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# taz.de -- Nandus in Mecklenburg-Vorpommern: Grenzen der Willkommenskultur
> Im Norden geht es dem Nandu gut. Doch nachdem der Laufvogel aus
> Südamerika lange umsorgt wurde, wird die Luft für ihn langsam dünner.
Bild: Yummy Pflanzen in Deutschlands Norden: Ein wildes Nandu im Westen Mecklen…
Nandus gehören zu den Vögeln, die heißen, wie sie rufen. [1][Dabei klingen
die tief schallenden und weit reichenden „Nan du“-Rufe] weniger nach einem
Vogel. Sie ähneln eher dem „Roar“ großer Säugetiere. Vor allem von den
männlichen Nandus zu hören, haben die tiefen Sounds den Vögeln nicht nur
ihren Namen, sondern auch viel Platz in lateinamerikanischen Mythen und der
Populärkultur eingebracht. Da die Vögel ihr „Nan du“ auch in die Nacht
rufen, kennt sie überall, wo sie vorkommen, wirklich jede und jeder als
Nandus.
So auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo die flugunfähigen Großvögel aus der
Steppe Südamerikas zwischen Raps- und Weizenfeldern hervorragende
Lebensbedingungen vorgefunden haben. Fast 600 Exemplare wurden 2018
gezählt. Bei der Population handelt es sich um die einzige in Europa; sie
stammt von den wenigen Vögeln ab, die 2000 aus einem Gehege südlich von
Lübeck entwischen konnten.
Nandus kommen im Norden Brasiliens und in Argentinien in zwei Arten vor und
werden bis zu 25 Kilogramm schwer. Beide Arten werden oft als
Nahrungskonkurrenten von größeren Säugetieren wie Schafen und Rindern
angesehen, das ist aber nur die halbe Wahrheit. Nandus verputzen auch
Samen, die Rindern zu bitter sind, und solche mit Hafthülle, die den
Schafen die Wolle verfilzen. Wahrscheinlich sind die Nandus also eher
Freunde und Helfer der Rinder und Schafe.
Gründe, Nandus zu vertreiben, gibt es für Menschen eigentlich nicht. Die
Vögel sind grundsätzlich freundlich und lassen sich auch dementsprechend
leicht zähmen. In Deutschlands Norden gibt es auch eine erzwungene
Willkommenskultur für den Vogel aus Südamerika: [2][Nandus sind nach dem
Washingtoner Artenschutzabkommen geschützt.]
## Der Hahn kümmert sich um die Aufziehung von Jungtieren
Dennoch wurde unlängst per Ausnahmegenehmigung die Jagd auf den Vogel
eröffnet, weil er sich bei den Rapsbauern durch die Ernte fraß. [3][Bei der
Herbstzählung verzeichnete das Agrarministerium in Schwerin 2020 nur noch
knapp 300 Tiere.] Unklar ist, ob die braven Vögel nur das Fürchten vor dem
Menschen gelernt haben und sich besser verstecken oder ob heimische Jäger
ihren Blutdurst auf Großwild entdeckt haben.
In offenen Gruppen von fünf bis 30, seltener bis zu 50 und mehr Vögeln
umherziehend, achten Nandus streng auf die Einhaltung einer gewissen
Individualdistanz. Wird diese unterschritten, kommt es zu den wenigen
Aggressionen, die das Sozialleben der Nandus begleiten. Dann gibt es gegen
den Eindringling einen in die Luft gesetzten Kopf-nach-vorn-Stoß, der aber
immer symbolisch bleibt und nie gefährlich wird.
Leben in den großen Gruppen weibliche, männliche und heranwachsende Nandus
ohne strengere Hierarchien zusammen, werden die Nanduhähne in der
Paarungszeit territorial. Um ihre Territorien, die aus nichts mehr als
einer mit Gras ausgelegten Nestmulde bestehen, können die Hähne auch mit
Bissen und Tritten kämpfen.
Da sie aber, bevor sie kämpfen, oft lange nebeneinanderher laufen, um dabei
vermutlich ihre Kräfte zu messen, ist die Regel nicht der Kampf. Meistens
hat einer der Hähne schon beim Laufen eingesehen, dass der andere stärker
ist, und verlässt den Kampfplatz. Und wenn die Hähne sich dann um ihre
Nester verteilt haben, versuchen sie Hennen von sich zu überzeugen.
## Nandus leben in einer freien Gemeinschaft
Auch dafür rennen die Hähne wieder viel, wie Nandus überhaupt sehr schnelle
Läufer sind. Zickzack laufend mit abgespreizten Flügeln, umgarnt der Hahn
einige Hennen. In der Folge wird er die Hennen irgendwann zum Nest führen,
in das sie alle nacheinander ihre Eier legen – bis zu 56 Stück kommen da
insgesamt schon mal zusammen. Die Hennen ziehen von Hahn zu Hahn weiter,
und die Brut und die Pflege der Jungen, was beides zusammen insgesamt sechs
Monate dauern kann, erledigt allein der Mann.
In diesem Zeitraum, in dem die Küken nicht nur für Feinde wie Greifvögel
oder Hunde extrem verwundbar sind, verhalten sich die Nanduhähne wachsam
und aggressiv. Wobei ihre Aggressionen sich dann nicht mehr gegen anderen
Nanduhähne richten: Die Küken wählen ihr Nest selbst aus, das heißt, Küken
des einen Hahns können ohne Furcht zu einem anderen wechseln.
Wenn nach sechs Monaten die Alleinaufzucht des Hahns endet und die Hähne
sich wieder mit den Hennen in Gruppen zusammentun, bleiben die Jungen in
der Regel für weitere zwei bis drei Jahre in der Nähe ihres Ziehvaters.
Danach versuchen neue Hähne selbstständig eine Nestmulde anzulegen und zu
verteidigen.
10 Sep 2021
## LINKS
[1] https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/ALANHMDAWCQNFUWEOC6J3QQM4K…
[2] /!5766515/
[3] https://www.regierung-mv.de/Landesregierung/lm/Aktuell/?id=166219&proce…
## AUTOREN
Cord Riechelmann
## TAGS
Schwerpunkt Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern
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Vogel
Landwirtschaft
Tier
Naturschutz
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Jagd
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