# taz.de -- AfD-Politik in Hamburg-Eimsbüttel: Lenzviertel im Visier der Recht… | |
> AfD nannte Sperrmüll und Ausländeranteil im Zusammenhang. Bürger wollte | |
> „sauber machen“ und postet Flammenwerfer. Sozialarbeiterszene | |
> protestiert. | |
Bild: Nicht der schlechteste Ort zum Leben: Lenzsiedlung in Eimsbüttel | |
HAMBURG taz | Die Lenzsiedlung in Eimsbüttel geriet jüngst ins Visier der | |
AfD. Scheinbarer Anlass war abgestellter Sperrmüll an Garagen, gezeigt auf | |
Fotos aus dem Winter, die durch verstreute Schneeflecken auf dunklem Boden | |
noch unruhiger wirken. „So sieht es in der mehrfach mit | |
‚Integrationspreisen‘ versehenen Lenzsiedlung aus. Anteil | |
Migrationshintergrund übrigens 72 Prozent“, schrieb die AfD im Bezirk | |
Hamburg-Eimsbüttel am 20. April auf ihre Facebook-Seite. | |
Darunter postete sie die Antworten einer Anfrage an den Bezirk Eimbüttel. | |
Dieser habe von Müllablagerung „keine Ahnung“. „Kennzeichen“ des Viert… | |
seien „hohe Arbeitslosenanteil, hoher Hartz-IV-Anteil, sehr hoher | |
Ausländeranteil“. Der Beitrag wird 16-mal geteilt, viele Kommentare. Die | |
Siedlung sei in der 70ern mal schön gewesen, „heute wohnen fast keine | |
Volksdeutschen mehr dort“, schreibt ein Mann. Und ein anderer schreibt „Mal | |
aufräumen und sauber machen!!“ und postet darunter ein Kurzvideo, das | |
zeigt, wie eine Person einen Flammenwerfer aufdreht und eine vier, fünf | |
Meter lange Flamme vor sich hält. Darunter schrieb ein Dritter: „Wundert | |
mich, das der Sperrmüllhaufen noch nicht brennt.“ | |
Es ist seit einigen Jahren ein Phänomen, dass die AfD scheinbar anlasslos | |
die Arbeit von offenen sozialen Einrichtungen thematisiert, wie die | |
Sozialwissenschaftler Nils Schuhmacher, Moritz Schwerthelm und Gillian | |
Zimmermann jüngst in [1][ihrer Studie „Stay with the Trouble“] | |
analysierten. So schob auch die AfD-Eimsbüttel am 1. Mai noch einen Post | |
nach. Sie skandalisierte, dass es „10 Vollzeitstellen Sozialbetreuung“ | |
gebe, für eine „mit ‚Integrationspreisen‘ überhäufte Wohnsiedlung mit | |
Müllproblemen, in denen Deutsche mittlerweile eine Randerscheinung sind“. | |
Wieder gab es ätzende Kommentare. | |
Die Hamburger Interessenvertretung der offenen Arbeit, Ivoa, wollte das | |
nicht auf sich beruhen lassen. Diese Woche veröffentlichte sie eine | |
[2][„Solidaritätserklärung“ von 100 Personen und Institutionen] mit den | |
Kollegen des Vereins Lenzsiedlung und den Bewohnern der Siedlung. Die | |
AfD-Aktivitäten seien diffamierend und teils offen rassistisch. Die Partei | |
verfolge eine Strategie, die sich gegen den „menschenrechtsorientierten | |
Kernauftrag“ offener Sozialarbeit richte. | |
## Vor 20 Jahren gab es Armutsprobleme | |
Die Lenzsiedlung wurde von 1974 bis 1979 als letzte Hochhaussiedlung in | |
Hamburg gebaut und hat rund 3.000 Einwohner. „Sie war mal Schreckgespenst | |
der 1990er-Jahre. Da gab es viel Armut und auch Gewalt und Drogenprobleme“, | |
erinnert sich Ralf Helling, Geschäftsführer des Lenzsiedlungs-Vereins. | |
Doch seit Anfang 2000 gab es dort verschiedene Programme der | |
Stadtteilentwicklung. Die Häuser wurden modernisiert und es entstanden | |
Projekte, von denen heute noch zum Beispiel ein Bürgerhaus, ein Jugendhaus, | |
ein Kinderklub, ein Mittagstisch, ein Seniorentreff und ein | |
„Tante-Emma-Laden“ existieren, betrieben [3][von Lenzsiedlung e. V.] „Weil | |
es diese Sozialarbeit hier gibt, ist es heute nicht mehr so wie vor 20 | |
Jahren“, sagt Helling. „Heute identifizieren sich die Menschen sehr positiv | |
mit ihrem Stadtteil.“ | |
Es sei ein schmaler Grad, wie ein Träger auf solche Attacken reagiere, ohne | |
der AfD zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. „Wir haben überlegt, wir gehen | |
erst mal in den Fachaustausch“, sagt Helling. Die Erklärung, die auch | |
Abgeordnete von Grünen, SPD und Linke unterschrieben, kam dabei heraus. | |
## Hinweisstelle der Polizei sah keinen Handlungsbedarf | |
Helling wandte sich auch an die „Zentrale Hinweisaufnahme | |
Rechtsextremismus“, die die Polizei Hamburg nach den Anschlägen von Halle | |
und Hanau eingerichtet hat. Bürger sollten nicht scheuen, Beobachtungen, | |
die ihnen Unbehagen bereiten, zu melden, heißt es auf deren Homepage. | |
Helling erzählte dem Beamten von den Facebook-Posts einschließlich des | |
Flammenwerfer-Films. „Der Herr meinte, das sei nichts zu machen. Das sei | |
kein Straftatbestand.“ | |
Allerdings stand dieser Videopost an diesem Freitag immer noch auf der | |
Facebook-Seite. Und seit dem 1. Juli ist das [4][„Gesetzespaket gegen Hass | |
und Hetze“ in Kraft]. Spätestens seitdem sind die Paragrafen für Bedrohung | |
und Billigung von Straftaten sehr scharf. | |
Nach den strittigen Posts befragt, erklärt Polizeisprecher Florian | |
Abbenseth, die „Zentrale Hinweisaufnahme Rechts“ habe am 27. April das | |
Facebook-Material bewertet. „Zu diesem Zeitpunkt wurden aus Sicht der | |
Polizei keine strafrechtlich relevanten Aspekte festgestellt.“ Der | |
Staatsschutzabteilung sei das Bild mit dem Flammenwerfer und dazugehörigen | |
Kommentaren jedoch nicht bekannt gewesen. Sie habe nun eine „Klärung“ | |
initiiert. Nun müsse die Staatsanwaltschaft feststellen, ob es sich um eine | |
Straftat handelt. | |
Die taz bat die AfD-Fraktion Eimsbüttel und den Landesverband um eine | |
Stellungnahme, erhielt aber keine Antwort. | |
26 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.offene-jugendarbeit.net/index.php/projekte/stay-with-the-trouble | |
[2] https://www.entschlossen-offen.de/2021/09/06/solidaritaetserklaerung-lenzsi… | |
[3] https://www.lenzsiedlung.de/lenzsiedlung-e-v/ | |
[4] https://www.bmjv.de/SharedDocs/Artikel/DE/2021/0401_Gesetzespaket_gegen_Has… | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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