# taz.de -- Aktivist über Hamburger Gedenkpolitik: „Profit ist oft wichtiger… | |
> Die Stadt Hamburg überlässt die Gestaltung von Gedenkorten in lukrativen | |
> Innenstadt-Immobilien gern Investoren. Ulrich Hentschel will das ändern. | |
Bild: Symbol missglückten Gedenkens: Hamburger Stadthaus, in der NS-Zeit Gesta… | |
taz: Herr Hentschel, Sie werden über „Profit versus Gedenken“ diskutieren. | |
Aber könnte der Profit das Gedenken nicht finanzieren? | |
Ulrich Hentschel: Wir machen die Erfahrung, dass Profitinteressen das | |
Gedenken marginalisieren. Es zeigt sich, dass die Privatisierung der | |
Erinnerung an die Nazi-Verbrechen der falsche Weg ist. | |
Sie schreiben, in Hamburg etabliere sich eine Praxis der | |
erinnerungspolitischen Entwürdigung. Sie meinen den Hannoverschen Bahnhof? | |
Zum Beispiel. An diesem einstigen [1][Deportationsbahnhof] soll ein | |
Dokumentationsort entstehen – in einem neuen Gebäude, in das als | |
Hauptmieter [2][Wintershall] einziehen wird. Wintershall war dem NS-Regime | |
eng verbunden, und diese Nähe ist vor allem für die Opferverbände eine | |
Zumutung. | |
Auch beim [3][Stadthaus], der Ex-Gestapo-Zentrale, hatte die Stadt den | |
Investor verpflichtet, einen Gedenkort einzurichten. | |
Ja, auf 750 Quadratmetern. Stattdessen gibt es eine 50 Quadratmeter kleine | |
Gedenk-Ecke in einer Buchhandlung mit Café – einem privaten Unternehmen. | |
Und der Kultursenator akzeptiert, dass das ein angemessener | |
Dokumentationsort für NS-Verbrechen sei. | |
Warum schließt die Stadt für solche Orte oft unzulängliche Verträge? | |
Ich glaube nicht, dass das so abgesprochen ist. Aber es gibt die | |
Beobachtung, dass man in die Verträge zwar ab und zu das Gedenken | |
hineinschreibt, diese Verträge dann aber zu Ungunsten des Gedenkens | |
ausgelegt werden. Dahinter steckt vielleicht halb bewusst das Bedürfnis, | |
das Stadtzentrum, wo die erwähnten Orte liegen, rein zu halten von | |
verstörenden Erinnerungen. | |
Das klingt nun doch nach Verschwörungsmythos. | |
Nein, es ist vielmehr der Versuch, Erkenntnis zu gewinnen, wenn wir als | |
erinnerungspolitische Bewegung keine Niederlagen erleiden wollen. Das ist | |
eine bleibende Aufgabe, denn der Wunsch nach einem „glatten“ und schönen | |
Stadtzentrum wird vermutlich von der Mehrheit der Bevölkerung getragen. | |
Vermuten Sie, dass die Stadt die erinnerungspolitischen Initiativen gezielt | |
spaltet? | |
Nein. Ich sehe einfach nur eine hartleibige Ignoranz. Aber auch wenn die | |
Gedenkinitiativen zu Gesprächen eingeladen werden, bleiben sie in den | |
Entscheidungen unberücksichtigt. | |
28 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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