# taz.de -- Tribute-Album für britische Pop-Ikone: Bowies Soul | |
> Auf dem Album „Modern Love“ interpretieren junge Künstler:innen Songs | |
> von David Bowie. Dabei konzentrieren sie sich auf dessen Faible für Black | |
> Music. | |
Bild: Hatte ein Faible für Soul, Funk und Jazz. Bowie als „Thin white Duke�… | |
Als vergangenen Januar zu David Bowies Geburtstag plötzlich eine | |
Coverversion von „Space Oddity“ durchs Netz geisterte, aufgenommen vom | |
kalifornischen Trio We Are KING, ließ das aufhorchen – ein Interesse, das | |
zumindest ich angesichts der zahllosen Resterampe-Verwertungen in den | |
Jahren seit seinem Ableben sonst kaum mehr aufbringen mochte. | |
Die Neugier war zwar nicht dieser Interpretation geschuldet, die, | |
angesiedelt zwischen Dreampop und Synthiesoul, allenfalls mäßig originell | |
klang. Sondern dem Umstand, dass sie Vorbote eines Tribute-Samplers mit | |
vielversprechendem Fokus war, der jetzt auch auf Tonträger erschienen ist. | |
Um die Verbindung zwischen Bowie und Black Music – R&B, Jazz, Funk, Soul | |
und Gospel – sollte es beim Album „Modern Love“ gehen, auf die Beine | |
gestellt von DJ und Musikmanager Drew McFadden und [1][Peter Adarkwah] von | |
BBE Music, anlässlich des 25. Labelgeburtstags. | |
Die Zeit sei reif, diesen Aspekt auszuleuchten, denn – so sahen es die | |
Initiatoren – die Verbindung zwischen Bowie und schwarzer Musik „sei nie | |
richtig erforscht worden“. Nun ja, ein Geheimnis war dessen Faible für | |
Soul, Funk und Jazz eigentlich nicht, vielmehr war sie roter Faden seines | |
Schaffens – von der Blue-Eyed-Soul-Phase der mittleren 1970er Jahre bis | |
[2][zum letzten Album „Black Star“], dem jazzigen Requiem, das er sich | |
selbst komponiert hatte. Anders als viele seiner musikschaffenden (weißen) | |
Zeitgenoss:innen, legte Bowie freimütig offen, was ihn beeinflusst hatte. | |
Der afroamerikanische Popkritiker Greg Tate konstatierte in seinem Nachruf | |
[3][„Brother from Another Planet – Bowie and Black Music“], der britische | |
Popstar habe durchaus verstanden, dass er als „ride-or-die | |
black-and-blue-eyed soul man“ auch den eigenen Vorteil ausblenden müsse, | |
wenn es der kulturellen Gerechtigkeit dient. Zu dieser Einschätzung kam | |
Tate unter anderem deshalb, weil Bowie bereits 1983, als Vielfalt in den | |
Medien kaum auf der Agenda stand, in einem Interview mit MTV den Spieß | |
umgedreht und VJ Mark Goodman offensiv mit der Frage gegrillt hatte, warum | |
der Clip-Sender kaum schwarze Künstler*innen im Programm habe. | |
## Wechselseitiger Respekt | |
Das muntere Adaptieren höchst unterschiedlicher Einflüsse, wie Bowie es | |
betrieb, würde heute sicherlich Diskussionen um kulturelle Aneignung | |
auslösen, doch rückblickend lässt sich sagen: Den Respekt, den der Brite | |
der schwarzen Musikkultur entgegenbrachte, bekam er stets zurück. Wie | |
stimmig der konzeptuelle Rahmen dieses Tribute-Samplers ist, mag letztlich | |
zweitrangig sein – lieber soll die Musik sprechen, stammt sie doch von | |
vielversprechenden Künstler*innen wie Helado Negro, [4][Khruangbin], Kit | |
Sebastian, Eddie Chacon und John Carroll Kirby. | |
Die Songs allerdings flüstern eher! Es überrascht, wie sanft, | |
entschleunigt, teils gedämpft viele Stücke wirken. Überbordende Momente | |
finden sich nur selten. Das Transgressive, Doppelbödige – nicht zuletzt | |
dafür wurde Bowie schließlich bewundert – findet sich in den | |
Coverversionen, die ja immer zugleich Selbstverortung der Fans sind, kaum | |
wieder. | |
Am konsequentesten zerlegt Matthew Tavares seine Vorlage – vormals Teil der | |
Jazz-HipHop-Combo BadBadNotGood, ist er mittlerweile solo unterwegs: Bowies | |
hymnenhafte „Heroes“ macht er über fast neun Minuten zum mäandernden | |
Jazzspaziergang mit Klavier, Saxofon und viel Luft zum Atmen. | |
## Luftiger Balanceakt | |
Die Interpretation sticht heraus aus dem sonst eher fluffigen Sound der | |
Zusammenstellung. Das texanische Trio Khruangbin lässt seine Version von | |
„Right“ – im Original für Bowie-Verhältnisse erstaunlich ungebrochen | |
soulful – zwischen Funk und Psychedelik oszillieren. Dieser luftige | |
Balanceakt, fast schon ein Markenzeichen der drei Künstler:innen, | |
funktioniert bestens. | |
Der hierzulande wenig bekannte Brasilianer Sessa dagegen lässt „Panic in | |
Detroit“ aus Bowies späten Glam-Tagen als akustische | |
Bossa-Nova-Interpretation dahinsegeln. Und der ugandische Sänger Jonah | |
Mutono verpasst dem energetischen Titeltrack „Modern Love“ ein Makeover als | |
geschmeidiger, aber leicht weirder Popsong. | |
Andere Versionen wirken weniger inspiriert und klingen nach Füllmaterial; | |
etwas zu gimmickhaft etwa klingt Bullions Version von „Where Are We Now“. | |
Alles in allem bietet „Modern Love“ keine neue Sicht auf Bowie, was auch zu | |
viel verlangt wäre – aber die Musik vermag es herauszustellen, was Bowie | |
den nachgeborenen Generationen bedeutet. Immerhin sind teils sehr hübsche | |
Coverversionen enthalten, von denen viele origineller wirken als die | |
zahllosen Easy-Listining-Adaptionen von Popklassikern, wie sie einem dieser | |
Tage vielerorts entgegenschallen. | |
9 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Emanzipativer-westafrikanischer-Pop/!5693907 | |
[2] /Neues-Album-von-David-Bowie/!5264916 | |
[3] https://www.mtv.com/news/2727414/brother-from-another-planet/ | |
[4] /Was-Sommerhits-ausmacht/!5694376 | |
## AUTOREN | |
Stephanie Grimm | |
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