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# taz.de -- Arbeitskampf des Klinikpersonals: Vivantes bestreikt Rot-Rot-Grün
> Der verkorkste Beginn der Streiks bei den landeseigenen Kliniken zeigt:
> Auf Berlin kommt wohl ein mit allen Mitteln geführter Arbeitskampf zu.
Bild: Streik? Oder doch nicht? Protestierende am Montag vor der Vivanteszentrale
Berlin taz | „Hört auf, immer die verklemmten und braven Pflegekräfte zu
sein! Seid verdammt noch mal wütend!“, ruft eine junge Rednerin der
[1][Berliner Krankenhausbewegung] vor der Vivanteszentrale in der Aroser
Allee in Reinickendorf. Mehrere hundert Streikende der kommunalen
Krankenhäuser Charité und Vivantes johlen und applaudieren. Die Stimmung
ist aufgeheizt.
Der erste Streiktag der Krankenhausbeschäftigten [2][in diesem lang
angekündigten Arbeitskampf] hat am Montag dramatisch begonnen. Am Morgen
ließ die Klinikleitung von Vivantes den Streik der Beschäftigten kurzerhand
durch das Berliner Arbeitsgericht vorläufig verbieten.
Das Thema Entlastung, so der kommunale Krankenhauskonzern in einer
Mitteilung, sei im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) bereits
„abschließend geregelt“. Da der TVöD nicht insgesamt gekündigt wurde,
verstoße Verdi gegen die sogenannte Friedenspflicht. Sie untersagt es einer
Gewerkschaft, gegen einen ungekündigten Tarifvertrag zu streiken.
Der Krankenhausbewegung geht es eigentlich um einen vom TVöD unabhängigen
Entlastungsvertrag. Dennoch folgte das Arbeitsgericht der Argumentation der
Arbeitgeberseite. Für diesen Dienstag ist eine mündliche Verhandlung
angesetzt. Bis dahin ist es Vivantes-Beschäftigten verboten zu streiken.
Bereits am Freitag hatte das Arbeitsgericht den Arbeitskampf der
Beschäftigten der Vivantes-Tochtergesellschaften verboten. Hier
argumentierte das Gericht, Verdi könne eine Notdienstvereinbarung nicht
„einseitig“ festlegen. In einer solchen Regelung einigen sich Arbeitgeber
und Arbeitnehmer im Falle eines Streiks im Gesundheitssektor normalerweise
auf eine Mindestbesetzung, die die Notversorgung von Patient:innen
sicherstellen soll.
Da es zu einer solchen Einigung nicht kam, konnte das Gericht den Streik
untersagen. Verdi bezeichnete die Entscheidung als „Horrorurteil“. Schon
zuvor hatte aus den Reihen der Gewerkschaft geheißen, die Klinikleitung
ziehe die Verhandlungen in die Länge; möglicherweise, um eine Einigung zu
verhindern.
Vivantes wehrt sich also vollumfänglich gegen den Arbeitskampf der
Beschäftigten. Stand Montagnachmittag sind nun nur noch die Beschäftigten
der Charité überhaupt streikberechtigt. Entsprechend wütend waren die
Protestierenden, die sich am Montagmorgen vor der Vivanteszentrale
versammelten. Kurzerhand entschied sich ein Großteil von ihnen zu bleiben,
bis „das Ding vom Tisch ist“, wie es eine Rednerin unter lautem Applaus
formulierte.
Die zuständige Fachbereichsleiterin der Gewerkschaft, Meike Jäger, erklärte
indes, Verdi könne ein solches Urteil „nicht ignorieren“. Der Streik müsse
deshalb zunächst heruntergefahren werden, bis das Gericht final entschieden
habe.
Ebenfalls anwesend sind die rot-rot-grünen Spitzenkandidat:innen für
die Abgeordnetenhauswahl am 26. September sowie CDU-Spitzenkandidat Kai
Wegner. Als Franziska Giffey (SPD) die Bühne betritt, hallen Buhrufe und
Pfiffe über den Platz. Sie schafft es kaum zu erklären, dass die
einstweilige Verfügung „zu kritisieren“ sei. Bettina Jarasch (Grüne) zeigt
sich „fassungslos“ und nennt das „Gezerre“ um die Notdienstvereinbarung
„unwürdig“.
Der Einzige, der keine Buhrufe abbekommt, ist Klaus Lederer (Linke).
„Stinksauer“ sei er über das „Union Busting“ und die „Verarsche“ s…
der Vivantes-Klinikleitung, erklärt er. „Wir sind der Eigentümer, verdammte
Scheiße!“, ruft Lederer ins Mikrofon. Der später dazugestoßene Kai Wegner
fordert Rot-Rot-Grün zum Handeln auf.
Die Politiker:innen hatten noch versucht zu intervenieren.
Medienwirksam begaben sich Lederer, Jarasch und Giffey in die
Vivantes-Konzernzentrale, um eine Rücknahme der einstweiligen Verfügung zu
fordern. Als sie nach einer Stunde wieder auf die Streikbühne treten, ist
das Ergebnis enttäuschend: Meike Jäger von Verdi verkündet, dass die
Gewerkschaft sich zumindest vorerst zurückziehen muss.
Vivantes-Regionaldirektor Johannes Danckert versucht noch, das Handeln der
Geschäftsführung durch einen Verweis auf die „komplexe rechtliche
Situation“ zu rechtfertigen. Doch immer wieder wird er von der Menge
unterbrochen. Immerhin kündigt Danckert an, es würde „keine
arbeitsrechtlichen Konsequenzen“ für das Fernbleiben von der Arbeit am
Montag geben.
Eine Streikende erzählt der taz jedoch, noch während Danckerts Rede habe
die Stationsleitung sie angerufen, sie müsse nun zur Arbeit erscheinen.
Eine weitere Streikende bricht in Tränen aus. Auf Berlin kommt wohl ein mit
allen Mitteln geführter Arbeitskampf zu.
23 Aug 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Timm Kühn
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