# taz.de -- Kunst der Woche: Träume von Räumen | |
> Max Geisler nimmt Zelte auseinander, Sarah Entwistle das Erbe ihres | |
> Großvaters und im Kühlhaus schaffen Studierende aus Weißensee Tatsachen. | |
Bild: Abie Franklin, Surface Dwellers, 2021, Installation bei „Ipso Facto“ | |
Mit diversen Räumen und Architekturen setzt sich Max Geisler schon länger | |
auseinander. Bei denjenigen, die ihn in den vergangenen Monaten besonders | |
beschäftigt haben, handelt es sich um tragbare, sich selbst entfaltende: | |
Geisler hat Wurfzelte aus dem Campingbedarf zerschlitzt, bemalt und | |
besprüht. Viel könnte man in diese Materialwahl hineininterpretieren, die | |
in der [1][Ausstellung „Collapse“ bei Mountains] zusammengetragen wurden. | |
Erst recht in der aktuellen Situation – Rückzug und Fernweh, Sehnsucht nach | |
Natur und Künstlichkeit. | |
Der Künstler lotet außerdem aber recht klassisch Farb- und Raumwirkung aus, | |
benutzt allein schon aus diesem Grund Zelte unterschiedlicher Größen, Typen | |
und Funktionen. Eine Schwäche scheint er für solche zu haben, die sich an | |
sehr spezifische Nutzer*innen richten. Babystrandmuscheln sind etwa | |
dabei oder ein Wurfzelt für Katzen, Absurditäten der Outdoorcommunity, die | |
in der Galerie Mountains nun wie abstrakte, knallig-bunte Bilder der | |
Zerstörung an den Wänden hängen. | |
Readymades verwendet auch Sarah Entwistle, [2][deren Einzelausstellung] | |
„Die zarten Bande der Liebe sind fest geschnürt (The knots of tender love | |
are firmly tied)“ aktuell bei Barbara Thumm läuft. Die Künstlerin arbeitet | |
darin ihre Erinnerungen an ihren Großvater, den Architekten Clive Entwistle | |
(1916-1976) auf, ein offenbar wenig sympathischer Zeitgenosse, der seine | |
zahlreichen Liebhaberinnen in toxischen Beziehungen von sich abhängig | |
machte. | |
Entwistle baut in der Ausstellung Hinterlassenschaften und Entwürfe ihres | |
Großvaters mit handwerklich gefertigten Objekten wie Teppichen oder | |
Keramiken, Leuchten, Industrieschrott und Videos, Design, | |
Architekturelemente und Kunst zu Interieur-Stillleben zusammen, die | |
entfernt an therapeutische Familienaufstellungen erinnern. | |
Um verblüffend echt wirkende Kopien handelt es sich bei den Arbeiten von | |
Dean Annunziata. „Befleckte Leinwand“ heißt seine Serie nicht ohne Grund. | |
Wirkt sie doch so, als hätte der Künstler einfach Stücke aus einer | |
Tischdecke nach einer ausgedehnten Feierlichkeit auf Rahmen gespannt. Eklig | |
klebrig glänzen manche der bunten Flecken und vermeintlichen Glasabdrücke – | |
tatsächlich ist es aber Malerei. | |
Zu sehen ist diese aktuell [3][im Kühlhaus in der Gruppenausstellung] „Ipso | |
Facto“, in der über 50 Studierende der Weißensee Kunsthochschule Berlin aus | |
den Fachgebieten Bildhauerei und Malerei ihre Abschlussarbeiten vorstellen. | |
Ganz echt und in Farbe. | |
Dana Kirijak bietet einen pseudoesoterischen Blick ins „Bullshit Universum“ | |
und sucht in ihrer Installation und der dazugehörigen Publikation nach | |
Antworten auf die Frage, „Woher wir kommen, wohin wir gehen II“. Elias | |
Klein hält auf seinen scheinbar naiven kleinformatigen Filzstiftbildern – | |
und einer großen an der Reling hängenden Malerei – Alltagsabenteuer im | |
urbanen Dschungel fest. | |
Interessante Materialgegensätze lässt Abie Franklin für sich arbeiten: | |
Apfelkarton, Taubenspikes und Netze sind unter anderem beteiligt. | |
Tatsächlich um Arbeit geht es wiederum bei Magda Domeracka, die in ihrem | |
Video „Do what you love and you’ll never work a day in your life II“ | |
herrlich treffend – der Titel spricht Bände – auf die Einlullungsstrategien | |
von Startups und möchtegern-hippen Digitalfirmen abzielt. Vier Stockwerke | |
umfasst die Schau, die nur noch bis einschließlich Freitag geöffnet ist. | |
20 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://mountains.gallery/exhibitions/ | |
[2] https://bthumm.de/ | |
[3] https://www.ipsofacto.berlin/exhibition | |
## AUTOREN | |
Beate Scheder | |
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