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# taz.de -- Radikalisierter Coronaprotest: Tödliches Querdenken
> Der rechte Protest gegen Corona-Maßnahmen ist ins Abseits der
> Aufmerksamkeit geraten. Die Gruppe schrumpft. Übrig bleibt ein
> radikalisierter Rest.
Bild: Der Tatort, die Tankstelle in Idar-Oberstein
Man konnte den Eindruck haben, als wäre das Thema erledigt. Die Zeit der
großen Querdenken-Demonstrationen ist vorbei, der Protest ist zersplittert
und auf irrlichternde Figuren zurückgeworfen, die immer krudere Thesen
vertreten. Und die Mehrheit der Deutschen hält die Coronamaßnahmen weiter
für angemessen. Doch mit dem Schrumpfen der Querdenker entstand eine neue
Bewegung.
Ein radikaler Rest, der sich immer weiter eingräbt in seine
Verschwörungserzählung. Für den die Coronapolitik nur noch ein Vehikel ist
für seine Ablehnung von Staat, Politik und Medien. Der sich nicht mehr im
Protest wähnt, sondern im Widerstand. Der sich in Social-Media-Kanälen
immer weiter anstachelt und nicht mal mehr verklausuliert, sondern ganz
offen zu Gewalt aufruft gegen Impfteams oder Politiker:innen, weil es jetzt
reiche.
All das ungebremst von den Wortführern der Szene, denen Zehntausende auf
ihren Social-Media-Kanälen folgen, vielfach eher angeheizt. Die Gefahr war
nie weg. Sie war nur unsichtbarer geworden, verborgen in einer Szeneblase,
in Telegram-Kanälen. Und dort war sie durch die Radikalisierten sogar noch
gewachsen. Und nun ist [1][ein Mensch tot]. Ein junger Student, Aushilfe in
einer Tankstelle. Erschossen in Idar-Oberstein, weil er einen Kunden an die
Maskenpflicht erinnerte.
Und weil dieser „ein Zeichen setzen“ wollte. Es ist eine entsetzliche Tat.
Und es sagt alles, dass sie in Teilen der Szene gefeiert wird. Kein
Mitleid. Selbst schuld, heißt es da. Menschenverachtend und entsetzlich. Es
ist leider eine Tat, mit der früher oder später zu rechnen war. Denn das
unheilvolle Brodeln in letzter Zeit wurde von niemandem gestoppt. Dass der
Verfassungsschutz die Szene unter Beobachtung stellte, störte dort offenbar
niemanden.
Auch im Wahlkampf wurde der radikalisierte Protest nicht thematisiert – in
den Wahlprogrammen allenfalls als Randnotiz. Wie sehr hier etwas
wegrutscht, scheint in der Öffentlichkeit kaum anzukommen. Dabei ist es
Teil einer Verrohung, die Politiker:innen im Wahlkampf erleben
konnten, als ihnen dort wieder Hass entgegenschlug. Und an der
Rechtsextreme mitwirken, die ungehindert auf Plakaten appellieren:
[2][„Hängt die Grünen!]“ Oder die Leichenattrappen auf Kundgebungen
auslegen.
Diese Verrohung hatten wir schon einmal, ab 2015, als Geflüchtete in diesem
Land Schutz suchten. Damals kochte der Hass hoch und am Ende brannten
Asylheime. Auch jetzt fliegen wieder Brandsätze auf ein Impfzentrum in
Sachsen oder das Rathaus in Delmenhorst. Und wieder wird erst mal nur
zugeschaut.
Der Hetze müssen die Räume genommen werden. Erst vor wenigen Tagen
[3][sperrte Facebook 150 Querdenken-Kanäle]. Eine richtige, wenngleich zu
späte Entscheidung. Die Hauptkanäle der Szene sind längst woanders. Die
Leute vor Gericht zu ziehen wäre hilfreich. In einem ersten Schritt aber
sollte die Gefahr auf breiter Ebene thematisiert und verurteilt werden. Der
tödliche Schuss zeigt, dass die Zeit drängt.
21 Sep 2021
## LINKS
[1] /Querdenken-Bewegung/!t5718280
[2] /Plakate-der-Nazi-Partei-III-Weg/!5797283
[3] /Facebook-loescht-rechtsextreme-Konten/!5802204
## AUTOREN
Konrad Litschko
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