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# taz.de -- Vorschlag für Berliner Sommerbäder: Mehr als nur Baden gehen
> Die Initiative „Pool Potentials“ will Berlins die Sommerbäder auch im
> Rest des Jahres öffnen. Nutznießer könnten Kulturprojekte und Obdachlose
> sein.
Bild: Schwimmen im Sommer, und später dann…
Berlin taz | Berlins Sommerbäder sind ein Schatz: ein gutes Dutzend grüner
Oasen, über die gesamte Stadt verteilt, in denen Menschen dringend
benötigte Abkühlung finden oder sportlich ihre Bahnen ziehen können. Aber
sie bieten auch – zumindest ohne Pandemie – Raum für andere wichtige Dinge:
Sonne tanken, Freunde treffen, Pommes essen, Federball spielen, Rumliegen,
Mensch sein. Das geht dort zwischen Juni und September.
Und dann? Passiert nicht viel, von den notwendigen Instandhaltungsarbeiten
einmal abgesehen. Die Initiative „Pool Potentials“ findet das verschenkt:
„Die zehn Berliner Sommerbäder – ohne die Kombi-, Kinder- und Freibäder an
Seen – haben zusammen eine Fläche von rund 450.000 Quadratmetern“, sagt
Benjamin Meurer von „Pool Potentials“. „Ein wahnsinniges Flächenangebot,
das in Frühling, Herbst und Winter brachliegt.“
„Pool Potentials“ sind drei frisch ausgebildete ArchitektInnen, die sich
schon im Rahmen ihrer Masterarbeit die Frage gestellt haben, wie sich
dieser Flächen-Schatz in einer immer dichter werdenden Stadt heben ließe.
Zuerst von Corona ausgebremst, haben sie sich jetzt ihres Herzensprojekts
wieder angenommen. Mit einer Projektförderung aus dem Fonds „Urbane Praxis“
der Kulturverwaltung sammeln sie – im Netz und per Postkarten auch in den
Bädern selbst – Ideen für Zwischennutzungen.
Bei einem solchen Brainstorming kommt naturgemäß alles Mögliche heraus. Auf
[1][poolpotentials.de], wo die Initiative auch Daten und Fotomaterial zu
den Sommerbädern bereithält, lässt sich schon erahnen, dass vielleicht
nicht alles umsetzbar wäre. Etwa der „Palmen Parkplatz Kreuzberg e. V.“:
die Vision eines temporären Gewächshauses im Becken des Prinzenbads, wo die
empfindliche Topfpflanze vom Balkon überwintern und ihrE BesitzerIn einen
Kaffee in tropischem Ambiente schlürfen kann.
Deutlich näher an der Realität dürfte der Vorschlag sein, die Infrastruktur
einiger Bäder für die Unterbringung obdachloser Menschen im Winter zu
nutzen – etwa die 1.200 Quadratmeter Umkleiden im Neuköllner Columbiabad.
Über diese Idee hat „Pool Potentials“ auch schon Robert Veltmann befragt,
den Geschäftsführer der Gebewo, einem sozialen Träger, der unter anderem
die Berliner Kältehilfe koordiniert. Der könnte sich so etwas nach eigener
Aussage durchaus vorstellen.
## Positive Signale
Auch aus der Sozialverwaltung des Senats kommen grundsätzlich positive
Signale: „Wir unterstützen alle Vorhaben, durch die sich die Situation
obdachloser Menschen verbessern lässt, vor allem im Winter im Rahmen der
Kältehilfe“, sagt Sprecherin Karin Rietz auf Anfrage. „Wir standen mit dem
Projekt am Anfang der Überlegungen, mussten die Idee aber mit Beginn der
Coronapandemie vorläufig verwerfen.“ Unter den geltenden
Hygienevorschriften hätte sie sich nicht umsetzen lassen, so Rietz.
Zum Brainstorming hat sich „Pool Potentials“ aber auch mit AkteurInnen wie
den Prinzessinnengärten oder dem KünstlerInnen-Netzwerk Berlin Mondiale
getroffen. Open-Air-Kulturevents auf den weiten Flächen der Liegewiesen
seien ebenso vorstellbar wie die Nutzung von Gebäuden als temporäre
Ateliers, so Benjamin Meurer.
Es gebe weiterhin die Idee, manche Bäder einfach durchgehend zu betreiben,
so Meurer: „In München gibt es so etwas schon, mit dem Dantebad. Da stellt
sich natürlich die Frage, wo die Energie herkommt, um die Becken zu
beheizen.“ Aber auch die Überdachung mittels einer Traglufthalle sei
vorstellbar. Im Kombibad Seestraße wird das seit dem vergangenem Jahr auch
gemacht, um in der Pandemie mehr Raum zu haben.
„Einen Schwimm- oder Saunabetrieb finden auch wir ganz gut“, sagt Meurer
für die Initiative. „Schließlich kommen in Schwimmbädern viele Menschen
zusammen, die sich sonst in der Stadt kaum begegnen. Baden und Saunieren
ist ja etwas Kulturübergreifendes.“
Bei Menschen, die in Berlin Verantwortung tragen und gerne mal Neues
ausprobieren, rennt „Pool Potentials“ offene Türen ein. „Ich finde das s…
spannend“, sagt Florian Schmidt, Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg,
mit dem die Initiative sich bereits zusammengesetzt hat. „Mein erster
Impuls war: Das ist genau der richtige Ansatz, dass man in der verdichteten
Stadt die Räume mehrfach nutzen muss.“ Er habe aber auch „gleich
dazugesagt, dass das verwaltungstechnisch extrem kompliziert werden
dürfte“.
## Bäderbetriebe müssen mitspielen
Tatsächlich droht die Kampagne ins Leere zu laufen, wenn am Ende die
Berliner Bäderbetriebe (BBB) nicht mitspielen. Die zeigen sich vorläufig
extrem skeptisch: Man habe die jungen ArchitektInnen mit Infos über die
Bäder unterstützt und finde die gesammelten Ideen „wirklich interessant“,
sagt BBB-Sprecherin Claudia Blankennagel. „Gleichwohl halten wir sie zum
jetzigen Zeitpunkt in unseren Bädern nicht für realisierbar.“
Das habe verschiedene Gründe, viele davon technischer Natur: Die Gebäude
seien nicht winterfest und beheizbar, und aus den gefliesten Schwimmbecken
könne das Wasser nicht abgelassen werden, da sonst Frostschäden drohten.
Zufrieren dürfe es allerdings auch nicht: „Der Druck der Eisdecke würde
Schäden an der Konstruktion verursachen.“
Auch die Grünanlagen könnten nur zwischengenutzt werden, wenn die
Bäderbetriebe ihrer Verkehrssicherungspflicht nachkämen, so Blankennagel –
was bedeute, dass die gefüllten Becken eingezäunt werden müssten. „Das
wiederum würde hohe Kosten verursachen.“ Insgesamt beziehe sich der
„Versorgungsauftrag als BBB auf das Betreiben von Schwimmbädern“. Für eine
Nutzung der Bäder darüber hinaus „steht aktuell kein Budget zur Verfügung�…
Kommt Geld, kommt Rat? „Pool Potentials“ hofft darauf, in der aktuellen
Saison so viel Interesse an dem Projekt zu wecken, dass nach den Wahlen
Gelder für eine Pilotstudie oder ein Pilotprojekt zur Verfügung gestellt
werden.
Das sieht auch Florian Schmidt so, wobei für den Stadtrat die Ressourcen
nicht aus den klammen Bezirkshaushalten kommen: „Das muss der Senat
machen.“ Ein Pilotprojekt hielte auch er für den angemessenen Weg – „am
besten sollte eine solche Verabredung gleich im nächsten
Koalitionsvereinbarung getroffen werden“.
26 Aug 2021
## LINKS
[1] https://poolpotentials.de/
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Florian Schmidt
Berliner Bäder-Betriebe
Obdachlosigkeit
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Berliner Bäder-Betriebe
Fotografie
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Elke Breitenbach
Berliner Bäder-Betriebe
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