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# taz.de -- Frauenrechte in Afghanistan: Eine Katastrophe
> Die Taliban werden die schwer erkämpften Rechte der Frauen in kürzester
> Zeit zunichte machen. Sie zahlen den höchsten Preis für den überstürzten
> Abzug.
Bild: Zurück zur Scharia heißt es jetzt für die Frauen unter der Herrschaft …
Der Sieg der Taliban ist Ausdruck des Desinteresses der Welt an einem Land,
das wie kein anderes für Jahrzehnte aus Krieg, Terror und Gewalt steht. Die
ganze Region befindet sich in einer tiefgreifenden Krise, deren
Auswirkungen schon bald bis nach Deutschland zu spüren sein werden. Schon
jetzt füllen sich in der Türkei die Flüchtlingslager mit Menschen aus
Afghanistan, die vor dem Terror der Taliban fliehen. Die meisten von ihnen
werden nicht in der Türkei bleiben wollen.
Frauen sind, das steht jetzt schon fest, die größten Verlierer dieses
überhasteten Abzugs. Vor wenigen Tagen veröffentlichte Human Rights Watch
einen [1][Bericht], der vor der drohenden Gefahr von steigender Gewalt
gegen Frauen im Zusammenhang mit der Rückkehr der Taliban warnt, vor allem
einer möglichen Abschaffung des EVAW Gesetzes.
Das Elimination of Violence against Women, kurz EVAW Gesetz wurde 2009 als
Präsidialakt erlassen und als Meilenstein gefeiert. Ursprünglich sollte die
Mittelvergabe an die Einhaltung und Kontrolle dieses Gesetzes verknüpft
werden, doch eine Rechenschaftspflicht wurde nie verankert. Mit dem Gesetz
sollen Frauen darin bestärkt werden, Gewalttäter anzuzeigen, auch und
gerade, wenn diese aus der eigenen Familie stammen.
Trotz seiner schwachen Umsetzung war dieses Gesetz in den vergangenen
Jahren ein wichtiges Instrument in der Stärkung von Frauenrechten. Nichts
hassen die Taliban mehr als gebildete, emanzipierte Frauen, wie sie seit
einigen Jahren wieder ganz selbstverständlich zum Straßenbild von Kabul und
Herat gehören, deshalb wird dieses Gesetz eines der ersten sein, das sie
abschaffen.
## Erdogan will mit Taliban verhandeln
Von da an wird jede Frau wieder der Gnade ihres Vaters, Ehemannes und ihrer
Dorfgemeinschaft ausgeliefert sein, ohne Hoffnung auf Schutz oder
Gerechtigkeit. Obwohl die Taliban versichern, Frauenrechte zu schützen,
mehren sich die Berichte von Frauen, die von gezielten Racheakten der
Taliban berichten. Während Bundesaußenminister Heiko Maas mit der
Einstellung deutscher Hilfen für Afghanistan droht, kündigt der türkische
Präsident an, sich mit der Taliban-Führung zu Gesprächen treffen zu wollen.
Der drohende Flüchtlingsstrom zwingt ihn zum Handeln, doch auch jenseits
dessen droht ein Stellvertreterkrieg wie in Syrien oder Libyen. Seit
Längerem ist bekannt, dass die Taliban-Führung von Pakistan unterstützt
wird. Taliban-Kämpfer werden in pakistanischen Krankenhäusern versorgt,
besitzen Häuser und Wohnungen als [2][Rückzugsmöglichkeiten in Pakistan]
und schicken ihre Kinder dort zur Schule.
Auch finanziell werden die Taliban von Pakistan unterstützt, auch wenn die
pakistanische Regierung das offiziell bestreitet. Auch [3][China und
Russland] haben in den vergangenen Wochen hochrangige Vertreter der Taliban
zu Gesprächen empfangen, es besteht ein strategisches Interesse an der
Zusammenarbeit mit den Terroristen. China erhofft sich Unterstützung bei
der Unterdrückung der Uiguren, Russland geht es um die Sicherung der
tadschikischen und usbekischen Grenze.
Tatsächlich steht damit nicht weniger als das vollständige Scheitern des
UN-Mandats zur Befriedung der Region unmittelbar bevor. Aus deutscher Sicht
stellt sich die Frage: Wofür sind die 59 Bundeswehrsoldaten gestorben, wenn
nun alles, was in 20 Jahren erkämpft und erarbeitet wurde, so schnell genau
den Kriegsherren überlassen wird, denen man das Land und seine Menschen
doch eigentlich entreißen wollte?
## Taliban werden die erkämpfte Freiheit zunichte machen
Was ist aus dem Versprechen von 2015 geworden, Fluchtursachen in den
Herkunftsländern zu bekämpfen? Die Abschiebungen nach Afghanistan hat das
Innenministerium erst vor wenigen Wochen ausgesetzt, schon ist mit neuen
zahlreichen Flüchtlingen zu rechnen. Die Menschen in der Region lieferte
man damit endgültig der islamistischen Gewalt aus, die Hoffnung auf Frieden
rückt endgültig in weite Ferne. In urbanen Zentren wie Kabul, Herat, Mazar,
Kunduz oder Kandahar war die Emanzipation der Frauen zuletzt noch
unübersehbar. Die Frage ist jetzt, wie lange sich diese Form von Widerstand
in einem Land halten kann, in dem sich niemand mehr den Taliban
entgegenstellt und diese von ausländischen Autokraten unterstützt werden.
Die Taliban werden jedes bisschen Freiheit, das sich die Frauen in den
letzten Jahren hart erkämpft haben, binnen kürzester Zeit zunichte machen.
Und die Weltöffentlichkeit schaut zu. Die Tragödie der Frauen von
Afghanistan war absehbar und sie wurde von den westlichen Mächten billigend
in Kauf genommen. Das Gerede der westlichen Werte wird durch die
Geschehnisse zur Farce, alle Versprechen als Heuchelei entlarvt.
Eine Bankrotterklärung, auch der deutschen Außenpolitik, die es über Jahre
versäumt hat, eine eigene geopolitische Strategie für den Nahen Osten zu
entwerfen und sich entsprechend zu positionieren. Wir werden uns diese
Versäumnisse noch lange vorwerfen lassen müssen.
19 Aug 2021
## LINKS
[1] https://www.hrw.org/de/news/2021/08/05/afghanistan-justizsystem-laesst-frau…
[2] https://www.rnd.de/politik/afghanistan-taliban-vormarsch-welche-rolle-spiel…
[3] https://www.businessinsider.de/politik/welt/darum-hofieren-china-und-russla…
## AUTOREN
Salahdin Koban
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