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# taz.de -- Andrzej Duda gewinnt in Polen Stichwahl: Kaczyńskis „Kugelschrei…
> Nach einem knappen Kopf-an-Kopf-Rennen bleibt Polen nun doch beim alten
> Präsidenten. Der ist vor allem dem eigenen Parteichef Kaczyński
> untergeben.
Bild: Der neu gewählte Präsident Andrzej Duda könnte der Befehlsempfänger v…
Die Präsidentenwahl in Polen ist offiziell entschieden: Gewonnen hat mit
51,2 Prozent der Stimmen [1][der bisherige Amtsinhaber Andrzej Duda]. Schon
am Sonntagabend feierte der Nationalpopulist mit Frau und erwachsener
Tochter an seiner Seite den „großartigen Sieg“, obwohl der zu diesem
Zeitpunkt noch gar nicht feststand. Denn sein Herausforderer, der liberale
Warschauer Oberbürgermeister Rafał Trzaskowski, hatte seit Mitte Mai eine
furiose Aufholjagd hingelegt und hätte Duda durchaus schlagen können. Doch
am Montagmorgen, als 99,7 Prozent aller Stimmen ausgezählt waren und die
Staatliche Wahlkommission das bisherige Ergebnis bekannt gab, war der Traum
von einem Umzug ins Belwedere, das Präsidentenpalais, ausgeträumt. Mit 48,8
Prozent der Stimmen erreichte Trzaskowski zwar ein überaus respektables
Ergebnis, aber zum Sieg reichte es eben doch nicht.
Viele Warschauer und Warschauerinnen sind in ihren Gefühlen [2][hin und her
gerissen]. Einerseits hätten die meisten von ihnen Trzaskowski zwar gerne
als Präsidenten Polens gesehen, andererseits sind sie nun auch froh, dass
er ihnen als sympathischer und kompetenter Oberbürgermeister erhalten
bleibt. Die PiS-Hetzkampagne gegen ihn im Staatssender TVP hatte –
zumindest in Warschau – genau den gegenteiligen Effekt: Die tolerante und
kosmopolitische Stadt lässt auf „ihren“ Oberbürgermeister nun erst recht
nichts mehr kommen. Möglicherweise wird der 48-Jährige künftig die
Führungsrolle in seiner Partei übernehmen und frischen Wind in die
liberal-konservative Bürgerplattform (PO) bringen – nachdem er in knapp
sechs Wochen vom Oberbürgermeister spontan zum Präsidentschaftskandidaten
aufgestiegen ist. Denn ohne Mut zu neuen Ideen und einer stärkeren
Einbindung von bisher vernachlässigten sozialen Gruppen wird die einst so
dynamische Bürgerplattform auch die nächsten Parlamentswahlen in drei
Jahren verlieren.
Andrzej Duda wiederum, der alte und neue Präsident Polens steht nun auch
persönlich vor einer Richtungsentscheidung: Will er so weitermachen wie
bisher und den „Kugelschreiber“ für Jarosław Kaczyński abgeben, den
mächtigen Chef der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit
(PiS)? Oder will er als Staatsmann in die Geschichte Polens eingehen, der
auch eine wichtige Rolle in der EU und der Weltpolitik spielt? Viel Zeit
bleibt ihm nicht. Denn nach den nächsten fünf Jahren kann er nicht
wiedergewählt werden und wird dann entweder sein Dasein als
PiS-Präsidenten-Rentner fristen oder aber irgendwo in der Weltpolitik ein
Wörtchen mitreden.
Doch sollte er eine internationale Karriere planen, müsste er sich
beizeiten von seinem politischen Ziehvater Kaczyński emanzipieren und
dürfte nicht mehr unbesehen alle PiS-Gesetze unterschreiben. Der für Duda
so peinliche Spitzname „Dlugopis“ – der „Kugelschreiber“ ist auch ein
Wortspiel, in dem das Parteikürzel „PiS“ vorkommt. Zwar hat Duda schon vor
fünf Jahren sein Parteibuch zurückgegeben, doch seine aktuelle
Wahlhetzkampagne hätte er ohne die durch Polen tourenden PiS-Politiker, die
PiS-Millionen und die PiS-TV-Sendungen nie gewinnen können.
## Leisetreter-Manier deutscher Politiker
Natürlich ist es für Duda demütigend, als Staatspräsident vor aller Augen
nur ein „Dlugopis/Kugelschreiber“ zu sein. Doch für jemanden, der seine
gesamte politische Laufbahn nur einem Mann zu verdanken hat, dem PiS-Chef
JJarosław Kaczyński, wird es schwer sein, sich aus dieser Abhängigkeit zu
befreien. Zumal inzwischen schon Rufe aus dem Ausland laut werden, Duda
solle künftig für die Einhaltung europäischer Werte und Normen in Polen
eintreten und insbesondere für mehr Rechtsstaatlichkeit in seinem Land
sorgen. Doch ein EU- oder schlimmer noch „Deutschenbüttel“ will Duda auf
gar keinen Fall sein. Da setzt er schon eher auf den US-amerikanischen
Präsidenten Donald Trump, der ihn wenige Tage vor dem ersten Wahlgang am
28. Juni noch ins Weiße Haus einlud und ihm so wertvolle Wahlkampfhilfe
leistete. Und setzt sich nicht auch Trump immer wieder über geltendes Recht
hinweg? Für Duda ist das Ausdruck einer starken und souveränen Politik.
Da Duda sich keinerlei Mühe gibt, auch nur andeutungsweise ein „Präsident
aller Polen“ zu sein, könnten sich bis zu den nächsten Parlamentswahlen in
drei Jahren die gesellschaftlichen Proteste verstärken. Zwar bot Duda noch
in der Wahlnacht seinem Rivalen Trzaskowski einen versöhnenden Händedruck
an, jedoch ohne sich vorher zu entschuldigen. Im Wahlkampf hatte er
Trzaskowski beleidigt und gedemütigt. Die Spaltung der polnischen
Gesellschaft wird Duda so nicht überwinden.
Umstritten bleibt auch, dass die nationalpopulistische PiS, die sowohl die
Regierung stellt als auch die absolute Mehrheit im polnischen
Abgeordnetenhaus innehat, mit Milliarden an Steuergeldern den Wahlkampf
finanzierte.
Auch international muss Duda zusehen, wie er das für seinen Wahlsieg
mutwillig zerschlagene Porzellan wieder zusammenklebt. Deutsche Politiker
werden wahrscheinlich in gewohnter Leisetreter-Manier über die
antisemitischen Ausfälle Dudas und sein Schimpfen auf Deutschland im
Wahlkampf hinwegsehen und business as usual betreiben. Doch Georgette
Mosbacher, die Botschafterin der USA in Warschau, die unlängst eine Duda
nahestehende PiS-Politikerin bei einer dreisten Lüge ertappte, schrieb
prompt auf Twitter: „Shame on you!“
13 Jul 2020
## LINKS
[1] /Stichwahl-um-Praesidentenamt-in-Polen/!5700426
[2] /Praesidentenwahl-in-Polen/!5700442
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
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