# taz.de -- Polizeibeauftragte(r) in Berlin: Besetzung vergeigt | |
> Es war ein zentrales Projekt der rot-rot-grünen Innenpolitik. Nun | |
> entscheidet die neue Landesregierung, wer unabhängiger | |
> Polizeibeauftragter wird. | |
Bild: Bürger sollen bei polizeilichem Fehlverhalten nicht immer den Kürzeren … | |
BERLIN taz | Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linken, macht | |
keinen Hehl aus seiner Empörung. Das sei zutiefst ärgerlich, „ich bin auch | |
sauer“. Rot-Rot-Grün hat es vergeigt, einen unabhängigen Polizei- und | |
Bürgerbeauftragten zu küren. Linke und Grüne werfen der SPD vor, die | |
Entscheidung über die Besetzung des Postens aus wahltaktischen Gründen | |
blockiert zu haben. | |
Die SPD bestreitet das. Der Streit um die Personalie ist nicht der einzige, | |
der die Regierungskoalition kurz vor Schluss entzweit. Auch die | |
Verabschiedung der Bauordnung und eines Teils des Mobiltätsgesetzes hat die | |
SPD auf Eis gelegt (siehe Kasten). | |
Die Beschwerdestelle für Polizei und Bürgerangelegenheiten war ein | |
zentrales Projekt der [1][rot-roten-grünen Innenpolitik]. Mehr noch: Für | |
Linke und Grüne war sie ein Herzstück. Vier Jahre hatten sie mit der SPD um | |
die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung gerungen. Ende 2020 schließlich, | |
als [2][das Gesetz] das Parlament passierte, hatte es so ausgesehen, als | |
nähme die Geschichte doch noch ein Happy End. | |
Rot-Rot-Grün hatte das im Bundesvergleich wohl fortschrittlichste Modell | |
auf den Weg gebracht: Eine finanziell und personell großzügig ausgestattete | |
unabhängige Beschwerdestelle für Polizei und Bürgerangelegenheiten mit | |
weitreichenden Befugnissen. Eine langjährige Forderung der | |
Bürgerrechtsbewegung schien endlich in Erfüllung zu gehen. | |
## Kein offenes Ausschreibungsverfahren | |
Hinter den Kulissen begann nun die [3][Suche nach der Person], die die | |
Beschwerdestelle leiten soll. Dem Menschen also, auf dem die Erwartung | |
ruht, dass Bürger bei polizeilichem Fehlverhalten nicht immer den Kürzeren | |
ziehen. Und dass polizeiinterne Beschwerden ernst genommen werden. Der | |
Fehler war indes: Statt ein offenes und transparentes | |
Ausschreibungsverfahren einzuleiten, machten die rot-rot-grünen | |
Fraktionsspitzen die Stellenbesetzung zur ChefInnensache. | |
Nachfragen der taz nach dem Stand der Suche wurden von den drei | |
Pressestellen im April uniso damit beschieden, man gebe zu vertraulichen | |
Gesprächen und Personalangelegenheiten keine Auskunft. Die Verhandlungen | |
seien sensibel, verlautete aus Koalitionskreisen, mehrere Namen von | |
KandidatInnen lägen auf dem Tisch. | |
## Richter vom Oberverwaltungsgericht | |
Namen, die zum Teil doch durchgesickert sind, hat die taz nie | |
veröffentlicht, um den KandidatInnen nicht zu schaden. Am 18. August aber | |
schrieb der Tagesspiegel: „Im Januar soll sich die Koalition nach einem | |
SPD-Vorschlag auf einen Richter vom Oberverwaltungsgericht Berlin | |
Brandenburg geeinigt haben.“ Die innenpolitischen Sprecher von SPD, Grünen | |
und Linken bestätigten das am Mittwoch gegenüber der taz. Gefragt, warum | |
das Amt in der Zwischenzeit nicht mit dem Mann besetzt worden ist, gehen | |
die Erklärungen aber auseinander. | |
Dem Linken-Abgeordneten Schrader zufolge hatten sich die drei Parteien um | |
den 17. August herum zu einer Schlussrunde getroffen. Danach sei das Thema | |
der Presse gesteckt worden. SPD-Fraktionschef Raed Saleh sei mit den Worten | |
zitiert worden: Man werde so kurz vor Schluss keine wichtige | |
Personalentscheidung mehr zur Wahl stellen. Der Polizeibeauftragte muss vom | |
Abgeordnetenhaus gewählt werden. | |
„Die SPD ist von dem Projekt abgerückt“, sagt Schader. Er interpretiere das | |
als Abschied von R2G. Von der SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey sei | |
das mit Blick auf mögliche andere Konstellationen nach den Wahlen sehr | |
wahrscheinlich so gewollt. | |
Die Linken hätten sich einen Kandidaten aus dem bürgerrechtlichen Lager | |
gewünscht, sagt Schrader. Man habe sich dann aber „durchgerungen“, den | |
Vorschlag der SPD mitzutragen, damit der Polizeibeauftragte die Arbeit noch | |
in dieser Legislaturperiode aufnehmen könne. | |
## Paket geschnürt | |
Dem Vernehmen ging es bei der Schlussrunde im August nicht nur um den | |
Polizeibeauftragten, sondern auch um die Nachfolge für die ausscheidende | |
Datenschutzbeauftragte und um das [4][Transparenzgesetz]. Grünen und Linken | |
zufolge enthält das vorgesehene Transparenzgesetz zu viele | |
Ausnahmeregelungen für die Bereiche Wissenschaft und Bildung. „Die | |
Plagiatsvorwürfe im Fall Giffey wären so nie öffentlich geworden,“ sagt | |
Schrader. | |
Man habe aus den drei Punkten versucht, ein Paket zu schnüren, sagt der | |
grüne Innenpolitiker Benedikt Lux. „Wir wären bei dem Vorschlag für den | |
Richter mitgegangen, wenn sich die SPD beim Transparenzgesetz und der | |
Datenschutzbeauftragten bewegt hätte.“ Die Grünen hatten die ehemalige | |
Grünen-Abgeordnete Anja Schillhaneck als Datenschutzbeauftragte | |
vorgeschlagen. Man habe sich an Schillhaneck „nicht festgebissen“, sagt | |
Lux. „Aber wenn der Polizeibeauftragte ein Mann wird, muss die | |
Datenschutzbeauftragte eine Frau sein.“ | |
Ein radikaler Polizeikritiker sei für die SPD auf dem Posten ein no go, | |
weil er zu der Behörde nicht das erforderliche Vertrauen aufbauen könne, | |
sagt Frank Zimmermann, innenpolitischer Sprecher der SPD. Es habe aber | |
durchaus Vorschläge von Grünen und Linken gegeben, „wo wir nicht gleich | |
nein gesagt haben“. Zwei Kandidaten hätten aber nicht zur Verfügung | |
gestanden, zwei Kandidatinnen hätten aus persönlichen Gründen abgesagt. | |
Ganz zum Schluss seien die Grünen dann mit dem Junktim gekommen: „Wir | |
tragen den Richter mit, wenn ihr unsere Datenschutzbeauftragte mittragt.“ | |
Beim Transparenzgesetz sei es ähnlich gewesen. Die Änderungsvorschläge | |
seien gekommen, obwohl es schon eine Senatsvorlage gab. „Es war nicht so, | |
dass sich alle bewegt haben und plötzlich wollte die SPD nicht mehr“, sagt | |
Zimmermann. | |
Der SPD gehe es um Macht und nicht um Bürger- und Freiheitsrechte, schimpft | |
Lux. Dass nun erst nach Wahl über die Stellenbesetzung entschieden werde, | |
sei aber auch vertretbar. „Das Gesetz ist verabschiedet, es gibt eine | |
Verpflichtung“, tröstet sich Schrader. Aber er weiß auch: „Die Wirksamkeit | |
des Amtes steht und fällt mit der Person.“ | |
Wenn die SPD wieder mitregiere, „werden wir uns für eine schnelle Besetzung | |
des Postens einsetzen“, kündigt Zimmermann an. Ein unabhängiger Richter auf | |
dem Posten sei optimal. | |
10 Sep 2021 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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