# taz.de -- ITS-Kongress zu Mobilität: Auch Intelligenz verbraucht Energie | |
> Eine Messe in Hamburg zeigt, wie Digitalisierung den Verkehr | |
> klimafreundlicher machen könnte. Umweltverbände zweifeln daran. | |
Bild: Nur zur Show: autonomes Auto mit Elektro- und Wasserstoffantrieb auf der … | |
Von | |
Hightech soll das [1][Radfahren in Hamburg attraktiver machen]. Ein System, | |
das Radlern auf ihrem Smartphone anzeigt, wie sehr sie in die Pedale treten | |
müssen, um noch die nächste Grünphase zu schaffen, wurde auf dem | |
[2][Weltkongress für Intelligente Transportsysteme (ITS) in Hamburg] | |
vorgestellt worden. Die Fachmesse öffnete am Donnerstag ihre Tore kostenlos | |
für das allgemeine Publikum. „Auf dem ITS-Weltkongress zeigt Hamburg die | |
Mobilität der Zukunft“, sagte Brürgermeister Peter Tschentscher zur | |
Eröffnung. | |
Die Fahrrad-App als Radel-Anreiz ist ein Beispiel dafür, wie das | |
Verkehrsystem mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnik | |
effizienter, sicherer und sauberer – nicht zuletzt klimaneutral – werden | |
soll. Im Mittelpunkt steht dabei die Vernetzung von Verkehrsteilnehmern | |
untereinander, mit der Daten-Cloud und mit der Infrastruktur. Ein weiterer | |
Schwerpunkt ist das autonome – fahrerlose – Fahren von Pkws, Minibussen | |
aber auch Bahnen. | |
Der [3][Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC)] und der [4][Umweltverband | |
BUND] kritisierten den Ansatz des Kongresses als zu autofixiert. | |
„Automatisiert fahrende Autos, die digitale Vernetzung der Verkehrsarten | |
und die Mobilität als privater Service der Auto- und Digitalkonzerne sind | |
das Gegenteil einer menschen- und umweltgerechten Mobilitätswende“, | |
kritisiert Tom Jakobi vom ADFC-Vorstand. | |
Die Pläne, Hamburg bis zum Jahr 2030 für den Betrieb von vollautomatisiert | |
fahrenden Fahrzeugen zu rüsten, seien riskant mit Blick auf die Verkehrs- | |
und Cybersicherheit sowie den Datenschutz, sagt Jakobi. Sie stünden dem | |
Ziel im Weg, Straßenraum für die Menschen zurückzugewinnen. | |
„Wir brauchen nicht nur eine intelligente Mobilität, sondern auch eine | |
intelligente Verkehrspolitik“, sagt auch der BUND-Landesvorsitzende Lucas | |
Schäfer. „Wenn wir nur Systeme umbauen, ohne den Autoverkehr zu reduzieren, | |
verspielen wir die Chance auf einen wirksamen Klimaschutz.“ | |
## 5 Minuten bis zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel | |
Tatsächlich ist das autonome Fahren im Konzept des rot-grünen Senats nicht | |
so sehr für den Privat-Pkw vorgesehen, sondern als Ergänzung des Systems | |
aus Bussen und Bahnen. Im Zuge des Kongresses ging eine selbstfahrende | |
S-Bahn in Betrieb. Die Technik soll es ermögichen, 25 bis 30 Prozent mehr | |
Züge auf der gleichen Strecke verkehren zu lassen. | |
Autonome Rufbusse und Sammeltaxen sollen in den Randstadtteilen die letzte | |
Meile von der Bushaltestelle oder Bahnstadtion nach Hause abdecken. Unter | |
dem Namen Heat (Hamburg Electric Autonomous Transportation) zuckeln solche | |
Minibusse bereits mit 25 Stundenkilometern durch den neuen Stadtteil | |
Hafencity. | |
Die Minibusse sollen helfen, den sogenannten [5][Hamburg-Takt] zu | |
gewährleisten. Bis 2030 soll jeder Hamburger in fünf Minuten Entfernung ein | |
öffentliches Verkehrsmittel angeboten bekommen, das im Fünf-Minuten-Takt | |
verkehrt. „Solche flexiblen Systeme leiden im Moment noch häufig darunter, | |
zu teuer zu sein“, sagt Stephan Ramesohl vom [6][Wuppertal-Institut für | |
Klima, Umwelt, Energie]. Autonome Fahrzeuge könnten dieses Problem lösen. | |
## 36 Prozent der Wege werden noch mit dem Auto zurückgelegt | |
Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) wehrt sich gegen den Vorwurf | |
der Pkw-Fixierung: „Wir sehen auf die Logik: Wie kommt man auf dem | |
effizientesten, grünsten und sichersten Weg von A nach B.“ Dazu sei ein | |
integriertes Transportsystem nötig, das auch das Auto nicht ausschließe. | |
Ziel sei es, dass 2030 nur noch 20 Prozent aller Wege in Hamburg per Auto | |
zurückgelegt werden, statt heute 36 Prozent. | |
Deshalb soll das Projekt Priobike nicht nur anzeigen, wann die nächste | |
Ampel auf Grün springt, sondern sie soll Radlern an ausgewählten Ampeln | |
auch Vorrang geben und Kraftfahrer beim Abbiegen und Spurwechseln vor | |
herannahenden Radfahrern warnen. | |
Öffentliche Verkehrsmittel sollen immer besser miteinander verknüpft | |
werden. Schon heute lassen sich mit der Switch-App der Hamburger | |
Verkehrsverbundes (HVV) nicht nur Bus- und Bahntickets kaufen sondern auch | |
Stadträder, Elektroroller und Leihräder buchen. Zudem will der HHV Kunden | |
die Möglichkeit bieten, sich bei ihm einzuloggen und am Ende des Tages nur | |
das für sie sie günstigste Ticket zu bezahlen. | |
Digitaltechnik ermöglicht es schon heute an vielen Orten in der Stadt, | |
[7][nicht nur Autos zu zählen sondern auch Fußgänger und Radfahrer], um so | |
die Straßen und Wege zu optimieren und besser auslasten zu können. Mit | |
Hilfe der Sensoren können nicht nur Staus erkannt und der Verkehr gelenkt | |
sondern auch Parksuchverkehr vermieden werden. 1.000 Parksensoren sind | |
bereits in Hamburg installiert. Künftig sollen auch Straßenparkplätze mit | |
dem System ausgerüstet werden. | |
Verkehrssenator Tjarks betont, die Digitalisierung sei kein Selbstzweck | |
sondern ein Mittel, um soziale Ziele zu erreichen, etwa beim Schutz des | |
Planeten. „Wir brauchen die Digitalisierung, um den Klimawandel zu | |
bekämpfen“, sagt der Verkehrssenator. Dahinter steht die Vorstellung, dass | |
ein effizienterer Verkehr auch dem Klima nützen würde. Gegen diesen | |
positiven Effekt muss allerdings der Energie- und Ressourcenverbrauch der | |
digitalen Systeme gerechnet werden. | |
## Effekt erst ab den 2040er Jahren positiv | |
Das Fraunhofer-Institut hat diesen Effekt unter dem schmissigen Titel | |
„[8][Auto tankt Internet]“ für den Thinktank Agora Verkehrswende | |
prognostiziert, dabei allerdings nur den Betrieb des Systems beachtet. Bei | |
einem Szenario, in dem sich Autos nur untereinander und mit dem Wlan in der | |
heimischen Garage vernetzen überwiegt der Gewinn durch die Digitalisierung | |
von Anfang an den höheren Energieverbrauch. | |
Vernetzen sich Wagen zusätzlich unterwegs mit einer Cloud und der | |
Infrastruktur wird der Effekt irgendwann auch positiv, allerdings erst ab | |
den 2040er Jahren, durch technischen Fortschritt. | |
Zugleich warnen die Forscher vor einem Rebound-Effekt. Sie sehen die | |
Gefahr, „dass eine unregulierte Einführung automatisierter und vernetzter | |
Verkehrssysteme auf der Straße den ohnehin schon dominierenden | |
motorisierten Individualverkehr noch attraktiver werden lässt und den | |
Öffentlichen Verkehr zunehmend kannibalisiert“. | |
15 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Streit-um-den-Strassenraum/!5711151 | |
[2] https://www.hamburg.de/its/ | |
[3] https://hamburg.adfc.de/ | |
[4] https://www.bund-hamburg.de/ | |
[5] /Verkehrswende-in-Hamburg/!5805464 | |
[6] https://wupperinst.org/ | |
[7] /Mobilitaetswende-in-Hamburg/!5725486 | |
[8] https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/auto-tankt-internet/ | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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