inklusivität ihrer Regierung wie [1][die | |
Rechte von Frauen gebrochen] zu haben. | |
Italiens Ministerpräsident Mario Draghi hatte die Vertreter der G20 am | |
Dienstagnachmittag zu diesem virtuellen Sondergipfel geladen. Es ging | |
darum, den Menschen zu helfen, ohne damit das Taliban-Regime aufzuwerten | |
oder gar anzuerkennen. Zugleich sollten die neuen Herrscher gedrängt | |
werden, die Rechte von Frauen und Minderheiten zu achten und zu verhindern, | |
dass Terrorgruppen am Hindukusch ein Machtvakuum ausnutzen können. | |
Die Taliban drängen ihrerseits auf die [2][diplomatische Anerkennung] ihres | |
Regimes sowie den Zugang zu 9 Milliarden US-Dollar des von den USA | |
blockierten afghanischen Auslandsvermögens bei US-Banken. | |
## Streit um afghanische Auslandsguthaben | |
Dessen Freigabe fordern auch die G20-Staaten China und Russland. Deren | |
Staatschefs ließen sich jetzt beim Gipfel vertreten. Moskau lädt selbst für | |
den 20. Oktober zu einem eigenen Afghanistan-Treffen, zu dem anders als bei | |
dem jetzigen G20-Treffen auch die Taliban eingeladen sind sowie die | |
Nachbarstaaten Pakistan, Iran, China und Indien. Moskau und Peking wollen | |
die Niederlage der westlichen Intervention in Afghanistan für ihre | |
strategischen Ziele nutzen. | |
Der Außenminister des Taliban-Regime, Amir Chan Muttaki, hatte gerade in | |
Doha, der Haupstadt Katars, am Sonntag mit einer US-Delegation verhandelt, | |
am Montag mit Vertretern Deutschlands und am Dienstag mit EU-Delegierten. | |
Bei den von allen Seiten als „professionell“ bezeichneten Gesprächen ging | |
es um Ausreisen westlicher Staatsbürger, von [3][einheimischen Ortskräften] | |
und afghanischen Demokratie- und [4][Menschenrechtsaktivist*innen]. | |
Die westlichen Vertreter drängten zugleich auf den Schutz der Rechte von | |
Frauen durch die Taliban, bekamen hier aber keine verbindlichen Zusagen, | |
wie auf das Bekenntnis zur Bekämpfung des Terrorismus. | |
Zugleich gab es auch gegenüber den Taliban bisher kein Entgegenkommen. | |
Washington blockiert weiter die afghanischen Auslandsguthaben. Zudem sollen | |
die jetzt zugesagte Hilfen nicht an das Taliban-Regime gezahlt werden, | |
sondern an einen Treuhandfonds. Das hatte auch UN-Generalsekretär Gutteres | |
vorgeschlagen. | |
12 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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