# taz.de -- Steinmeier besucht Polen: Retten, was noch zu retten ist | |
> Der Bundespräsident kommt nach Warschau. Anlass ist der Vertrag über gute | |
> Nachbarschaft. Doch politisch kriselt es, nicht nur wegen Nord Stream 2. | |
Bild: Reist nach Polen, um den Geist des Vertrags zu retten: Bundespräsident F… | |
Warschau taz | „Wozu eigentlich kommt Bundespräsident Steinmeier nach | |
Polen“, fragt Bartosz Wieliński, einer der stellvertretenden Chefredakteure | |
der Gazeta Wyborcza und ihr ehemaliger Korrespondent in Berlin. „Will er | |
zeigen, dass er Klasse hat?“ | |
Konkreter Anlass der Visite des deutschen Bundespräsidenten in der | |
Hauptstadt Warschau ist ein Jahrestag. Dieses Mal geht es um den „Vertrag | |
über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit“, der am 17. | |
Juni 1991 vom damaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem | |
polnischen Premier Jan Krzysztof Bielecki in Bonn unterzeichnet wurde. | |
„Heute ist der Vertrag fast vollständig erfüllt“, kommentiert ebenjener | |
Bielecki im Privatradio TokFM. „Polen ist ein vollwertiges Mitglied der EU. | |
Zudem arbeiten Deutschland und Polen in allen denkbaren Bereichen zusammen | |
– von der Landwirtschaft über die Kultur bis hin zur Wirtschaft. Das waren | |
damals die wichtigsten Ziele, die wir uns im Vertrag gesteckt hatten.“ | |
Dass es aktuell politisch wieder mal knirsche und Polens Regierung den | |
Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, dazu missbrauche, kurz vor | |
Steinmeiers Besuch eine Anti-Nord Stream-2-Resolution zu beschließen, nimmt | |
der Expremier eher gelassen. [1][Nord Stream 2] stelle für Polen ein | |
Problem dar, räumt Bielecki ein. Demnächst werde Deutschlands | |
Außenminister mit dem polnischen Amtskollegen zusammentreffen, und da werde | |
die Gaspipeline wieder auf den Tisch kommen. Das sei eben die politische | |
Agenda der Nationalpopulisten von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). | |
Die insgesamt sehr gute Zusammenarbeit von Deutschen und Polen schmälere | |
dies nicht. | |
## Glatt durchgefallen | |
Die Resolution, der parteiübergreifend fast alle polnischen Abgeordneten | |
zustimmten, fordert „alle EU- und Nato-Staaten, insbesondere aber die | |
Bundesrepublik Deutschland“ dazu auf, „alles zu tun, um den Bau der | |
Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland zu stoppen“. | |
Der Deutschlandkenner Wieliński fragt hingegen selbstkritisch, inwiefern | |
Polens Politiker den Geist des Vertrags von 1991 verinnerlicht hätten. | |
[2][Präsident Andrzej Duda] fällt bei dem Test glatt durch. Im Wahlkampf | |
2020 hatte Duda wieder einmal die antideutsche Karte gezückt und den Polen | |
zugerufen: „Die Deutschen werden uns nicht unseren Präsidenten aussuchen.“ | |
Damit wollte er davon ablenken, dass er einen Sexualstraftäter begnadigt | |
hatte. Dies hatte das Boulevardblatt Fakt aufgedeckt, das dem | |
deutsch-schweizerischen Verlag Ringier Axel Springer gehört. Später hatte | |
ein beleidigter Duda auf das Hilfsangebot Steinmeiers in der Coronakrise | |
pampig geantwortet: „Wir helfen Ihnen auch gerne.“ | |
Auch der neue deutsche Botschafter machte unangenehme Erfahrungen. | |
Monatelang musste er auf gepackten Koffern sitzen, weil Warschau sein | |
„Okay“ so lange herauszögerte, bis alle Medien in Polen über die | |
Wehrmachts-Karriere seines Vaters berichtet hatten. | |
Wieliński will jetzt in Berlin erfahren haben, dass Steinmeier wohl nur | |
deshalb nach Polen kommt, weil niemand sonst den Vertrag mit den | |
Nationalpopulisten feiern wolle – weder Bundeskanzlerin Angela Merkel noch | |
der Bundestag. Er komme, um den Geist des Vertrags zu retten. | |
17 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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