# taz.de -- Frauenfußball im Nahen Osten: Saudische Lockerungen | |
> Trotz Vorbehalte möchte Saudi-Arabien eine Frauenfußball-Auswahl. Die | |
> deutsche Trainerin Monika Staab will die Strukturen dafür schaffen. | |
Bild: Staab (zweite von rechts, zweite Reihe) mit ihren Lehrlingen in Riad | |
Lange Zeit war Frauenfußball in Saudi-Arabien eine geheime Angelegenheit, | |
weil unerwünscht und verboten. Nichtsdestotrotz gab es vereinzelte Teams | |
wie den FC Nomads aus Dammam an der Ostküste, die geheim hinter dicken | |
Mauern kickten. Wenn die Frauen vom FC Nomads mehr wollten, fuhren sie in | |
Kleinbussen über die Brücke ins benachbarte freizügigere Königreich Bahrain | |
zum Trainieren und Spielen. | |
Das erzählte der damalige US-amerikanische Nomads-Coach, als seine | |
Spielerinnen vor einigen Jahren an einem Turnier in Abu Dhabi teilnahmen. | |
Verbunden mit der Bitte, keine Fotos zu veröffentlichen. Es gebe sonst | |
Riesenprobleme für seine Fußballerinnen. Die Furcht vor Repressalien | |
konkurrierte mit der Leidenschaft der Spielerinnen für den Fußball und die | |
Heimat, die schon mal in der auf den Wangen aufgetragenen saudischen Flagge | |
als Statement des Stolzes sichtbar wurde. | |
Seit Kurzem ist das alles Geschichte, weil [1][das islamisch-konservative | |
Königreich Frauen mehr Rechte zugesteht]: Auto fahren ist seit 2018 | |
möglich, den Männern im Stadion beim Fußball zuschauen und seit Neuestem | |
sogar selbst kicken. Es gibt mittlerweile drei regionale Frauenligen auf | |
kleinem Feld mit Neunerteams rund um Dschidda, Riad und Dammam. Die frühere | |
Frankfurter Fußballerin Monika Staab (62) baut ab 1. September auf | |
Einladung der saudischen Machthaber das erste weibliche Nationalteam auf. | |
Sie schöpft aus einem Erfahrungsschatz von Entwicklungsarbeit in rund 80 | |
Ländern für Fifa, Uefa, DFB, DOSB, Auswärtiges Amt und NGOs. | |
„Kronprinz Mohammed bin Salman al-Saud scheint die Türen für die Frauen und | |
den Sport geöffnet zu haben. Seit Kurzem dürfen auch Mädchen in den Schulen | |
Sport treiben. Was natürlich eine sehr gute Basis für die Förderung des | |
Mädchenfußballs in der Zukunft ist. Das ist eine spannende Entwicklung“, | |
sagt Staab, die nach einem zweijährigen Engagement in Gambia im letzten | |
Dezember bereits in Riad 25 junge Frauen als Trainerinnen mit C-Lizenz | |
ausgebildet hat. Der saudische Fußballverband hatte die Kursteilnehmerinnen | |
ausgesucht. Alle Kandidatinnen haben bestanden. | |
Ein B-Lizenz-Kurs soll nun innerhalb des neuen Staab-Engagements folgen. | |
Auch Lehrerinnen sollen eine Fußballausbildung bekommen. Staab möchte ein | |
nachhaltiges und solides Fundament aufbauen, eine Struktur schaffen. „Es | |
gilt, Trainer auszubilden, damit sie die Sache irgendwann auch selber in | |
die Hand nehmen können. Vor allem: Trainerinnen, weil die Eltern natürlich | |
sehr darauf bedacht sind, dass auch Frauen die Mädchen trainieren.“ | |
## Streben nach Akzeptanz | |
Dieser kulturelle Aspekt gehöre dazu, „dass natürlich eine Frau ganz andere | |
Anerkennung findet, vor allem bei den Eltern. Denn die gilt es zu | |
überzeugen, dass auch ihre Mädchen gerne Fußball spielen möchten, und ich | |
glaube, ja, das wird auch mit die Hauptaufgabe sein, damit die Gesellschaft | |
den Frauenfußball akzeptiert.“ Monika Staab betont: „Dies ist gerade was | |
mich interessiert und diese Arbeit so spannend macht. Ich freue mich | |
darauf.“ Gleichwohl werde das ganze Projekt wohl ein ziemliches Abenteuer. | |
Im Dezember hätten die ausgesuchten Fußballerinnen großes Interesse und | |
viel Potenzial gezeigt, seien regelrecht enthusiastisch und wissbegierig. | |
Auch der Hijab sei kein Problem. Das sportliche Resümee beinhaltet Lob und | |
Verbesserungsbedarf. „Ich konnte ein Neunerfeld-Meisterschaftsturnier | |
beobachten und war sehr von den Leistungen der Spielerinnen überrascht. Die | |
Einstellung stimme, aber man müsse die Ansprüche herunterschrauben. „Wir | |
fangen nicht ganz bei null an. Technisch und taktisch gibt es im Grunde | |
keine Vorbildung. Einige können ganz gut mit dem Ball umgehen. Das war es | |
aber auch schon.“ Und nicht überall in Saudi-Arabien riefen die Menschen | |
jetzt „Hurra, die Frauen spielen Fußball“. | |
Staab sagt: „Es ist immer interessant zu sehen, wie weit man in einer | |
Gesellschaft gehen kann.“ Gerade in der arabisch-muslimischen Welt sei es | |
etwas ganz Besonderes, sich dem Frauenfußball zu widmen und sich | |
durchzusetzen, zu argumentieren, dass auch Frauen Spaß am Fußballspielen | |
haben. „Ich freue mich, dazu beizutragen, den Frauen die Möglichkeit zu | |
geben, diesen wunderbaren Sport auszuüben, ihnen dabei zu helfen, einen | |
wirklich guten Unterbau zu bekommen, um auch langfristig den Frauenfußball | |
in Saudi-Arabien zu etablieren.“ | |
Ihre Vertragslänge sei offen, sagt die als ehrgeizige, akribische und | |
hartnäckige Arbeiterin bekannte Deutsche aus dem hessischen Dietzenbach. | |
Pionierarbeit und Mammutaufgabe wieder einmal zugleich. Wo der Weg | |
hinführt? „Ziel ist es, in die Fifa-Rangliste zu kommen, dazu müssen | |
offizielle Länderspiele durchgeführt werden.“ Zuvor also sind viele Reisen | |
in die Regionen erforderlich für den Kaderaufbau. Die Jeddah Eagles konnten | |
als großer Klub 2019 ihre regionale Jeddah Women’s League gewinnen. | |
Aktueller Meister sind die Eastern Flames aus Dammam als Sieger der KSA | |
Women Football League Ende letzten Jahres beim Turnier der besten Teams aus | |
den drei Staffeln. Der Klub übrigens wurde bereits 2006 vom Erdölkonzern | |
Aramco für die freizeitsportliche Ertüchtigung seiner Arbeitnehmer | |
gegründet. | |
## Akademien für Mädchen geplant | |
„Das Interesse am Frauenfußball ist groß“, sagt Monika Staab und hofft auf | |
Nachhaltigkeit ihrer Arbeit beim Umbau vom Kleinfeld auf das Großfeld. | |
„Lamia Bahaian, Direktorin der Frauenfußball-Abteilung beim Saudischen | |
Fußballverband und die Board Member des SAFF um Adwa al-Arifi sind sehr | |
engagiert und seriös.“ Verbandspräsident Yasser al-Mishehal unterstützte | |
den Frauenfußball. Das sei eine gute Voraussetzung für die Aufbauarbeit. | |
Akademien für Mädchen ab 12 Jahre seien geplant, nicht nur in der | |
Hauptstadt Riad, sondern auch in anderen großen Städten. Staab sagt: „Die | |
Verantwortlichen des SAFF sehen eine langfristige strategische Entwicklung | |
und nachhaltige Förderung des Frauenfußballs positiv.“ So soll auch eine | |
U17 Auswahl entstehen. | |
Staab hat bislang auch schon intensive Erfahrungen im Nahen Osten machen | |
können. Sie betreute etwa das Frauennationalteam des Königreichs Bahrain | |
(2007) und des Emirates Katar (2013 und 14). | |
Zwar gibt es im Katar eine Liga mit sechs Teams. Das letzte offizielle | |
Länderspiel war allerdings 2014, das erste 2010 endete mit einem Desaster. | |
0:17 verlor man beim Arabia Cup in und gegen Bahrain. Es müsse sich noch | |
einiges tun, damit der Frauenfußball in dem Emirat mehr unterstützt und | |
anerkannt wird, meint Monika Staab. „Die Frauenrolle in der Gesellschaft | |
ist klar definiert, sicherlich gehört Fußball nicht dazu. Ein Araber sagte | |
mal zu mir, dass eine Frau ein Kristall sei und wenn sie Fußball spielt, | |
wird sie zerbrechen. Ich antworte ihm, dass ich schon seit 50 Jahren spiele | |
und noch nicht zerbrochen bin.“ [2][Die Gründung des Frauennationalteams | |
2010 ist nach Ansicht von Staab eine Art Alibi gewesen], um sich gemäß den | |
Fifa-Vorschriften für die WM 2022 bewerben zu können. | |
Ebenfalls noch nicht bei der Fifa gelistet ist Kuwait. Frauenfußball ist | |
dort ein zartes Pflänzchen an Universitäten und Highschools. 2017 wurde | |
eine kleine Liga mit sieben Teams ins Leben gerufen. Im Sultanat Oman tut | |
sich was: Die frühere syrische Nationalspielerin Maha Janoud reformiert im | |
Auftrag der Frauenabteilung mit einem Fünfjahresvertrag gerade die | |
Frauenliga. Imposant: 23 Teams spielen mit. Ein Nationalteam soll gegründet | |
werden, auch der Unterbau dazu. Für ein solides Fundament bietet Janoud | |
Trainer-Lehrgänge an, sichtet an Schulen und Universitäten. Einzig im Jemen | |
ruht der Ball noch gänzlich. | |
## Vorreiter Bahrain | |
Gelistet bei der Fifa sind Bahrain auf Rang 85 und die Vereinigten | |
Arabischen Emirate auf Platz 100. Bahrain spielte 2004 erstmals in | |
Jordanien bei einem Fußballturnier. 2007 erweiterte man seine Bemühungen | |
auf das Großfeld. Angreiferin Reem al-Hashmi (29) ist Rekordspielerin mit | |
58 Einsätzen und 51 Toren. Längst gibt es eine Liga in Bahrain, dem | |
Vorreiter im Frauenfußball am Golf. Die Tekkers Academy bildet heute in | |
sechs Standorten gut 200 Mädchen aus. | |
„Wir haben mit großer Resonanz ein Testturnier an Schulen veranstaltet. Von | |
den Mädchen waren über die Hälfte Bahrainerinnen und nicht Engländerinnen | |
oder Amerikanerinnen. Das stimmt zuversichtlich“, erklärte Scheich Fawaz | |
Mohamed al-Khalifa als damaliger Präsident des Ministeriums für Jugend und | |
Sport bereits 2003. Dass Mädchen und Frauen kicken, ist auf der kleinen | |
Insel im Golf heute weitgehend akzeptiert. Sicherlich auch dank sportlicher | |
Erfolge und der Existenz eines Frauenkomitees im Verband. | |
Die Vereinigten Arabischen Emirate starteten 2010 auf großem Feld, spielten | |
vorher auf kleinem Feld. Teams und Ligen gibt es zahlreich auf kleinem | |
Feld, überwiegend in Dubai. Führend aber ist der Abu Dhabi Country Club, | |
der 2006 schon zu einem viel beachteten internationalen Turnier einlud. | |
Von all diesen Entwicklungsschritten ist man in Saudi-Arabien noch weit | |
entfernt. Erste Aufgabe werde es sein, erklärte Monika Staab, das Spiel elf | |
gegen elf einzuführen. | |
28 Aug 2021 | |
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## AUTOREN | |
Rainer Hennies | |
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