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# taz.de -- Proteste und Polizeigewalt in Kolumbien: Mit Kochtöpfen statt Schu…
> Am Nationalfeiertag sind in Kolumbien Tausende gegen die Regierung auf
> die Straßen gegangen. Sie forderten auch eine Reform des Polizeiapparats.
Bild: Protest am Tag der kolumbianischen Unabhängigkeit in Bogota
Bogota taz | Im ganzen Land haben am Dienstag Tausende Menschen
protestiert, die meisten von ihnen friedlich, begleitet durch kulturelle
Aktivitäten und Konzerte. Sie forderten unter anderem bessere
Arbeitsbedingungen, eine Reform des Rentensystems, einen [1][besseren
Schutz von Menschenrechtsaktivist*innen] und die Umsetzung des
Friedensabkommens mit der [2][ehemaligen Farc-Guerilla]. Laut
Beobachter*innen gingen aber weniger Menschen auf die Straßen als auf
dem Höhepunkt der Proteste im Mai.
Der 20. Juli ist der Unabhängigkeitstag Kolumbiens. Aus Protest gegen die
Menschenrechtsverletzungen der Regierung hingen dieses Mal viele Flaggen
verkehrt herum – und das Blutrot oben. So tat das auch eine [3][Gruppe von
Parlamentarier*innen der Opposition] im Kongress. Sie trugen dabei
Helme.
Die Polizei, speziell die berüchtigte Anti-Aufstandseinheit Esmad, ging auf
Demonstrierende erneut mit Tränengas und Granatenwerfern los. Laut
Medienberichten und Videos in den sozialen Medien geschah dies auch in
Fällen, in denen die Demonstrierenden eindeutig friedlich gewesen waren.
[4][Laut der Studierenden-Organisation Univalle Unida] schoss die Polizei
scharf. Auch die Armee war mit Tausenden Soldat*innen auf den Straßen.
Mit Einbruch der Dunkelheit verstärkten sich die gewaltsamen
Auseinandersetzungen zwischen Polizei, Demonstrierenden und Randalierern.
Mindestens 22 Personen wurden nach Angaben des Generaldirektors der
kolumbianischen Polizei, Jorge Luis Vargas, wegen des Angriffs auf
öffentliches Eigentum und Auseinandersetzungen mit der Polizei
festgenommen. Knapp zwei Dutzend Polizisten wurden verletzt. Verlässliche
Zahlen zu Verletzten und möglichen Toten lagen Dienstagnacht noch nicht
vor.
## Wie Drogenkriminelle präsentiert
Beobachter*innen der Vereinten Nationen begleiteten in mehreren
Städten die Protestmärsche. Nach Angaben des Instituts Indepaz sind bei den
Protesten seit Ende April mindestens 79 Menschen getötet worden, davon 43
von der Polizei. Präsident Iván Duque lehnt eine tiefgreifende
Polizeireform, eine der Hauptforderungen der Protestierenden, weiter ab.
Seine Modernisierungsvorschläge gehen ihnen nicht weit genug.
Schon vor dem 20. Juli hatte Verteidigungsminister [5][Diego Molano auf
Twitter] Dutzende Festnahmen gemeldet. Fotos zeigten die Menschen und deren
beschlagnahmte Gegenstände in einer Art, wie es sonst bei Drogenkriminellen
üblich ist. Die Gouverneurin der Region Valle, Clara Luz Roldán, hatte per
Dekret die Grenzen der Verwaltungseinheit abgeriegelt.
Die sich dort befindende Stadt Cali ist seit April das [6][Zentrum der
Proteste]. Die Polizei hatte vorab angekündigt, Schilder, Helme,
Schutzbrillen und Gasmasken von Demonstrierenden zu konfiszieren. So wurde
eine Seniorin am Dienstag [7][zur Internetberühmtheit]: Sie hatte einen
Kochtopf zum Helm umfunktioniert.
## Steuerreform bleibt umstritten
Während Tausende auf den Straßen protestierten, wurde im Parlament die
Steuerreform vorgestellt, die bei Präsident Duque unter
„Sozialinvestitionsgesetz“ firmiert. Der vorherige Vorschlag hatte die
Proteste am 28. April ausgelöst, war [8][später zurückgezogen worden] und
Finanzminister Alberto Carrasquilla zurückgetreten. Obwohl bis Mittwoch
Details unbekannt waren, hatte es schon zuvor Kritik an dem neuen Vorstoß
gegeben, weil dieser Unternehmen stark belasten würde, die durch die
Pandemie ohnehin gebeutelt sind.
Zum anderen legte die Sitzung offen, wie zerstritten die Opposition ist.
Weil sie sich nicht auf eine*n Redner*in einigen konnte, wurden die 20
Minuten Replikrecht nach der Rede des Präsidenten Duque zwischen drei
Parteien zerstückelt. Bei der Wahl des zweiten Vizepräsidenten des Senats,
eigentlich eine Formalie, fiel Gustavo Bolívar durch, weil die Mehrheit den
Stimmzettel leer ließ. Das war so noch nie vorgekommen.
Bolívar war vor dem Unabhängigkeitstag kritisiert worden, weil er eine
[9][Spendenaktion für Schutzkleidung] an Menschen in der vordersten
Protestreihe unterstützt hatte, damit diese ihre Augen und ihr Leben
bewahrten, wie er sagte.
21 Jul 2021
## LINKS
[1] /Getoete-Zivilistinnen-in-Kolumbien/!5750668
[2] /Farc-Guerilla-in-Kolumbien/!5728241
[3] https://twitter.com/PizarroMariaJo/status/1417480359344750605?s=20
[4] https://twitter.com/UnivalleU/status/1417615329086300161?s=20
[5] https://twitter.com/Diego_Molano/status/1416428333361999882?s=20
[6] /Proteste-gegen-Kolumbiens-Regierung/!5770706
[7] https://twitter.com/CapitnColombia/status/1417544879798898690?s=20
[8] /Protestwelle-in-Kolumbien/!5769364
[9] https://www.lafm.com.co/politica/gustavo-bolivar-explico-objetivo-de-entreg…
## AUTOREN
Katharina Wojczenko
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Kolumbien
Iván Duque
Protest
soziale Ungleichheit
Steuerreform
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