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# taz.de -- Die Wahrheit: Wer fährt schon gern Dreirad?
> Das Lastenrad ist der SUV der Zukunft. Sagt jedenfalls die Branche, die
> es am besten wissen muss. Eindrücke von einer Messe nächst München.
Bild: Der Hamburger Weg führt bekanntlich ins Unterhaus
Das Lastenfahrrad – von einer künftigen Bundesregierung womöglich bald
unter unmenschlichem Aufwand mit satten 1.000 Euro gefördert – stand im
Mittelpunkt der diesjährigen Internationalen Mobil-Ausstellung (IMA), die
am Wochenende im Messezentrum Straßlach-Dingharting bei Starnberg nächst
München zu Ende ging.
„Längst ist das Lastenfahrrad nicht mehr einfach nur ein Fahrrad mit einem
Kasten vorn dran“, sagt Eugen Krause von der Deutschen Lastenfahrrad
Gesellschaft (DLaG), „eigentlich ist das Lastenfahrrad ja auch kein
Fahrrad, sondern ein Dreirad. Aber welcher Erwachsene will gern Dreirad
fahren?“, fügt Krause hinter vorgehaltener Hand hinzu – auch, weil er seine
FDP3-Maske zum Interview vergessen hat.
Lastenräder sind für Menschen, die Dinge transportieren wollen, aber kein
Auto haben – sei es aus Umweltschutzgründen oder aus Armut. Zu arm sollte
man aber auch nicht sein, denn Lastenräder sind teuer.
Auch einige Paketdienstleiter probieren Lastenräder im Zustellbetrieb aus.
Immer öfter sieht man auf Fahrräder montierte Schränke durch Straßen
mäandern – beschriftet mit den Namen der einschlägig bekannten
Logistikfirmen. „Bisher kann immer nur ein Mensch so ein Ungetüm steuern“,
sagt Jeff Schröder von der Firma LastBike, „wir arbeiten aber schon an
Modellen für zwei Personen.“ Er zeigt auf einen Prototyp. Das rot lackierte
Fahrzeug ist erstaunlich windschnittig, die letzte Arbeit des 2019
verstorbenen Designers Luigi Colani. Die beiden Sitze sind nicht
hintereinander, sondern nebeneinander angeordnet, was das Gefährt natürlich
etwas breiter macht. „Ungefähr so breit wie der gute, alte VW-Käfer, nur
ein bisschen höher, damit man den Überblick behält.“
## Lara Croft fährt auch
Ähnlich wuchtig sieht das Modell LARA3000 der Firma D-Carbike aus. Es ist
sogar noch ein wenig ausladender, so breit wie ein Mercedes der S-Klasse.
Nicht nur auf den ersten Blick wirkt LARA3000 wie ein normales Auto. Das
verwundert nicht, D-Carbike ist eine Tochterfirma von Mercedes-Benz.
Klassische Autobauer steigen in den Lastenrad-Markt ein, falls das E-Car
doch nicht das Auto der Zukunft wird.
„Das ist natürlich Absicht, dass sich unsere Carbikes als Autos tarnen“,
sagt Isolde Hopfinger von D-Carbike. „Als Fahrradfahrer sind Sie im
Straßenverkehr ja ein wandelnder respektive radelnder Toter. Der LARA3000
ist natürlich nicht so sicher wie ein richtiger Pkw, die Außenhaut besteht
wie beim DDR-Trabi bloß aus Pappe. Aber er wird von den anderen
Verkehrsteilnehmern besser gesehen als ein herkömmliches Zweirad. Dank
überzeugender Attrappen-Funktion wird der LARA3000 von kurzsichtigen
Autofahrern sogar als artverwandtes Fahrzeug akzeptiert.“
Denn, so sagt der Münchener Verkehrsexperte Prof. Markus Dorschatt, „im
Grunde ist es so: Alle wollen Auto fahren. Niemand will Fahrrad fahren.
Radfahren tut man aus der Not heraus. Im Sommer ist es toll, im Winter oll.
Auf dem Land macht Radfahren Spaß, in der Stadt nicht. Wer hat nicht lieber
einen schnellen Wagen statt eines klapprigen Damenrads. Deshalb ist es auch
nicht verwunderlich, dass immer mehr Fahrräder wie Autos aussehen. Das ist
ähnlich wie bei den Vegetariern oder Veganern. Die wollen kein Fleisch
essen, sehnen sich aber nach Wurst, Steaks und Fleischpflanzerln – und
bilden ihr Essen dann richtigem Essen nach.“
## Das Rad für die Lasten auf unseren Schultern
Eine Halle weiter bietet die Firma Hummer das erste SUV-Bike an, ein mit
einem Elektromotor unterstütztes zweisitziges Fahrzeug, das im
höhergelegten Chassis nur über zwei Stufen zu erreichen ist. Die Räder sind
größer und vor allem breiter als bei einem klassischen Fahrrad. Das robuste
Design rundet das Bild ab und bringt das mattschwarze Gefährt auf ein
Gewicht von etwa einer halben Tonne.
Die ersten E-Scooter-Verleihfirmen springen gerade auf den neuen Trend auf.
So will der Berliner Anbieter Jelbi ab Frühjahr 2022 die ersten
Hummer-Vehikel auf seinen Stationen anbieten.
„Die meisten Anbieter denken noch zu klein“, lacht Manfred Steffens von der
Firma MAN über die Fahrzeuge der Konkurrenz. Auf der Internationalen
Mobilausstellung stellt MAN den ersten Fahrrad-Lkw vor, leider nur als
Modell. „Vorbild sind die Bier-Bikes, die in vielen Städten ja leider
verboten sind. Der Fahrer lenkt, acht bis sechzehn Personen strampeln,
dahinter hängt ein Lkw-Anhänger in Leichtbauweise. Das Konzept ist
ausbaufähig. Wir planen sogar Baumaschinen und einen Braunkohlebagger mit
Pedalantrieb.“
Aber was sagt der normale Nutzer zu den neuen Trends im Lastenradsegment?
Am letzten Messetag, der für das Publikum geöffnet war, sprachen wir
Besucher an. Tommi Hitzinger, passionierter Radfahrer, starrt begeistert
auf den neuen SUV. Seinem unverständlichen Stammeln können wir entnehmen,
wie sehr er sich schon auf die 1.000-Euro-Prämie vom Staat freut. Dann
stürmt er auf den SUV zu und kann nur von dem Security-Team davon
abgehalten werden, loszufahren.
12 Oct 2021
## AUTOREN
Michael-André Werner
## TAGS
Fahrrad
Lastenrad
SUV
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"Querdenken"-Bewegung
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