# taz.de -- Politische Negativwerbung in Osnabrück: Ein wütendes Wahlplakat | |
> Für die niedersächsischen Kommunalwahlen wirbt der „Bund Osnabrücker | |
> Bürger“ mit dem wütenden Gesicht des örtlichen Stadtbaurats Frank Otte. | |
Bild: Anti-Wahlkampf auf die Person gemünzt | |
OSNABRÜCK taz | Wer auf einem Wahlplakat zu sehen ist, soll positiv wirken. | |
Meint man. In Osnabrück gilt diese Normalität nicht mehr. Ein Plakat des | |
„Bundes Osnabrücker Bürger“ (BOB) bewirkt das Gegenteil. Willentlich. | |
Das Plakat ist mannshoch, sechs Schritte lang und für die Kommunalwahl am | |
12. September gedacht. Auf ihm zu sehen ist Osnabrücks Stadtbaurat Frank | |
Otte, mit Namen und Funktion. Abweisend sieht er aus, zornig. Irgendwas | |
scheint er gerade zu rufen. „Er ist nicht BOB“ steht drüber, riesig groß. | |
Und rechts daneben: „Wir sind BOB“. Und dass der BOB gute Ideen habe, eine | |
gute Politik mache, gut sei für Osnabrück. | |
Otte ist kein Kandidat der Wählergemeinschaft. Er weiß nicht, wo das Foto | |
aufgenommen wurde, hat es nicht autorisiert. Er hat mit der Kommunalwahl | |
auch überhaupt nichts zu tun. Er hängt nur dort, weil dem BOB seine | |
Dezernatsarbeit nicht passt und verhindern will, dass Ottes Vertrag 2023 | |
verlängert wird, über die Altersgrenze hinaus. Um das beeinflussen zu | |
können, muss der BOB in den neuen Stadtrat – im alten hatte sich die | |
Kleingruppe 2020 selbst zerlegt, als ihre zwei Ratsmitglieder von der | |
Fahne gingen. | |
„So gezeigt zu werden, finde ich ehrverletzend, unverschämt, | |
grenzüberschreitend“, sagt Otte, der als Stadtbaurat an Themen wie einer | |
flächensparenden Siedlungsentwicklung oder einem Masterplan Klimaschutz | |
arbeitet. „Das beschädigt meine Person, das beschädigt das Amt. Aber ich | |
scheine es hinnehmen zu müssen.“ Otte hätte gern Widerstand geleistet. Aber | |
das Rechtsamt der Stadt war sich nicht sicher, ob das Erfolg haben würde. | |
## Als Person angegriffen | |
„Der BOB greift mich für Dinge an, die im Rat entschieden werden, mit | |
politischen Mehrheiten“, sagt Otte. „So als ob ich das völlig allein | |
durchziehe.“ | |
Das Plakat ist nicht der erste Angriff des BOB auf Otte. Die Liste von | |
Ottes angeblich „fragwürdigen Entscheidungen“ und „Steuerverschwendungen… | |
die der BOB auf seiner Website präsentiert, ist lang – der BOB unterstellt | |
Ottes Arbeit, sie sei „ideologisch orientiert“. Und es gibt eine Petition | |
gegen die Wiederwahl von Otte, in der der BOB von „Luxus-Radwegen“ schreibt | |
oder Fahrradbügel kritisiert, die der Gastronomie in die Quere kämen. Nun | |
also das Plakat. | |
Osnabrücks Politik ist sich in der Einschätzung einig: Man lehne diese Art | |
des Wahlkampfes „kategorisch“ ab, sagt etwa Susanne Hambürger dos Reis, | |
Fraktionsvorsitzende der SPD. Das sei „ethisch nicht vertretbar“, eine | |
„absolut nicht hinzunehmende Entwicklung“. Wen treffe es als nächstes? | |
Giesela Brandes-Steggewentz, Fraktionschefin der Linken, spricht von | |
Verunglimpfung und Beleidigung: „Menschen so an den Pranger zu stellen, ihr | |
Bild abwertend zu plakatieren, ist eine neue Ebene von Hasspropaganda, wie | |
es sie in Osnabrück bisher nicht gab.“ | |
## Grüne sehen Grenze übeschritten | |
Thomas Thiele, Fraktionsvorsitzender der FDP, spricht von Diskreditierung: | |
„Einen einzelnen Mitarbeiter der Stadtverwaltung zu ‚dissen‘, gehört sich | |
nicht.“ Er sagt: „Alle anderen Parteien und Verwaltungsmitglieder sind auch | |
nicht BOB und wollen es auch nicht sein.“ Das BOB-Verhalten sei „typisch | |
für rechten Diskurs in unserer Gesellschaft“. | |
Auch Ingo Dauer, Geschäftsführer der CDU Osnabrück, verurteilt „jegliche | |
Form unfairen Wahlkampfs.“ Und die Kooperation mit BOB in der | |
Vergangenheit? „Sie ändert nichts an dieser Haltung“, sagt Dauer. | |
Die Grünen, denen Otte angehört, werden da deutlicher: „Die Kampagne von | |
BOB ist verletzend und geschmacklos“, sagt Volker Bajus, ihr | |
Fraktionsvorsitzender. „Hier wird gezielt eine Grenze überschritten.“ So | |
spalte man die Gesellschaft und zerstöre die politische Debattenkultur. Die | |
Kleingruppe stehe für die „autofixierte Verkehrspolitik von gestern“, sagt | |
Bajus. „Ein grüner Stadtbaurat, der sich öffentlich für Verkehrswende, | |
Radsicherheit und Klimaschutz einsetzt, ist willkommenes Feindbild.“ | |
Eine gemeinsame Erklärung der Parteien für einen fairen Wahlkampf kam nicht | |
zustande. Die CDU machte nicht mit. Auch nicht die Ratsgruppe der | |
Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) und die FDP – das verschaffe dem BOB | |
nur noch mehr Aufmerksamkeit, lautet die Argumentation. | |
## Keine Rückendeckung vom OB | |
Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (CDU) lässt Otte derweil allein im | |
Regen stehen. Er sei „als Wahlleiter zur Neutralität verpflichtet“, sagt | |
Stadtsprecher Gerhard Meyering auf taz-Anfrage. „Eine Bewertung von | |
Wahlkampfäußerungen von Parteien oder Parteimitgliedern auch gegen Kollegen | |
der Stadt käme einer Einmischung in den Wahlkampf gleich und verbietet sich | |
an dieser Stelle, soweit rechtlich kein Eingreifen notwendig ist.“ | |
Der BOB seinerseits hat rechtlich eingegriffen. Denn Otte hatte gegenüber | |
der Neuen Osnabrücker Zeitung von einem „persönlichen Kampf“ gegen sich | |
„auf Kosten des Steuerzahlers“ gesprochen. Daraufhin kam Post von der | |
Kölner Rechtsanwaltskanzlei Höcker. Eine Abmahnung: Otte solle das mit dem | |
Steuerzahler nie wieder sagen. Dazu eine Kostennote für Höckers Honorar und | |
eine Unterlassungserklärung. | |
„Die hat mein Mandant nicht unterschrieben“, sagt Ottes Anwältin Tanja | |
Irion. „Wir haben mit einer Klarstellung reagiert.“ Man müsse jetzt | |
versuchen, „das alles mit viel Ruhe und Sachlichkeit abzuarbeiten“. Er habe | |
gemeint, schreibt Otte in dieser Klarstellung, dass der BOB, durch seine | |
bei der letzten Kommunalwahl errungenen Stadtratssitze, berechtigt sei, | |
Spenden anzunehmen – die für den Spender zu Steuererstattungen führen, auf | |
Kosten der Steuerzahler. | |
Vom BOB heißt es, es sei alles nicht so gemeint gewesen: „Es war nie unsere | |
Absicht, die Ehre des Stadtbaurats in irgendeiner Form zu verletzen“, | |
schreibt Wolfgang Niemeyer vom BOB-Wahlkampfteam. | |
## „So nicht beabsichtigt“ | |
Das Plakatmotiv solle betonen, dass der BOB „mit vielen Aspekten seiner | |
Arbeit nicht einverstanden ist und eine andere Art und Form der Politik für | |
Osnabrück anstrebt als die von Herrn Otte präferierte“. Der „eventuell | |
assoziierte negative Kontrapunkt, den dieses Plakat in den Augen seiner | |
Kritiker setzt“, sei „von uns und unserem Wahlkampfberater so nicht | |
beabsichtigt“. | |
Ob Otte weitermacht, auch nach 2023? „Allein um das BOB-Getöse ad absurdum | |
zu führen, müsste ich eine Verlängerung beantragen“, sagt er. „Über die | |
Maximaldauer.“ Das wären drei Jahre. | |
14 Aug 2021 | |
## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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falsch. |