# taz.de -- Terrorismus-Prozess gegen Franco A.: Was eine Pistole erzählen kann | |
> Franco A. soll rechte Anschläge geplant haben. Im Prozess gegen den | |
> Bundeswehroffizier wird eine Schusswaffe zu einem aufschlussreichen | |
> Beweisstück. | |
Bild: Hatte die Waffe vermutlich schon öfters in der Hand – Franco A. im Mai | |
FRANKFURT AM MAIN taz | Gut 700 Kilometer ist Christina Stein mit ihrem | |
Auto von Wien nach Frankfurt am Main gefahren. Nur fünfzehn Minuten braucht | |
die forensische Molekularbiologin im Großen Schwurgerichtssaal des | |
Oberlandesgerichts, um [1][die Geschichte des wegen Terrorismus angeklagten | |
Offiziers Franco A.] auseinanderzunehmen. | |
Dieser behauptet, er habe im Januar 2017 während einer Sauftour in Wien | |
pinkeln müssen und dabei eine mit sieben Kugeln geladene Pistole der Marke | |
M. A. P. F. in einem Gebüsch gefunden. Als er nach Deutschland zurückkehren | |
wollte, sei ihm auf dem Flughafen die Waffe wieder eingefallen. Weil er | |
sich nicht anders zu helfen wusste, habe er sie dort in einer Toilette | |
versteckt. | |
Christina Stein hat die Pistole nie selbst in der Hand gehalten. | |
Beamt:innen der Polizei in Niederösterreich haben sie mit speziell dafür | |
angefertigten Papierquadraten, sogenannten Onserts, abgerieben. Diese | |
Abriebe hat Stein untersucht. Sie sagt, es sei nur die DNA von Franco A. | |
auf der Waffe gefunden worden. Und: „Die DNA-Profile waren insgesamt doch | |
sehr stark ausgeprägt, sodass man davon ausgehen kann, dass sie durch einen | |
regelmäßigen Gebrauch, durch regelmäßiges Hantieren entstanden sind.“ | |
Ob diese Spuren auch durch Urin entstanden sein könnten, will der | |
Vorsitzende Richter Christoph Koller wissen. Stein antwortet, die | |
Beamt:innen hätten keine Auffälligkeiten wie zum Beispiel Spritzspuren | |
festgestellt. „Es würde auch nicht zu dem Bild, was ich jetzt von dieser | |
Waffe habe, passen.“ Selbst an Stellen, die bei Pistolen üblicherweise | |
wenig angefasst würden, seien starke Spuren gefunden worden. Urin enthalte | |
dafür im Verhältnis zu seinem Gesamtvolumen zu wenig DNA. | |
## Unappetitliche Ungereimtheiten | |
„Und ist es wissenschaftlich erlaubt, aufgrund ihrer Feststellungen den | |
Schluss zu ziehen, dass die Person die Waffe öfters in der Hand gehabt | |
haben muss?“, fragt Christoph Koller. | |
„Öfters, ja“, sagt Stein, „weil ich hier vom Magazin, das ist ja in der | |
Waffe drin, ein genauso starkes DNA-Profil habe wie von der Griffschale.“ | |
Franco A. muss die Waffe also mehr als einmal in der Hand gehabt haben. Und | |
das Magazin hat er auch herausgenommen und angefasst. Beides kommt in | |
seiner Pinkelerzählung aber nicht vor. | |
Die Pistole ist wichtig, weil sich bedeutsame Aspekte der Anklage auf sie | |
stützen. Der Generalbundesanwalt wirft Franco A. vor, er habe einen oder | |
mehrere Anschläge geplant, um den rassistischen Hass auf Geflüchtete weiter | |
anzustacheln. [2][Franco A. hat zwar zugegeben, auch weitere Waffen | |
besessen zu haben, darunter ein Schnellfeuergewehr G 3]. Aber die Pistole, | |
ein Fabrikat, das von Wehrmachtsoffizieren im besetzen Frankreich benutzt | |
wurde, ist die einzige Waffe, die die Ermittler tatsächlich auch gefunden | |
haben. | |
## Showdown vor der Airport-Toilette | |
Sie ist auch der Grund, warum die Ermittler:innen Franco A. überhaupt | |
auf die Spur kamen. Am 3. Februar 2017 kehrt der nämlich wieder zum Wiener | |
Flughafen zurück und geht wieder auf eben jenes Klo, auf dem er die Pistole | |
versteckt hat. Die ist allerdings weg, eine Putzkraft hat sie gefunden. Als | |
Franco A. wieder aus der Toilette kommt, warten österreichische Polizisten | |
auf ihn. | |
Diese Szene ist in der Gerichtsverhandlung am Montag auch zu sehen, | |
aufgezeichnet von einer Videokamera. Die Polizei hatte eine Falle | |
installiert, um zu sehen, wer die Waffe abholen will. Die Österreicher | |
vernehmen Franco A. und schicken seine Fingerabdrücke nach Deutschland. | |
Dadurch wiederum kommt heraus, dass der inzwischen suspendierte | |
Oberleutnant 15 Monate lang ein Doppelleben geführt hat: als aus Syrien | |
geflüchteter Mann mit dem Namen Benjamin David. Im Dezember 2015 stellt er | |
in der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen einen Asylantrag. | |
Er bekommt eine Unterkunft im bayerischen Erding und ein knappes Jahr | |
später subsidiären Schutz als Bürgerkriegsflüchtling. Der | |
Generalbundesanwalt wirft Franco A. vor, er habe diese Identität für einen | |
Anschlag oder ein Attentat unter falscher Flagge benutzen wollen. | |
## Plante er einen Anschlag unter falscher Flagge? | |
Das Szenario der Ankläger könnte so aussehen: Ein Mann schießt auf | |
Menschen, tötet oder verletzt sie. Die Fingerabdrücke, die später von ihm | |
zum Beispiel auf der Tatwaffe gefunden werden, sind einem Geflüchteten | |
zuzuordnen. Daraufhin kommt es zu Ausschreitungen. | |
Österreichische Medien haben spekuliert, dass Franco A. deshalb am 3. | |
Februar zurück nach Wien gekommen ist. An diesem Tag organisiert die | |
rechtsradikale FPÖ jedes Jahr den Akademikerball. Tausende Menschen | |
demonstrieren dagegen. Theoretisch ein ideales Szenario für einen Anschlag | |
unter falscher Flagge. | |
Die Verteidigung versucht in der Verhandlung am Montag, die Aussagen von | |
Christina Stein mit Fragen zu relativieren. Die wiederholt ihre Aussagen, | |
nur deutlicher. Daraufhin bekommen die Anwälte einen Anranzer von Richter | |
Koller: „Der Herr A. tut mir leid, wenn er so verteidigt wird.“ | |
6 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Gerichtsverfahren-gegen-Franco-A/!5781448 | |
[2] /Mutmasslicher-Rechtsterrorist-vor-Gericht/!5778324 | |
## AUTOREN | |
Daniel Schulz | |
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