# taz.de -- Streik in Kieler Krankenhaus: Mit zehn Euro abgespeist | |
> Die Servicekräfte des Städtischen Krankenhauses Kiel wollen endlich nach | |
> Tarif bezahlt werden. Das führt zu Streit zwischen Verwaltung und | |
> Stadtrat. | |
Bild: Oft schlecht bezahlt: eine Reinigungskraft in einem Krankenhaus | |
NEUMÜNSTER taz | Sie schieben die Kranken im Bett vom Zimmer in den OP, | |
schrubben die Flure und servieren das Mittagessen. Für diese Arbeit | |
verlangen die Servicekräfte des Städtischen Krankenhauses Kiel (SKK) mehr | |
Lohn. Der Tarifstreit hat sich zu einem Konflikt zwischen Stadtrat und | |
Stadtverwaltung der Landeshauptstadt ausgeweitet: Mehrere Ratsfraktionen | |
werfen dem zuständigen Stadtrat Gerwin Stöcken (SPD) vor, Beschlüsse | |
nicht umzusetzen. Auch von den Gewerkschaften hagelt es harsche Kritik. | |
Nun traten die Beschäftigten der „Service GmbH“ des Kieler Krankenhauses in | |
den Warnstreik. Seit Jahren kämpfen sie darum, dass ihre Löhne an den | |
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) angepasst werden. | |
Die Ratsversammlung steht dabei auf ihrer Seite: Zuletzt stimmte das | |
Stadtparlament im Mai 2020 mit breiter Mehrheit für einen entsprechenden | |
Antrag der Minderheitenpartei SSW. Die Verwaltung solle, so beschloss es | |
der Rat mit den Stimmen von unter anderem SPD, Grünen und Linken, einen | |
Plan vorlegen, um die Servicekräfte, die 2004 durch die Gründung der | |
Service GmbH als Tochterbetrieb des städtischen Krankenhauses ausgelagert | |
wurden, wieder ins Krankenhaus einzugliedern. Im damaligen Ratsbeschluss | |
heißt es, die Eingliederung solle „möglichst schnell, gegebenenfalls auch | |
schrittweise erfolgen“. Bis Mitte 2021 solle die Verwaltung dazu einen Plan | |
vorlegen, der „zuverlässig zu einer Eingliederung der SKK Service GmbH in | |
das Städtische Krankenhaus führt“. Damit würden die rund 200 Beschäftigen | |
unter den Tarif fallen. | |
Diese Frist hat die Stadt als Arbeitgeberin nicht eingehalten. In einem | |
mehrseitigen Papier erklärt Gesundheits-Stadtrat Gerwin Stöcken die | |
Verzögerung mit den laufenden Tarifverhandlungen. Zu dem Wunsch, die Löhne | |
der Betroffenen – aktuell erhielten viele der Servicekräfte rund zehn Euro | |
Stundenlohn, sagt Frank Hornschu vom DGB in Kiel – anzuheben, heißt es in | |
dem Text: „Eine Verbesserung ist anzustreben, muss aber mit Maß und Mitte | |
betrieben werden.“ Würde die Service GmbH in den Tarif übernommen werden, | |
müsse die Stadt einen Mehraufwand von rund 2,5 Millionen Euro tragen. | |
## Eine Stellungnahme der Stadt gab es nicht | |
Protest kommt von allen Ratsfraktionen, die fordern, die Verwaltung solle | |
die Beschlüsse umsetzen: „Wir wollen nicht nur darüber reden, was alles | |
nicht geht“, so Matthias Treu (SPD). Der Linken-Fraktionschef Stefan Rudau | |
erwartet „zur kommenden Sitzung der Ratsversammlung endlich den | |
überfälligen Plan mit klarer Zeitschiene“, und die | |
Grüne-Fraktionsvorsitzende Jessica Kordouni macht „die grüne Unterstützung | |
für faire Löhne deutlich“. Sie hat aber auch Verständnis für die Lage der | |
Stadt: „Wir brauchen dringend eine bessere Krankenhaus-Finanzierung.“ Hier | |
sei die neue Bundesregierung gefordert. | |
Das sieht auch der Gewerkschafter Frank Hornschu so. Er hatte Gerwin | |
Stöcken vorgeworfen, sein Text sei in mehreren Punkten „unrichtig“ und | |
unterstellte der Stadt, sie wolle „offenbar die Sozialpartnerschaft | |
verlassen“. Unter anderem stört ihn, dass das Rathaus niemals den Kontakt | |
mit Betriebsrat oder Gewerkschaften gesucht habe. Auch zur Ratsversammlung, | |
die sich in der kommenden Woche mit dem Thema befasst, wurde zwar der | |
Geschäftsführer der Klinik, aber nicht der Betriebsrat eingeladen. „Die | |
Beschäftigten sind stinksauer.“ Aber er habe sich mit Oberbürgermeister Ulf | |
Kämpfer (SPD) bereits wieder vertragen sagte Hornschu der taz: „Wir haben | |
uns am Sonntag zufällig getroffen und einiges besprochen.“ | |
Weil es nicht ganz einfach sei, den Betrieb einzugliedern, schlägt der | |
Gewerkschafter einen Übergang zum Anfang 2023 vor, kombiniert mit einer | |
raschen Erhöhung des Stundenlohns. Die finanzielle Belastung für die Stadt | |
sei bei diesem Modell nicht so schwer wie dargestellt, sie betrage maximal | |
1,3 Millionen Euro. Eine Stellungnahme der Stadt gab es dazu am Dienstag | |
nicht. | |
Das Geld, das eine Klinik für eine Behandlung erhält, berechnet sich aus | |
einem pauschalen Durchschnittspreis für die jeweilige Diagnose mal einem | |
Wert, der in jedem Bundesland anders ist. Schleswig-Holstein hat einen | |
unterdurchschnittlich niedrigen Wert, der erst in den vergangenen Jahren | |
ein wenig gestiegen ist. Landesgesundheitsminister Heiner Garg (FDP) setzt | |
sich auf Bundesebene für eine Reform ein und erhält Unterstützung unter | |
anderem von der Ärztekammer. | |
20 Oct 2021 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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