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# taz.de -- Andrea Ypsilanti über Linksbündnisse: „Die SPD hat Angst gehabt…
> Andrea Ypsilanti arbeitet seit Jahren für Rot-Rot-Grün. Auch nach der
> Bundestagswahl hält die SPD-Politikerin die Debatte um linke Mehrheiten
> für notwendig.
Bild: „Es braucht es weiter die Debatte um linke Mehrheiten in der Gesellscha…
taz: Frau Ypsilanti, die Linkspartei musste [1][bei der Bundestagswahl
empfindliche Verluste] hinnehmen. Für die von Ihnen favorisierte „linke
Reformbewegung“ gibt es keine Mehrheit. Hat sich das Thema Rot-Rot-Grün nun
erledigt?
Andrea Ypsilanti: Nein, überhaupt nicht. Man darf Rot-Rot-Grün nicht nur
als Parteienkonstellation sehen, sondern auch die gesellschaftlichen
Inhalte, die dahinterstehen. Egal, welche Koalition jetzt kommt – es sieht
ja nach Ampel aus. Die harten Themen Klimawandel und Umverteilung werden
damit nicht gelöst werden. Deshalb braucht es weiter die Debatte um linke
Mehrheiten in der Gesellschaft.
Aber auch vor der Wahl schien das Interesse gerade bei Ihrer Partei, der
SPD, und den Grünen an einer Zusammenarbeit gering zu sein. Annalena
Baerbock sprach der Linkspartei die Regierungsfähigkeit ab.
Die Linksrutsch-Debatte hat erneut funktioniert. Es ist gelungen, die
Verunsicherung der Menschen, „was heißt sozial-ökologischer Umbau für mich
im Alltag“, in eine Verbotsdebatte umzuwandeln, die medial befeuert wurde.
Es ist richtig: Dafür wird es in den kommenden vier Jahren keine Mehrheit
geben. Aber man kann ja nicht die Hände in den Schoß legen.
Aber diese Gegenkampagne kam ja nicht nur aus der Presse, Kritik gab es
auch aus der Führungsriege Ihrer Partei. Woher kommt die Abneigung
innerhalb der SPD gegen die Linke?
Die Linkspartei hat einfach eine schlechte Performance hingelegt in den
vergangenen Jahren. Sie hat innerparteilich große Schwierigkeiten. Man
nimmt ihr nicht ab, dass sie regierungsfähig ist in diesem Zustand. Viele
Linke-Wähler sind bei dieser Wahl zurück zur SPD gewandert, weil es ihnen
nicht gelungen ist, diese Menschen an sich zu binden.
Also ist die Linkspartei das Problem?
Nein, es ist ein Zusammenspiel vieler Gründe. Die innerparteilichen
Verhältnisse der Linkspartei, die mediale Aufladung des „Linksrutsches“ und
die Ängstlichkeit der Menschen vor einer grundlegenden Veränderung.
2008 haben Sie nach der Landtagswahl versucht, in Hessen eine
Zusammenarbeit mit der Linken anzustoßen. Der Versuch endete in Ihrem
Rücktritt. Damals argumentierten innerparteiliche Gegner mit der Rolle der
Linkspartei als SED-Nachfolgerin und warnten vor Kommunisten in der
Regierung. Die aktuelle Kritik bezieht sich eher auf die Opposition der
Linken gegen die Nato und die EU. Hat die Rote-Socken-Kampagne eine
Evolution durchgemacht?
Das ist 13 Jahre her, damals war es ein absolutes Tabu, irgendetwas mit den
Linken zu machen. Vieles von dem, was wir damals politisch wollten, neue
Energiepolitik, Solidarische Bürgerversicherung und soziale
Gerechtigkeitspolitik, ist heute noch aktuell. In Berlin regieren wir mit
der Linken, in Thüringen auch. Es gibt mittlerweile einen
Parteitagsbeschluss, der das auch formal ermöglicht.
Aber warum dann die ständigen Angriffe von SPD und Grünen auf die
Linkspartei?
Jede Partei will dafür sorgen, dass sie die meisten Stimmen hat, deshalb
grenzt man sich von der Konkurrenzpartei ab. Was ich fatal finde, ist, dass
die politischen Inhalte dabei keine Rolle spielen. Es ist doch klar, dass
mit einer rot-rot-grünen Regierung mehr von dem umgesetzt werden kann, was
die drei progressiven Parteien wollen. Diese Abgrenzung ist unklug.
Könnte man daraus nicht schließen, dass der SPD die sozialen Anliegen gar
nicht so wichtig sind? Sonst hätte man doch einen rot-rot-grünen
Lagerwahlkampf führen können.
Die SPD hat Angst gehabt, eine Wählerschaft in der sogenannten Mitte zu
verlieren. Ein Stück weit hat das ja auch funktioniert, diese nicht mit
einem Lagerwahlkampf zu verprellen. Wegen Laschets Versagen sind viele
Union-Wähler zur SPD gegangen. Ich würde meiner Partei auch nicht
unterstellen, dass sie ihr Programm nicht ernst nimmt, aber es ist doch
klar, dass mit der FDP viele Themen, die die SPD setzen will, nicht zu
verwirklichen sind.
Wie kann man denn die Unterschiede zwischen den drei Parteien überbrücken?
Gerade bei den umstrittenen Themen wie dem Militärbündnis Nato oder der EU?
Sie können nicht von mir erwarten, dass ich darauf eine endgültige Antwort
habe. Man sollte in Prozessen denken. Die sind in den letzten Jahren in
Gang gekommen, aber bei Weitem nicht abgeschlossen. Die Parteimitglieder,
die sich für ein progressives Bündnis engagieren, müssen gestärkt werden,
gemeinsam Diskussionen führen und mit Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und
Bewegungen in Kontakt kommen, um in der Breite des gesellschaftlichen
Diskurses gemeinsam Lösungen zu finden.
Klingt ziemlich langwierig …
Ja, aber je länger der Prozess aufgeschoben wird, desto schwieriger wird’s
– vor allem beim Klimawandel. Brennende Landstriche, Überflutungen. Das
wird ja alles weitergehen. Wir beim Institut Solidarische Moderne
versuchen, diesen Prozess zu organisieren.
Haben Sie Hoffnungen, dass für wichtige Fragen gute Lösungen gefunden
werden könnten innerhalb einer möglichen rot-grün-gelben Ampelkoalition?
Ich habe keine Fantasie, wie man sich mit der FDP bei der Steuer- und
Umverteilungspolitik einigen kann, die die Grundlage für alles andere ist.
Die Ampel wird die beste aller schlechten Möglichkeiten sein. Ich wünsche
mir, dass im Klimabereich und in der Sozialpolitik ein paar Projekte
angestoßen werden, die eine Aussicht auf eine Transformation wenigstens
eröffnen. Das wird sehr schwierig. Aber ich kann mir gerade keine
Alternative vorstellen, die nicht noch schwieriger wäre.
4 Oct 2021
## LINKS
[1] /Absturz-der-Linkspartei/!5800464
## AUTOREN
Jörg Wimalasena
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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