# taz.de -- Merkels Abschiedsbesuch in Polen: Noch viel auf der Agenda | |
> Bei ihrem Treffen mit Premier Mateusz Morawiecki spricht die Kanzlerin | |
> strittige Themen an. Weiterhin im Fokus bleibt die Pipeline Nord Stream | |
> 2. | |
Bild: Letztes Treffen als Kanzlerin: Merkel mit Morawiecki in Warschau | |
Warschau taz | „Trotz vieler schwieriger Themen sind wir immer im Dialog | |
geblieben, dafür danke ich Ihnen“, sagte Polens Premier Mateusz Morawiecki | |
am Samstag in Warschau nach einem Arbeits- und Abschiedsessen [1][mit der | |
deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel] (CDU). Als besonders gut hob der | |
Politiker von der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit | |
(PiS) die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen hervor. | |
Vor der Kulisse des Badeschlösschens im Königlichen Lazienki-Park | |
bestätigte Merkel, dass es in den vergangenen 16 Jahren ihrer Kanzlerschaft | |
„viele schwierige Fragen“ zwischen Polen und Deutschland gegeben habe und | |
einige davon auch weiterhin auf der Agenda bleiben würden – wie | |
beispielsweise die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee. | |
Es gehe nun darum, den Status von Polen und der Ukraine als | |
Gas-Transit-Länder neben [2][Nord Stream 2] aufrechtzuerhalten. | |
Für Polen sei die Sicherheitsfrage von zentraler Bedeutung, so Morawiecki. | |
Angesichts der internationalen Verschiebungen im Machtgefüge der Welt müsse | |
die EU nicht nur zu einem mächtigen globalen Player aufsteigen, sondern | |
auch eventuelle Angreifer wirkungsvoll abschrecken können. Dazu seien | |
höhere Verteidigungsausgaben unumgänglich. | |
„Deutschland ist vor kurzem Opfer [3][eines schweren Cyberangriffs] | |
geworden“, sagte Morawiecki. In der „Flüchtlingsfrage“ habe man sich | |
„annähern können“, sagte der studierte Historiker, der es als Direktor | |
einer spanischen Bank in Polen zum Multimillionär gebracht hat, sich nun | |
aber für die „Polonisierung strategischer Wirtschaftszweige“ einsetzt. | |
## Polen und Europäische Kommission streiten weiter | |
„Man muss den Flüchtlingen humanitär helfen“, kritisierte Merkel das von | |
polnischen Medien berichtete Zurücktreiben von Flüchtlingen nach Belarus, | |
ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, einen Asylantrag in Polen zu stellen, | |
Andererseits müsste aber auch die „EU- und Nato-Außengrenze gesichert“ | |
werden, so die Bundeskanzlerin. Sie verdamme die Politik des | |
Lukaschenko-Regimes, das seit einigen Wochen gezielt Flüchtlinge an die | |
grüne Grenze zu Litauen und Polen bringe. „Ich halte das für vollkommen | |
inakzeptabel, auf dem Rücken von Einzelnen mit ihrem Schicksal solche | |
hybriden Attacken auszuführen“, sagte Merkel. | |
Den verhärteten Justizstreit zwischen Polen und der Europäischen Kommission | |
sollten beide Seiten durch einen intensivierten politischen Dialog lösen. | |
Politik vermöge mehr als dies ein Schlagabtausch über die Gerichte könne. | |
Vor dem Treffen mit Morawiecki hatte die Kanzlerin noch einen Kranz am Grab | |
des Unbekannten Soldaten niedergelegt. Hier – auf dem zentralen | |
Marschall-Pilsudski-Platz – liegt ein 14-jähriger Junge begraben, der 1920 | |
als Freiwilliger gegen die Ukrainer in den Krieg gezogen war. Die | |
Kolonnade, unter der er liegt, war Teil des Sächsischen Palais, das die | |
Nazis 1944 beinahe vollständig in die Luft gesprengt hatten. Ein Denkmal | |
für alle Kriegsopfer in Polen, wie es jetzt in Berlin entstehen soll, gibt | |
es in Warschau bislang nicht. | |
Eigentlich hatte sich Merkel auch mit Präsident Andrzej Duda treffen | |
wollen. Doch Polens Staatsoberhaupt sagte kurzfristig ab. Offiziell hieß | |
es, dass er am Samstag am Jahrestag der Gründung der Gewerkschaft | |
Solidarność in Oberschlesien teilnehme. Inoffiziell, so brachten polnische | |
Journalist:innen in Erfahrung, fühlte sich Duda durch die Reihenfolge | |
der Abschiedsbesuche Merkels mit Moskau und Kiew vor Warschau beleidigt. | |
Denn terminlich sei es kein Problem gewesen, morgens mit Merkel zu sprechen | |
und nachmittags an den Solidarność-Feiern teilzunehmen. | |
## Präsident setzt Tweet auf Englisch ab | |
Wenige Tage vor dem Besuch Merkels in Polen postete er auf Englisch einen | |
Tweet, der in der nationalpopulistischen und rechten Szene Polens auf | |
großen Zuspruch stieß, bei polnischen Zeithistorikern aber kritische | |
Nachfragen auslöste. | |
„Im August 1944 ermordeten die Deutschen acht Ordensschwestern, weil sie | |
kranke Juden in einem Unterschlupf versteckt hatten. Die Nonnen wurden mit | |
Benzin übergossen und bei lebendigem Leib verbrannt. Es gibt kein anderes | |
Volk, das so sehr leiden musste für seine Hilfe Juden gegenüber. Wir | |
verlangen nicht viel, nur die Wahrheit…“ | |
Der seltsame Tweet des polnischen Präsidenten löste eine Flut | |
nationalistischer Kommentare aus, doch eine Gruppe Historiker, die sich im | |
Thema auskennen, wies nach, dass dieser Fall in den bekannten Forschungen | |
zu polnischen Judenrettern nicht auftauche. Die Frage nach der historischen | |
Quelle in diesen geschichtspolitischen Tweet Dudas beantwortete die | |
Präsidialkanzlei bislang nicht, berichtet der Historiker Adam Leszczynski | |
auf dem Portal für investigativen Journalismus Oko.press. | |
12 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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