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# taz.de -- Ermittlungen gegen Chiles Präsidenten: Pandora Papers fachen Prote…
> Zwei Jahre ist der Beginn der Massenproteste in Chile her – viele
> Forderungen sind bis heute aktuell. Präsident Piñera droht nun eine
> Verfassungsklage.
Bild: Santiago de Chile am Montagabend: Am Rande der Proteste kam es zu Plünde…
Santiago de Chile taz | „Adiós Sebastián“, steht auf Schildern der
Demonstrant*innen, die am Montag zu Tausenden in Santiago de Chile und
anderen Städten des Landes protestieren. Auf der Plaza Italia, welche die
Demonstrant*innen „Plaza Dignidad“ (Platz der Würde) nennen, hat eine
Musikgruppe das Lied „Bella Ciao“ zu „Piñera Ciao“ umgedichtet.
Der [1][Protest] richtet sich aber nicht nur gegen den konservativen
Präsidenten Sebastián Piñera, sondern ähnelt auch einem Fest zum zweiten
Jahrestag der sozialen Revolte vom 18. Oktober 2019.
Die Massenproteste erreichten die [2][Einberufung einer verfassunggebenden
Versammlung], um das alte Grundgesetz aus der Diktaturzeit zu ersetzen.
Aber die Regierung von Piñera, einem der unbeliebtesten Regierungschefs
Lateinamerikas, hält sich noch im Amt. Ändern soll das eine
Verfassungsklage gegen ihn, die Oppositionspolitiker*innen vor
kurzem eingereicht haben.
Der Auslöser: Piñeras Name tauchte kürzlich in den [3][Pandora Papers] auf,
einem Datenleak, mit dem investigative Journalist*innen geheime
Geschäfte von Politiker*innen, Milliardär*innen und Prominenten in
Steueroasen aufgedeckt haben.
## Interessenskonflikt bei Bergbauprojekt
Es geht um das umstrittene Bergbauprojekt Dominga. Zu Beginn seiner ersten
Amtszeit 2010 war Piñera Hauptaktionär des Projekts. Im Dezember 2010
verkaufte er seine Aktien an seinen Schulfreund Carlos Alberto Délano für
152 Millionen US-Dollar. Ein Teil dieser Transaktion fand in den britischen
Virgin Islands statt, einer Steueroase in der Karibik.
Der Betrag wurde in drei Raten bezahlt. Bei ihren Pandora-Recherchen
deckten chilenische Journalist*innen auf, dass die letzte Ratenzahlung
an eine Bedingung geknüpft war: dass keine Umweltauflagen die Durchführung
des Projekts behindern sollten – ein Interessenkonflikt für den
Präsidenten.
Umweltorganisationen fordern seit 2004, die Küstenregion um die Gemeinde La
Higuera, in der das Eisen- und Kupferbergwerk entstehen soll, zum
Naturschutzgebiet zu erklären. Denn dort ist einer der wichtigsten
Biodiversitäts-Hotspots der Welt: Wale, Delfine und Pinguine sind dort zu
Hause.
Piñera hat das Dekret für die Errichtung des Naturschutzgebiets nie
unterzeichnet, sein Schulfreund zahlte die letzte Rate und im August dieses
Jahres gab die staatliche Umweltbehörde grünes Licht für das
Bergbauprojekt. Der Präsident bestreitet die Vorwürfe – er habe vom Verkauf
seiner Aktien nichts gewusst.
## Stimmen der Regierung nötig
Die chilenische Staatsanwaltschaft hat inzwischen Ermittlungen wegen des
Verdachts auf Bestechung, Korruption und Steuerhinterziehung gegen Piñera
eingeleitet. Die Verfassungsklage, die ihn seines Amtes entheben könnte,
muss aber noch von beiden Kammern des Parlaments gebilligt werden, im Senat
sogar mit einer Zweidrittelmehrheit, was Stimmen aus der
Regierungskoalition voraussetzt.
Piñeras nur noch wenige in seiner rechten Regierungskoalition Chile Vamos
verbleibenden Unterstützer kritisieren, dass die Verfassungsklage die
politische Stabilität des Landes gefährde. Der Oppositionsabgeordnete Tomás
Hirsch argumentiert hingegen: „Die größte Instabilität verursacht der
Präsident, der seine eigenen Geschäfte begünstigt und außerhalb der
Verfassung und der Gesetze handelt.“
Piñera ist laut dem Forbes-Magazin mit einem geschätzten Vermögen von 2,7
Milliarden Dollar einer der fünf reichsten Chilen*innen und einer der
reichsten aktiven Politiker*innen der Welt. Er wurde mit der
Vermarktung von Kreditkarten reich. Zwischenzeitlich besaß er auch eine
Fluggesellschaft, einen Fernsehsender und einen Fußballverein.
Es ist bereits das zweite Mal, dass Piñera eine Verfassungsklage
bevorsteht. Die erste reichte die Opposition im November 2019 ein, um ihn
für die Menschenrechtsverletzungen bei den Massenprotesten zur
Verantwortung zu ziehen. Die Klage scheiterte an fehlenden Stimmen aus den
Regierungsparteien.
## Geringe Zustimmung für Piñera
Die Proteste im Rahmen der sozialen Revolte 2019 und 2020 waren die größten
der letzten 30 Jahre. Mehr als 30 Menschen kamen ums Leben, Hunderte
erlitten Augenverletzungen durch Schrotschüsse der Polizei, Zehntausende
wurden verletzt.
Piñera regiert seit zwei Jahren mit extrem niedrigen Zustimmungswerten von
um die 15 Prozent. Kein anderer Präsident Chiles war seit der Rückkehr zur
Demokratie 1990 in der Bevölkerung so unbeliebt.
Auch wenn ihm nur noch wenige Monate im Amt verbleiben – im November sind
Präsidentschaftswahlen und im März steht der Amtswechsel an –, erhoffen
sich viele durch die Verfassungsklage etwas Gerechtigkeit.
19 Oct 2021
## LINKS
[1] /Kampf-um-soziale-Gerechtigkeit-in-Chile/!5808514
[2] /Neue-Verfassung-fuer-Chile/!5780433
[3] /Pandora-Papers-zu-Offshore-Geschaeften/!5805273
## AUTOREN
Sophia Boddenberg
## TAGS
Chile
Massenproteste
Sebastián Piñera
Verfassungsreform
Schwerpunkt Korruption
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Schwerpunkt Abtreibung
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