# taz.de -- Angela Merkel besucht Polen: Vorwürfe vom Nachbarn | |
> Am Freitag kommt Angela Merkel nach Warschau. Zuvor machen Polens | |
> Präsident Duda und Premier Morawiecki Stimmung gegen Regierung und | |
> Medien. | |
Bild: Hier schien die Stimmung noch besser: Andrzej Duda zu Gast in Berlin im O… | |
WARSCHAU taz | Der deutsch-polnische Handel verzeichnet neue | |
Rekordergebnisse, in Sicherheitsfragen gibt es weitgehende Einigkeit, die | |
deutsch-polnischen Kulturkontakte florieren. Und doch geben sich Polens | |
Präsident Andrzej Duda und Premierminister Mateusz Morawiecki von der | |
Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Vorfeld der | |
deutsch-polnischen Regierungskonsultationen alle Mühe, das Treffen am | |
Freitag als eines von Gegnern oder gar Feinden erscheinen zu lassen. | |
Im Zentrum: der alte Streit um Reparationen. Beinahe täglich gibt es | |
[1][Attacken auf „die Deutschen“] durch Polens Staatssender TVP und | |
regierungsnahe Medien. In einem Interview mit der Bild-Zeitung erklärte | |
Duda jüngst, diese seien „kein erledigtes Thema“. Im polnischen Parlament | |
sei nun eine Expertengruppe damit befasst. Schon der verstorbene | |
Altpräsident Lech Kaczyński sei im Besitz von Gutachten gewesen, denen | |
zufolge „die angerichteten Kriegsschäden in Polen nie ausgeglichen wurden“. | |
Nach dem blutig niedergeschlagenen Warschauer Aufstand 1944 hatte Hitler | |
befohlen, Polens Hauptstadt dem Erdboden gleichzumachen. SS-Männer und | |
Wehrmachtssoldaten sprengten drei Monate lang Straße um Straße, Haus um | |
Haus. Am Ende waren 80 Prozent der Innenstadt zerstört. Die Gutachten, die | |
Lech Kaczyński als Stadtpräsident Warschaus in Auftrag gegeben hatte, | |
machen das Ausmaß der Zerstörungen deutlich. | |
Kaczyński selbst leitete daraus aber keine Forderungen nach erneuten | |
Reparationsleistungen ab. Es ist sein Zwillingsbruder Jarosław Kaczyński, | |
Gründer und Vorsitzender der PiS, der die „Kriegsreparationen“ immer wieder | |
zum Thema macht; wohl wissend, dass Polen nach der Sowjetunion die höchsten | |
Reparationsleistungen erhalten hat. | |
Im Vorfeld des Polenbesuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnte die | |
Unionsfraktion im Deutschen Bundestag die neuerlichen Forderungen ab. | |
Rechtlich gesehen ist das Thema abgeschlossen. Das ist nicht nur der | |
Standpunkt der Bunderegierung; auch polnische Politiker versicherten dies | |
seit 1953 immer wieder. | |
2004 erklärte der damalige Premier Marek Belka in Berlin, die Frage der | |
gegenseitigen deutsch-polnischen Ansprüche sei „endgültig abgeschlossen“. | |
Die erneuten Forderungen von PiS-Politikern sollen der polnischen | |
Bevölkerung suggerieren, die deutsch-polnische Versöhnung sei jahrelanger | |
Betrug und widerliche Heuchelei gewesen. Erst die PiS weise den Deutschen | |
als ehemaligen Kriegsverbrechern den ihnen gebührenden Platz am moralischen | |
Pranger zu. | |
Kurz nach Dudas Interview behauptete Premier Morawiecki im rechtsradikalen | |
Privatsender Republika, polnische Medien „in deutscher Hand“ hätten sich | |
ungebührlich stark in die polnischen Kommunalwahlen eingemischt und die | |
Regierung angegriffen. Die Deutschen selbst würden sich so etwas nicht | |
bieten lassen. Auch in Frankreich, Spanien und Irland sei es unvorstellbar, | |
dass sich „fremde Staaten durch (ihre) Medien in einer so scharfen und | |
eindeutigen Form in den Wahlkampf einmischen und die aktuelle Regierung | |
attackieren“. | |
Tatsächlich hatte das Internetportal Onet, das dem deutsch-schweizerischen | |
Ringier-Verlag gehört, Gespräche publiziert, die Morawiecki in seiner Zeit | |
als Bankdirektor und Berater des damaligen Premiers Donald Tusk geführt | |
hatte. Damals hatte sich der Multimillionär über die „dummen“ polnischen | |
Bankkunden lustig gemacht, die eine Chuck-Norris-Bankwerbung im | |
Western-Stil gut fanden. | |
Es dürfte am Freitag auch um die [2][Gaspipeline Nord Stream 2] gehen, die | |
ab Ende 2019 russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland | |
transportieren soll. Polen ist ein entschiedener Gegner des Projekts. | |
Obwohl ein europäisches Firmenkonsortium die Pipeline baut, behaupten | |
PiS-Politiker immer wieder, es handle sich um ein Regierungsprojekt | |
Deutschlands und Russlands. | |
2 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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