# taz.de -- Konservative vor Parlamentswahl: Norwegens Merkel droht Aus | |
> Der konservativen Regierungschefin Erna Solberg droht bei der | |
> Parlamentswahl eine Niederlage. Dann schlüge die Stunde der | |
> Sozialdemokraten. | |
Bild: Die norwegische Premierministerin Erna Solberg während einer TV-Debatte | |
STOCKHOLM taz | Deutsche Politik interessiert auch in Norwegen, und so wird | |
natürlich registriert, dass [1][die Epoche von Angela Merkel zu Ende geht]. | |
Rückblickend werde sie als Regierungschefin in Erinnerung bleiben, die | |
Deutschland auf internationaler Ebene mehr Respekt verschafft habe, | |
bilanzierte die linke Tageszeitung Klassekampen vor einem Monat: „Sie hat | |
sich stark für die grüne Energiewende engagiert und als eine der wenigen | |
europäischen Staatschefs 2015 die Grenzen für Flüchtlinge geöffnet.“ Auf | |
der Negativseite ihrer Amtszeit sei jedoch eine wachsende Armut und | |
Ungleichheit in Deutschland zu verbuchen. | |
Sicher werden in den kommenden Wochen in Norwegen noch weitere Analysen zur | |
Merkel-Epoche zu lesen sein. Zunächst steht dort allerdings erst einmal das | |
mutmaßliche Ende der Epoche einer Politikerin an, die bei ihrem Amtsantritt | |
2013 den Beinamen „Norwegens Merkel“ erhalten hatte: Ministerpräsidentin | |
Erna Solberg. Anders als bei der Bundeskanzlerin geht deren „Epoche“ aber | |
nicht freiwillig zu Ende. | |
Wenn in Norwegen am Abend des 13. September das Ergebnis der Parlamentswahl | |
feststeht, werden laut allen Umfragen nicht Solberg und ihre konservative | |
Høyre Grund zum Jubeln haben, sondern die Parteien der linken Opposition. | |
Nur noch mit rund 40 Prozent können die Parteien des rechten Spektrums | |
rechnen. Es könnte sogar passieren, was der Staatswissenschaftler Svein | |
Tuastad „die größte Sensation in der politischen Geschichte Norwegens seit | |
1945“ nennt: Zwei über 100 Jahre alte Parteien, die liberale Venstre und | |
die Christliche Volkspartei, könnten an der Sperrklausel scheitern. | |
Norwegens stärkste Partei könnte laut letzten Umfragen die | |
sozialdemokratische Arbeiterpartei mit einem Anteil von 25 Prozent werden. | |
Also exakt der gleiche Wert, den eine Forsa-Umfrage aktuell für die SPD | |
ermittelt hat. Sind diese 25 Prozent für die SPD ein seit Langem nicht | |
erreichter Spitzenwert, wären sie für die norwegischen GenossInnen eine | |
absolute Tiefstmarke. Bei der Parlamentswahl 2017 erreichten die | |
Sozialdemokraten 27,4 Prozent, was als Katastrophenergebnis galt. | |
## Knackpunkt ist das Öl | |
Doch das schlechteste Wahlergebnis für die Arbeiterpartei seit 100 Jahren | |
könnte den sozialdemokratischen Parteichef Jonas Gahr Støre ins Amt des | |
norwegischen Regierungschefs bringen. Das hätte er dann aber nicht der | |
Stärke der eigenen Partei, sondern möglichen Partnern für eine von ihm | |
geführte Regierung zu verdanken. 51 Prozent der NorwegerInnen möchten ihn | |
jedenfalls in diesem Amt sehen. | |
Noch Anfang des Jahres schien eine Zweiparteienkoalition der Sozis mit der | |
liberalen Zentrumspartei auf eine ausreichende Mehrheitsbasis im Parlament | |
zu kommen. Seither schwächelte diese Partei aber noch mehr als die Sozis, | |
sodass es nun eher auf eine Dreierkonstellation hinauslaufen könnte. Dafür | |
würde sich in erster Linie die rot-grüne Sozialistische Linkspartei (SV) | |
anbieten – eine bereits zwischen 2005 und 2013 erprobte Kombination. Gar | |
nicht möchte Gahr Støre auf eine der beiden anderen links-grünen Parteien | |
angewiesen sein: die grüne Umweltpartei MDG und die Partei „Rødt“ („Rot… | |
Knackpunkt jeder Regierungsbildung links der Mitte ist Norwegens Öl | |
geworden. Alle Parteien mit Ausnahme der rechtspopulistischen | |
Fortschrittspartei haben [2][die Klimafrage] zum wichtigsten Wahlkampfthema | |
erklärt. Medien sprechen von einer „Klimawahl“. Wobei sich die | |
Sozialdemokraten von den Rechtskoalitionen, die Norwegen in den vergangenen | |
acht Jahren regiert haben, in einem nicht unterscheiden: Sie verschließen | |
die Augen davor, dass eine ehrliche Klimapolitik auch das Ende der | |
norwegischen Öl- und Gasförderung in Betracht ziehen müsste. | |
Genau das wollen die drei links-grünen Parteien. Ihre in den vergangenen | |
Monaten und im Gefolge des IPCC-Klimarapports auf 20 Prozent gestiegene | |
gemeinsame Zustimmungsrate scheint zu signalisieren, dass ein wachsender | |
Teil der Bevölkerung sich mit einem kontrollierten Ausstieg aus der Öl- und | |
Gasproduktion des Landes – des weltweit siebtgrößten CO2-Exporteurs – | |
anzufreunden beginnt. | |
Während MDG und „Rødt“ einen Endpunkt für diese Förderung oder die Suche | |
nach neuen Öl- und Gasfeldern klar fixiert haben wollen, hat die SV diese | |
Forderung nicht zur Bedingung einer Regierungsbeteiligung gemacht. Die | |
Koalitionsverhandlungen könnten langwierig werden, so Johannes Berg, | |
Wahlforscher am Gesellschaftsforschungsinstitut ISF in Oslo. | |
9 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Kanzlerinrede-im-Bundestag/!5795516 | |
[2] /Neue-Regeln-fuer-Norwegens-Oelfonds/!5791320 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
## TAGS | |
Norwegen | |
Parlamentswahl | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Skandinavien | |
Norwegen | |
Norwegen | |
Norwegen | |
Norwegen | |
Norwegen | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Oslos Umweltpolitik in der Kritik: Norwegen klebt am Öl | |
Nach der „Klima-Wahl“ plant die neue norwegische Regierung bei Öl und Gas | |
eine Rückkehr zum Business as usual. Der Protest ist groß. | |
Sozialdemokraten siegen in Norwegen: „Nebelprinz“ gewinnt Wahl | |
Bei der Wahl in Norwegen hat der Millionär Jonas Gahr Støre die | |
sozialdemokratische Arbeiterpartei AP zum Sieg geführt. Unumstritten ist er | |
nicht. | |
Parlamentswahlen in Norwegen: Kampf ums letzte Öl | |
Norwegen hatte eine Klimawahl: Kleinere grüne Parteien legten zu, rechts | |
sackte ab. Nun steht eine ernsthafte Debatte um die Zukunft der | |
Ölwirtschaft an. | |
Parlamentswahlen in Norwegen: Aus für die Rechtskoalition | |
Die Linke legt zu, die Rechte ist abgewählt. Mit dem Wahlergebnis in | |
Norwegen wird künftig ganz Skandinavien wieder sozialdemokratisch regiert. | |
Kupfermine in Norwegen ohne Abnehmer: Jubel im Reppar-Fjord | |
Der Hamburger Konzern Aurubis springt vom Vertrag mit einer Kupfermine in | |
Norwegen ab. Die lokale Bevölkerung der Samen hatte das Projekt kritisiert. | |
Neue Regeln für Norwegens Ölfonds: Gemäß den Pariser Klimazielen | |
Billionenschwer und der weltweit größte Staatsfonds: Jetzt soll er nur noch | |
in Firmen mit Nullemissionsstrategie investieren dürfen. | |
Neues Gesetz in Norwegen: Retuschierte Fotos kennzeichnen | |
In Frankreich und Norwegen müssen retuschierte Fotos gekennzeichnet werden. | |
Das soll gegen unrealistische Schönheitsideale helfen – aber reicht das? |