| # taz.de -- Film „Auf alles, was uns glücklich macht“: Jahre des Erwachsen… | |
| > Der Film von Gabriele Muccino ist ein nostalgisch und berührend. Er ist | |
| > ein Generationenporträt von vier Freunden fürs Leben. | |
| Bild: Eine Kleeblattfreundschaft – von links: Paolo, Giulio, Riccardo und Gem… | |
| Jeder Film, der von einer Silvesterparty in der Gegenwart zurückschaltet in | |
| die Vergangenheit, beschwört den Geist der Nostalgie. In Gabriele Muccinos | |
| „Auf alles, was uns glücklich macht“ gibt es nicht nur die Sentimentalitä… | |
| mit der Rechtsanwalt Giulio (Pierfrancesco Favino) auf sein Leben | |
| zurückblickt – „1982 war ich 16 Jahre alt“ –, sondern der Film als sol… | |
| stimmt nostalgisch. In der Art werden sie einfach nicht mehr gemacht! | |
| Das Genre Generationenporträt, in dem drei, vier beste Freunde durchs Leben | |
| begleitet werden, mit Höhen und Tiefen, Trennungen und Wiederbegegnungen, | |
| wirkt heute altbacken. Über das Warum lässt sich nur spekulieren: Das | |
| breitflächige, realistische Erzählen erscheint schnell steif und | |
| formelhaft. Und vielleicht gibt es sie auch als Lebensform gar nicht mehr | |
| so häufig, die „Freunde fürs Leben“. | |
| Dabei wirkt höchst lebendig und elementar, wie Muccino seine Helden | |
| einführt: Bei Straßenprotesten in Rom sammeln Giulio und Paolo den von | |
| einem Schuss verletzten Riccardo auf und bringen ihn durch die | |
| Nebelschwaden von Tränengas ins Krankenhaus. Er überlebt – und es wird sein | |
| Spitzname: „Sopravissú“ – der Überlebthabende. | |
| Zum Trio stößt bald noch Gemma dazu, die besonders mit Paolo flirtet. Dann | |
| aber stirbt ihre Mutter, und Gemma muss zur Tante nach Neapel ziehen. Es | |
| ist die erste von vielen schmerzlichen Trennungen, die von da an den | |
| Lebensrhythmus der vier bestimmen. Viel mehr, als es die rarer werdenden | |
| Zusammenkünfte und Begegnungen tun. | |
| In Wahrheit nämlich schickt das Drehbuch seine vier Held:innen (dann | |
| gespielt vom grandiosen Quartett aus Pierfrancesco Favino, Kim Rossi | |
| Stuart, Claudio Santamaria und Micaela Ramazzotti) ziemlich alleine durch | |
| ihre wechselvollen, nur selten von dem einen oder anderen Etappenerfolg | |
| gekrönten Jahre des Erwachsenwerdens, der Berufsfindung, der | |
| Familiengründung, weiteren Trennungen. | |
| ## Reifer und abgeklärter | |
| [1][Als am 11. September 2001 die Türme brennen], sitzen sie alle | |
| vereinzelt vor ihren Fernsehern. Erst mit über 50, reifer und abgeklärter, | |
| finden sie wieder in ihrer Kleeblattfreundschaft zueinander. Und sosehr | |
| aufs nötigte Happy End hin geschustert das anmutet, wirkt es doch auch | |
| wieder überzeugend. | |
| Muccino und sein Koautor Paolo Costella lassen die persönlichen Ereignisse | |
| den chronologischen Ablauf bestimmen; das einschlägige Zeitgeschehen – der | |
| Fall der Mauer, die „Mani pulite“, Berlusconis Aufstieg – blitzt die meis… | |
| Zeit nur kurz als Hintergrund auf. Die „große Historie“ beeinflusst das | |
| Leben der vier natürlich trotzdem. Sie alle trifft die für ihre Generation | |
| typische Arbeitskrise, in der gut bezahlte Jobs und Festanstellungen rar | |
| wurden. | |
| In einem Running Gag sieht man Paolo, der Lehrer geworden ist, sich immer | |
| wieder von Klassen verabschieden, die ihm zwar an den Lippen hängen, die er | |
| aber stets nur als Ersatzlehrer betreut. Riccardo träumt Jahre davon, als | |
| Filmkritiker bezahlt zu werden, aber so weit kommt es nie. Einzig Giulio | |
| macht Karriere, das aber auf der politisch falschen Seite. Gemma schlägt | |
| sich mit Kellnerjobs mehr schlecht als recht durchs Leben. | |
| Dass ihre Biografien so glanzlos verlaufen, ohne die ganz großen Tragödien, | |
| aber auch ohne echte Triumphe, dafür mit stetem Kleinklein und Hickhack, | |
| macht in der Summe den authentischen Ton des Films aus. In einer Szene | |
| stehen sie nachts vor der Fontana di Trevi – aber statt Fellini-Zauber zu | |
| erleben, zerstreiten sie sich auf banale Weise. Wem wäre das nicht schon | |
| mal genau so passiert? | |
| Seine eigene Generation bringt Muccino (Jahrgang 1967) damit erstaunlich | |
| berührend auf den Punkt. Umso erstaunlicher, weil der Film in seiner | |
| Konzeption ein Remake von Ettore Scolas legendärem „Wir waren so verliebt“ | |
| (1974) ist, dem Identitätsfilm der italienischen Nachkriegsgeneration. Das | |
| Gefühl, zur Generation „Durchwurstler“ zu gehören, scheint verblüffend | |
| universell. | |
| 13 Oct 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Barbara Schweizerhof | |
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